Koalitionsauschuss Mehr Fragen als Antworten zur Heizung
Ab 2024 sollen neue Heizungen zu 65 Prozent Erneuerbare Energien nutzen. Hauseigner wie Fachleute hofften dazu auf mehr Klarheit nach dem Koalitionsausschuss. Doch vieles lässt die Ampel offen.
29 Stunden lang berieten die Koalitionäre, damit nach 16 Monaten ihres Bündnisses der Ofen nicht ausgeht. Am Aus beim Einbau von neuen Öl- und Gasheizungen schon ab dem nächsten Jahr halten die Vertreter von SPD, Grünen und FDP fest, auch wenn das Vorhaben in den vergangenen Wochen viele erhitzte Gemüter nach sich zog. Der entsprechende Gesetzentwurf werde im April von der Bundesregierung auf den Weg gebracht. Dabei soll die "Wärmewende" laut Beschluss, den die Ampel-Parteien nach ihren Beratungen im Koalitionsausschuss veröffentlichten, "technologieoffen" und "sozial gerecht" vollzogen werden.
"Der Streit wird weitergehen"
Wie diese soziale Neue-Heizungsanlage-Anschaffungsgerechtigkeit konkret ausgestaltet sein soll, ließen die Koalitionäre offen. Nur so viel: "Unbillige Härten auch zum sozialen Ausgleich werden vermieden", heißt es in dem 16 Seiten langen Beschluss. Und es werde geprüft, wie der Austausch von Gas- und Ölheizungen "gezielt und bürokratiearm" mit Mitteln aus dem Klima- und Transformationsfonds gefördert werden könne.
So hat es die Opposition leicht, die Ergebnisse des Ampel-Koalitionsausschusses scharf zu kritisieren. Der klimaschutz- und energiepolitischen Sprechers der CDU, Andreas Jung, sagte etwa im ARD-Morgenmagazin: "In der Heizungsfrage gibt es nur Allgemeinplätze, keine Antworten. Alle Fragen sind da offen. Da wird der Streit weitergehen."
Niemand werde "im Stich gelassen", verspricht hingegen Grünen-Parteichefin Ricarda Lang. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sagt kurz darauf im ZDF, bei der geplanten Pflicht zum Wechsel auf klimafreundliche Heizungen solle künftig das Einkommen berücksichtigt werden - untere und mittlere Einkommen würden unterstützt, solange Wärmepumpen noch teurer seien. Habeck: "Die Bürger sollen nicht draufzahlen." Es klingt nach sozialer Wärme bei der Wärmewende.
"Klimafreundliche Gase" sollen möglich bleiben
Der Eigentümerverband Haus & Grund hält das für elementar: "Kriterien für Härtefallregelungen müssen neben den persönlichen finanziellen Möglichkeiten auch Erwägungen der Altersgerechtigkeit sowie die Perspektiven der regionalen Entwicklung sein", fordert Verbandspräsident Kai Warnecke. Er kann sich das in Gestalt von Steuervorteilen und staatlichen Zuschüssen vorstellen: "Nur so lassen sich alle Eigentümergruppen erreichen, wovon mittelbar auch Mieterinnen und Mieter profitierten."
Warnecke begrüßt auch den zweiten von zwei Punkten des Koalitionsausschuss-Papiers, der sich mit der Wärmewende im heimatlichen Heizungskeller befasst: Die FDP konnte wohl die "Technologieoffenheit" in die Genese des Gebäudeenergiegesetzes einbringen. Das bedeutet, dass Gas- und Ölheizungen auch weiterhin neu eingebaut werden könnten, wenn sie laut FDP-Chef Christian Lindner "klimafreundliche Gase" nutzten. Dazu zählen beispielsweise rares Wasserstoff-Biomethan oder - ein Reizwort der vergangenen Wochen im politischen Berlin - E-Fuels - also synthetische Kraftstoffe, die bisher nur unter hohem Energieaufwand hergestellt werden können.
EU-Emissionshandel wird ausgeweitet
"Dass Technologieoffenheit in das Papier Einzug gefunden hat, begrüßen wir", erklärt Frederic Leers, Sprecher des Bundesverbands der Deutschen Heizungsindustrie. Technologieoffenheit könne den Weiterbestand jener Anlagen ermöglichen, die bisher fossile Energieträger voraussetzten: "Wir sehen in dem Beschluss des Koalitionsausschusses die Sichtweise gestärkt, dass wir die gesamte Breite an technologischen Lösungen benötigen, um die Wärmewende mit Blick auf die Heterogenität im Gebäudebestand und seiner Bewohner auf Basis Erneuerbarer und klimaneutralen Energie bezahlbar erfolgreich gestalten zu können." Aber wie konkret die Branche das ausgestalten soll, scheint ihr auch am Tag nach dem Koalitionsausschuss-Finale unklar.
