Gewerkschaftplan für Leiharbeitsfirma Warum die GDL künftig Lokführer ausleihen will
Die GDL will den DB-Konzern mit einer Zeitarbeitsfirma unter Druck setzen: Eine Gewerkschafts-Tochter soll selbst Lokführer an Bahnunternehmen verleihen. Ein kühner Plan ohne Erfolgsgarantie.
Während zuletzt vorsichtige Hoffnungen aufkamen, dass sich die Gewerkschaft EVG und die Deutsche Bahn bei ihrer nächsten Verhandlungsrunde einigen könnten, kündigt sich der nächste Tarifkonflikt der Branche bereits an. Gestern hat die deutlich kleinere Lokführergewerkschaft GDL ihre Forderungen für die im Herbst anstehenden Tarifverhandlungen mit dem DB-Konzern vorgestellt.
Für Aufsehen sorgte aber vor allem der äußerst ungewöhnliche Plan der GDL, künftig selbst Lokführer an die Bahn verleihen zu wollen. Dafür hat sie bereits die Genossenschaft "Fair Train e.G." gegründet, die mittelfristig Lokführer zu besseren Bedingungen anstellen und diese dann an Bahn-Unternehmen verleihen soll. "Die Eisenbahner nehmen ihr Schicksal in Zukunft schrittweise in die eigenen Hände", sagte dazu GDL-Chef Claus Weselsky.
An der "Fair Train e.G." können nur GDL-Mitglieder Genossenschaftsanteile erwerben. Die Gewerkschaft würde mit dieser "bahnbrechenden Idee für den Eisenbahnmarkt" indirekt selbst zum Arbeitgeber werden. Das sei eine "Kampfansage" an die Deutsche Bahn, so Weselsky.
Erste Vermittlungen bereits im Dezember?
Weselsky begründete den Plan vor allem damit, dass Eisenbahnberufe angesichts des Personal- und Fachkräftemangels zwingend attraktiver gemacht werden müssten. "Ziel der Genossenschaft ist es, fachlich qualifizierte Lokomotivführer zur Verfügung zu stellen und die daraus resultierenden Gewinne den Genossenschaftsmitgliedern selbst zufließen zu lassen, anstatt zuzuschauen, wie sich die Vorstände der DB AG die Taschen füllen", so die GDL.
Geht es nach den Plänen der Gewerkschaft, soll die Genossenschaft recht rasch operativ tätig werden. "Wir gehen davon aus, bis zum Fahrplanwechsel im Dezember 2023 erste Kolleginnen und Kollegen im Markt platziert zu haben", so ein GDL-Sprecher.
Zunächst laufe aber noch das Verfahren zur Beantragung der sogenannten Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis. Dann müsse die Genossenschaft die Tarifverträge mit der GDL schließen. "Sodann werden wir die Kolleginnen und Kollegen ansprechen, die neben dem Erwerb von Genossenschaftsanteilen ihr Interesse an einer Beschäftigung bei der Fair Train e.G. bekundet haben", so der Sprecher. "Diese werden dann an interessierte Eisenbahnverkehrsunternehmen in deren Wohnortregion vermittelt."
Kritische Größe entscheidend
Ob der kühne Plan aufgeht, bleibt derweil völlig offen. Entscheidend für den Erfolg des Modells wird sein, ob es der neuen Genossenschaft gelingt, genügend eigene Lokführer zu gewinnen. Diese müssten auf ihre relativ sicheren Jobs bei der DB und anderen Bahnen verzichten und bereit sein, sich auf das Wagnis eines neuartigen Geschäftsmodells einzulassen.
Das Modell der Leiharbeit fußt nicht zuletzt darauf, dass Arbeitgeber den ihnen "überlassenen" Beschäftigten oftmals geringere Löhne zahlen als ihrer Stammbelegschaft - und sie flexibel einsetzen können. Die schlechtere Bezahlung hatte das Bundesarbeitsgericht jüngst im Prinzip bestätigt, sofern es einen Tarifvertrag mit der Zeitarbeitsfirma gibt.
Spricht von einer "Kampfansage": GDL-Chef Claus Weselsky.
Für die GDL ist aber eine Überlassung der Arbeitnehmer unter dem Tarifniveau der Genossenschaft, das per se bereits über dem der Bahn liegen soll, kaum denkbar: "Da wir auch als Genossenschaft profitabel wirtschaften müssen und uns natürlich an die von uns noch abzuschließenden und geschlossenen Tarifverträge halten müssen, ist eine Überlassung zu solchen Konditionen ausgeschlossen", so der Gewerkschaftssprecher.
Die Bahn wird dagegen bestrebt sein, nicht mehr für Leiharbeiter zu bezahlen als für ihre Stammbelegschaft. Umso wichtiger für den Erfolg des Modells ist daher die Frage, wieviel Verhandlungsmacht die Genossenschaft auf sich vereinen kann. Dabei könnte dem Gewerkschafts-Plan zugute kommen, dass qualifizierte Lokführer rar sind. Indem die GDL als Arbeitgeber in direkte Konkurrenz zum DB-Konzern tritt, setzt sie das Unternehmen zusätzlich unter Druck.
GDL der kleinere von zwei Konkurrenten
Unter den beiden Bahngewerkschaften ist die GDL die deutlich kleinere. Sie zählt fast 40.000 Mitglieder, die konkurrierende EVG rund 185.000 Mitglieder. Nur in einigen Betrieben der Bahn, besonders aber bei den privaten Bahnunternehmen sind die meisten Gewerkschaftsmitglieder in der GDL organisiert.
Das Tarifeinheitsgesetz sieht folgende Regelung vor: Wenn in einem Unternehmen für dieselbe Mitarbeitergruppe mehrere Tarifverträge vorliegen, wird der Vertrag jener Gewerkschaft angewandt, die in einem Betrieb die meisten Mitglieder hat. Daher ist bei der Deutschen Bahn die EVG die stärkere Arbeitnehmervertretung, bei den Privatbahnen dagegen die GDL.
Bei der Deutschen Bahn werden derzeit gut 180.000 Beschäftigte gemäß des EVG-Tarifwerks bezahlt, die GDL-Verträge werden bei 16 der insgesamt 300 Bahn-Betriebe angewandt. Als kleinere Gewerkschaft versucht die GDL durch in der Regel höhere Forderungen und einen konfrontativeren Ton, Profil und Mitglieder zu gewinnen.
In einer vorigen Version des Textes war davon die Rede, dass bei etwas weniger als 20 der 71 Bahn-Betriebe die GDL-Verträge angewandt werden. Tatsächlich werden die Verträge aber in 16 von 300 Bahn-Betrieben angewandt. Wir haben den Text entsprechend korrigiert.
Mehr zum Hintergrund dieser und anderer Korrekturen finden Sie hier: tagesschau.de/korrekturen