Google reagiert auf EU-Kartellbeschwerde "Enttäuschende Neuigkeiten"
Eine interne E-Mail und einen Blogpost - damit hat Google auf die Brüsseler Vorwürfe reagiert. Die EU-Kommission wirft dem Konzern Missbrauch seiner Marktmacht vor. Das Verfahren wird Google nicht auf die leichte Schulter nehmen. Ein Bußgeld in Milliardenhöhe droht.
Es seien - so wörtlich - "sehr enttäuschende Nachrichten", die da aus Europa kämen, heißt es in einem internen Google-Memo, das inzwischen auf verschiedenen Nachrichtenseiten kursiert. Doch Google bestreitet den Vorwurf der EU-Kommission, der Suchmaschinenriese missbrauche seine Quasi-Monopolstelllung, um zum Beispiel bei der Suche nach bestimmten Produken in den Suchergebnissen den eigenen Preisvergleichsdienst "Google Shopping" zu bevorzugen.
In einem langen Blogpost legt Amit Singhal, Chef des Bereichs Suchmaschine bei Google, seine Sicht der Dinge dar: Mit Schaubildern, die belegen sollen, dass Googles eigener Shoppingdienst deutlich weniger erfolgreich sei als die Konkurrenz. Dies zeige, so Singhal, "dass es eine Menge konkurrierende Angebote gibt, darunter solche von Amazon und Ebay, den größten Shopping-Sites der Welt" und, "dass Googles Shopping-Suchergebnisse der Konkurrenz nicht geschadet haben."
Google argumentiert mit Zalando
Selbst den Börsengang des deutschen Online-Schuhändlers Zalando im vergangenen Jahr führt Singhal als Beleg dafür an, dass es im europäischen Online-Shopping-Markt offenbar eine Menge Innovation gebe. Dies sei normalerweise ein Zeichen dafür, dass eben nicht eine einzige Firma, nämlich Google, den Markt dominiere.
Michael Carrier, Jura-Professor an der Rutgers School of Law in New Jersey, vermutet im Interview mit dem Wall Street Journal, dass Google die Untersuchung trotzdem nicht auf die leichte Schulter nehmen wird: "Das Verfahren könnte weltweit von Bedeutung sein: Gegen Google wurde ja schon mehrmals ermittelt. Sehr viele Länder beobachten die Firma genau, weil Google so erfolgreich und groß ist. Mit Erfolg und Größe kommt der prüfende Blick."
Übermacht in Europa
Um diesen Fakt kommt auch Google nicht herum: Die absolute Übermacht der Google-Suche im europäischen Markt. Die ist übrigens deutlich größer als in Googles Heimatland USA: Hier hat der Konzern 67 Prozent Marktanteil, in Europa mehr als 90 Prozent.
Der Medienexperte und Journalismus-Experte Jeff Jarvis, selbst ein bekennender Google-Fan, nimmt das Unternehmen im Interview mit dem österreichischen Magazin Profil in Schutz: "Wir wollen Erfolg, wir wollen, dass Unternehmen wachsen - und dann gibt es diese unsichtbare Linie, die nicht per Gesetz festgeschrieben ist. Wenn ein Unternehmen die überschreitet, ist es zu groß. Aber wo gibt es ein Gesetz, dass dieses 'zu groß' definiert? Es gibt nur diesen Eindruck: 'Oh, ihr seid zu groß!' Das höre ich in Europa ständig: 'Google ist zu groß.' Aber was heißt das? Und wer hat Google groß gemacht? Die Europäer!", sagt Jarvis.
Er kritisiert, dass die EU-Kommission nicht aus eigenem Antrieb und im Interesse der Bürgerinnen und Bürger handle, sondern mit dem Verfahren auf die Kritik europäischer Unternehmen an Google reagiere. Zum Beispiel hatte Matthias Döpfner, Chef des Axel-Springer-Konzerns, voriges Jahr einen offenen Brief an Google-Verwaltungsratschef Eric Schmidt in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlicht. Titel: "Warum wir Google fürchten".
Wettbewerber aus Europa?
Jarvis sieht das EU-Verfahren deshalb als Beleg für Protektionismus, dass sich Europa also künstlich gegen internationale Konkurrenz abschirme und sich damit selbst einem freien und fairen Wettbewerb entgegenstelle: "Wo sind denn die europäischen Konkurrenten für Google, Facebook, Twitter und Amazon? Ich würde mir solche Wettbewerber aus Europa wünschen, die dann für mehr Innovation sorgen. Aber ich fürchte, dass die negative Kultur in Europa und der Protektionismus nicht zu dieser Innovation führen werden."
Doch Europa ist ein wichtiger Markt für Google. Der Konzern wird in den zehn Wochen, die er nun Zeit hat, um zu reagieren, vermutlich alles tun, um die EU-Kommission dazu zu bewegen, das Verfahren beizulegen. In den USA hat es vor ein paar Jahren ein ähnliches Verfahren gegen Google gegeben. Damals war die Firma zu erheblichen Zugständnissen bereit, um härteren Strafen zu entgehen. Google räumte zum Beispiel seinen Anzeigenkunden bessere Möglichkeiten ein, ihre Werbekampagnen über verschiedene Plattformen zu verwalten und leichter auch bei Google-Konkurrenten Anzeigen zu buchen.
Die EU könnte eine Strafe von bis zu 6,6 Milliarden Euro gegen Google verhängen. So eine Summe zahlt auch ein Gigant wie Google nicht einfach aus der Portokasse.