Streit um griechische Renten Tsipras sieht Geldgeber am Zug
Die Geldgeber setzen Athen bei den Rentenkürzungen aus "Opportunismus" unter Druck - das meint der griechische Regierungschef Tsipras. Man warte aber "geduldig" auf mehr Realismus. Finanzminister Varoufakis forderte zudem einen Schuldennachlass.
Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras hat das Beharren der internationalen Geldgeber auf weitere Rentenkürzungen erneut kritisiert. Hinter der Forderung könne man nur politische Absichten vermuten, zitierte ihn die linksgerichtete Zeitung "Efimerída ton Syntaktón". Er warf den Verhandlungspartnern "politischen Opportunismus" vor, der sie dazu treibe, Athen mit Forderungen nach Rentenkürzungen unter Druck zu setzen. Diese sind einer der Hauptstreitpunkte bei den Gesprächen.
Griechenland werde dennoch geduldig warten, bis IWF, EZB und EU in der Realität ankämen. Seine Regierung wünsche sich "ernsthaft" eine Lösung.
Varoufakis: Wir brauchen eine Umschuldung
Zuvor hatte Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis auf längere Laufzeiten zur Schuldentilgung und einen Schuldenerlass gepocht. Er sagte der "Bild"-Zeitung, sein Land brauche eine Umschuldung: "Nur so können wir die Rückzahlung von so viel Schulden wie möglich garantieren und auch leisten." Er verzichte auf weitere Hilfsgelder, wenn die Gläubiger einen Schuldenschnitt anböten. Außerdem benötige Griechenland längere Laufzeiten.
Einen Euro-Ausstieg halte er zwar nicht für sinnvoll, sagte Varoufakis - "aber alles ausschließen kann niemand, auch ich kann nicht ausschließen, dass ein Komet die Erde trifft." Der Finanzminister sagte zugleich: "Wir wollen kein weiteres Geld." Deutschland und der Rest der Euro-Zone hätten Griechenland "doch schon zu viel Geld gegeben - und zwar gehörig". Griechenland wolle "keinen Cent für Löhne und Renten und Schuldentilgung".
"Kanzlerin muss dabei sein"
Trotz der festgefahrenen Gespräche könne es eine schnelle Einigung geben, sagte Varoufakis. Eine Einigung könnte in nur einer Nacht erreicht werden. "Aber: Die Kanzlerin muss dabei sein." Das seinem Land von den Gläubigern auferlegte Sparprogramm sei gescheitert. "Es führt kein Weg daran vorbei: Wir müssen ganz von vorn anfangen, Tabula rasa machen."
Zugleich räumte Varoufakis massive Probleme in der staatlichen Finanzverwaltung ein. Er warnte davor, wie von den Gläubigern gefordert, die Mehrwertsteuer für "wichtige Lebensbereiche" auf 23 Prozent zu erhöhen.
Verhandlungen vorerst gescheitert
Gestern waren die Verhandlungen in Brüssel zur Lösung des Schuldenstreits mit Griechenland vorerst gescheitert. Die EU-Kommission erklärte nach zweitägigen Verhandlungen, die Vorschläge Griechenlands seien weiter unvollständig. Laut Kommission muss Athen jährlich noch "bis zu zwei Milliarden Euro" zusätzlich einsparen.
Kommissionschef Jean-Claude Juncker bleibe aber überzeugt, dass bis Monatsende eine Lösung gefunden werden könne, wenn die griechische Regierung mehr Reformbemühungen und alle Seiten politischen Willen zeigten.
Die Zeit läuft ab
Griechenland ringt seit Monaten um die Freigabe der letzten 7,2 Milliarden Euro aus dem laufenden Rettungsprogramm. Die Kreditgeber - Internationaler Währungsfonds, Europäische Zentralbank und Europäische Union - verlangen dafür Reformen. Nach Einschätzung von Experten steht Athen kurz vor der Staatspleite und damit womöglich auch vor dem Ausscheiden aus dem Euro. Ende Juni muss Griechenland 1,6 Milliarden Euro an den IWF zurückzahlen, wenig später weitere Milliardenbeträge an die EZB.
Am Donnerstag beraten die 19 Euro-Finanzminister. Dann könnte sich entscheiden, ob es noch vor Ablauf des Rettungsprogramms Ende Juni eine Lösung geben kann. Im Falle einer Staatspleite müssten die Geldgeber wohl einen Großteil der bisher gewährten 240 Milliarden Euro abschreiben.