EU zur Brexit-Debatte Nur ein großer Bluff?
Großbritanniens Drohung, nach dem Brexit komplett aus dem EU-Binnenmarkt auszusteigen, sei nur ein großer Bluff, sagen EU-Politiker. Auch die Hoffnung auf ein "Mini-TTIP" mit den USA sei eine Illusion - denn der wichtigste Handelspartner des Königreichs sei die EU.
Von Ralph Sina, ARD-Studio Brüssel
Großbritannien brauche weiterhin europäische Zuwanderer, die im Vereinigten Königreich arbeiten, so die Botschaft des britischen Finanzministers Philip Hammond an Brüssel. Auch an einem Zugang zum EU-Binnenmarkt sind die Briten weiterhin interessiert - bloß die uneingeschränkte Arbeitnehmerfreizügigkeit könne Großbritannien nach dem Brexit-Votum nicht weiter akzeptieren, erklärte der konservative Politiker.
EU: Kein Rosinenpicken
Die Kritik aus Brüssel kam postwendend: "Die Spielregeln kann man sich nicht nach dem Prinzip des Rosinenpickens aussuchen", betont der grüne EU-Finanzpolitiker Sven Giegold. Wer den Zugang zum EU-Binnenmarkt wolle, müsse die dazu gehörenden Vereinbarungen ebenfalls akzeptieren. Und dazu gehöre eben die uneingeschränkte Freizügigkeit für EU-Arbeitnehmer.
Allerdings seien bestimmte Einschränkungen bei den Sozialleistungen durchaus denkbar, meint der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen. "Also zum Beispiel, wie viel Kindergeld gezahlt werden muss." Wenn Kinder von ausländischen EU-Arbeitnehmern in Großbritannien gar nicht im Vereinigten Königreich leben, dann haben diese Kinder auch kein Anrecht auf den britischen Kindergeldsatz, entschied der Europäische Gerichtshof bereits im vergangenen Jahr.
Und auch eine Begrenzung der Zuwanderung aus anderen EU-Staaten sei temporär denkbar, betont Leinen. Auf keinen Fall aber dürfe die Freizügigkeit von EU-Arbeitnehmern grundsätzlich mit Rücksicht auf London eingeschränkt werden.
EU beeindrucken und verängstigen?
Die Kompromisslosigkeit der EU in dieser Frage habe Schatzkanzler Hammond jetzt erkannt und drohe deshalb mit dem Komplettausstieg aus dem EU-Binnenmarkt, betont der Grüne Giegold. Doch die Drohung mit dem "harten Brexit" sei nur ein großer Bluff aus London, meint sein SPD-Kollege Leinen. "Hier sollen die Mitgliedsländer der EU beeindruckt und verängstigt werden."
Tatsache sei, so Giegold, dass Großbritannien rein handelspolitisch stärker von der EU abhängig sei als umgekehrt. Das Land treibt beispielsweise mit Belgien mehr Handel als mit dem Commonwealth-Mitglied Australien. Und die Bundesrepublik ist für London ein wichtigerer Handelspartner als Amerika.
Nur mäßige Vorteile
Ein Freihandelsabkommen mit den USA würde für das Königreich nur bedingt Vorteile bringen, warnt Leinen deshalb. Die Vorstellung Londons, die Nachteile eines Austritts aus dem EU-Binnenmarkt und der europäischen Zollunion im Handumdrehen kompensieren zu können - und zwar durch ein "Mini-TTIP" mit der Trump-Regierung - würde nicht aufgehen.