Für den Umweltökonomen Andreas Löschel von der Ruhr-Universität Bochum birgt das Beschlusspapier auf Seite drei einen Punkt, der eine weitere Diskussion über das Fortbestehen von Öl- und Gasheizungen weitgehend überflüssig machen könnte: der zweite neue EU-Emissionshandel (ETS 2), die Ausweitung des bisherigen Marktes für CO2-Emissionen auf Gebäude und Verkehr. "Dadurch wird klar, dass es in den allermeisten Fällen langfristig eine schlechte Entscheidung ist, sich an fossile Brennstoffe zu binden", erklärt Löschel. Denn die Reform könnte zu dauerhaften Preisen von 100 Euro und mehr für die Tonne CO2-Ausstoß führen. "Wird das in Deutschland vorgezogen, ließe sich die derzeitige Verbotsdiskussion sparen." Derzeit liegt der Preis bei 30 Euro pro Tonne CO2.
Ist ein "Sanierungsgipfel" nötig?
Gleichzeitig setze das Ansinnen der Koalition aber auch voraus, dass die Einnahmen aus dem Emissionshandel sinnvoll an die Haushalte rückverteilt werden, sagt Löschel. "Noch ist das von der Koalition nicht ausbuchstabiert. Aber das könnte durchaus ein Turbo sein, der jetzt gestartet werden könnte." Aus seiner Sicht müsse die Technologieoffenheit auch wichtige Bausteine der Wärmewende mitdenken wie die Nutzung von Geothermie und Abwärme und den Ausbau von Wärmenetzen. "Und höhere Sanierungsraten."
Für Christian Noll, geschäftsführender Vorstand der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz DENEFF, ist Sanierung eine zentrale Anforderung an die Koalitionäre: "Denn es sind gerade die energetisch schlechtesten Gebäude, deren Bewohnende die höchsten Energierechnungen zahlen. Diese Immobilien müssen auf einen besseren Standard gebracht werden, um sie wirtschaftlich erneuerbar beheizen zu können."
Diese Forderung könnte durch Brüssel mehr Schub erlangen. Denn derzeit laufen Verhandlungen zur EU-Gebäudeeffizienzrichtlinie. Ein essenzieller Baustein: die Einführung von Mindest-Effizienzstandards für die schlechtesten Bestandsgebäude. Die DENEFF fordert daher einen zeitnahen Sanierungsgipfel der Bundesregierung, auf dem die zuständigen Minister "einen konkreten Fahrplan zur Umsetzung der novellierten EU-Gebäuderichtlinie" festlegen. Denn auch wenn die von Lindner angesprochenen "klimafreundlichen Gase" die Häuser wärmten: "Auch Erneuerbare Energien müssen sparsam genutzt werden. Oft ermöglichen Effizienzmaßnahmen erst den sinnvollen Einsatz erneuerbarer Wärme und sparen darüber hinaus natürlich Verbrauchskosten ein", erklärt Noll.
Viele Wärmepumpen enthalten PFAS
Die EU wirkt übrigens auch auf die von der Politik gespriesene Wärmepumpe ein: Viele Anlagen funktionieren mit per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS). Sie sind giftig und gelten als krebserregend, zudem verflüchtigen sich nicht und bauen sich in der Natur auch nicht von selbst ab. Innerhalb der Wärmepumpen-Kreislaufs ist das kein Problem, solange er geschlossen ist; doch Gefahr droht durch eine undichte Stelle oder bei unsachgemäßer Entsorgung der Wärmepumpe.
Wegen dieser Risiken sollen PFAS in Europa langfristig verboten werden. Hier droht sogar ein nachträgliches Umrüsten - je nach Anlage von Kühlmittelaustausch bis hin zu Neubau der kompletten Anlage. Die deutsche Heizungsindustrie reagiert mittlerweile darauf und bietet zwar mehr Wärmepumpen, die mit natürlichen und umweltfreundlichen Kältemitteln betrieben werden. Doch noch fehlen einheitliche Regeln für Kältemittel im EU-Binnenmarkt. Investitionen in Forschung und Entwicklung, die der Branchenverband BDH in Milliardenhöhe beziffert, gerieten dann in Gefahr, wenn herkömmliche PFAS- und damit günstigere Wärmepumpen am Markt blieben.
So wird das Thema Heizung die Koalition weiterhin auf verschiedenen Ebenen beschäftigen.