Erbschaftssteuer bei Immobilien Wie Superreiche vom Fiskus verschont bleiben
Die Erben großer Wohnungsbestände in Deutschland werden steuerlich privilegiert, während sich viele kleinere Vermieter die Erbschaftssteuer kaum noch leisten können und zum Verkauf gezwungen sind. Darunter leiden Mieter.
Gerade in Großstädten können sich häufig kleinere Vermieter die Erbschaftssteuer nicht mehr leisten und sind gezwungen zu verkaufen. Wolfgang Donhärl aus München ist so ein Fall. Den Verkauf seines Erbes konnte er zwar mit einem Kredit abwenden, aber dafür musste er die Mieten drastisch erhöhen.
2017 haben er und seine Schwester ein Mietshaus mit 13 Wohnungen und drei Läden geerbt. Beide wohnen selbst mit ihren Familien im Haus. Doch da das Finanzamt den Grundstückswert zum Zeitpunkt des Erbens mit mehr als acht Millionen Euro berechnete, wurde eine Erbschaftsteuer von einer Million Euro fällig. "Das Geld, das innerhalb von sechs Wochen vom Finanzamt abgerufen wird, hatten wir natürlich nicht auf dem Konto", so Donhärl. "Deshalb mussten wir einen Kredit aufnehmen, den wir nun über 30 Jahre zurückzahlen."
Wenn der Kredit für die Erbschaftssteuer abbezahlt ist, ist Donhärl Mitte 80. Die Alternative wäre gewesen, das Haus an einen Investor zu verkaufen, die bei dem Chemiker schon Schlange stehen. Doch das kam für ihn und seine Familie nicht in Frage: "Das Haus ist 1901 von meinem Urgroßvater gebaut worden, es war immer in Familienbesitz. Es hat eine Wirtschaftskrise und zwei Weltkriege überstanden. Da gibt man nicht wegen des Finanzamtes klein bei", sagt Donhärl.
Die Mieter tragen die Last
Wegen des Kredites musste Donhärl allerdings die Mieten erhöhen. In den vergangenen fünf Jahren zweimal, sagt er. Jedes Mal um 15 Prozent - das Höchste, was rechtlich zulässig war. Für seine Mieter eine bittere Pille. Denn einige wohnten hier seit vielen Jahren zu Preisen weit unter dem Mietspiegel Münchens.
Das Fazit des Vermieters ist deutlich: "Die Lasten trägt im Endeffekt der Mieter, denn ich habe für diese Summen keine anderen Einkunftsmöglichkeiten. Das geht natürlich über kurz oder lang über die Mieten, ganz klar."
Das Problem an der Erbschaftssteuer: Bemessen wird diese momentan nicht nach den Mieten, die Erben einnehmen, sondern nach dem Grundstückswert. Gerade in Großstädten wie Berlin oder München sind die Bodenpreise allerdings exorbitant gestiegen - und damit auch die Erbschaftssteuer. Mit der Folge: Die Erben von Wohnhäusern können die Erbschaftsteuer immer häufiger nicht mehr zahlen. Vielen bleibt dann nur, das Haus an einen Investor zu verkaufen, was dann wieder die Mieten nach oben treibt.
Ungerechte Steuerverteilung
Dass er als Erbe eines Mietshauses Steuern zahlt, findet Donhärl grundsätzlich richtig. Doch wie die Steuerlast verteilt ist, findet er ungerecht. Denn hätte er nicht nur ein Mietshaus, sondern stattdessen Hunderte Wohnungen geerbt, dann würde er nicht eine Million Euro, sondern null Euro Erbschaftssteuer zahlen. Denn wer mehr als 300 Wohnungen erbt, gilt vor dem Fiskus automatisch als Wohnungsunternehmen. Völlig egal, ob er wirklich eins ist oder nicht. Damit wird das Vermögen von der Steuer verschont.
Für Markus Sebastian Rainer, Fachanwalt für Erbschaftsrecht, nicht nachvollziehbar. "Je mehr Sie erben, desto weniger werden Sie besteuert. Im Einkommensteuertarif gilt ja genau der umgekehrte Grundsatz. Starke Schultern müssen mehr tragen als schwache. Und im Erbschaftssteuergesetz gilt, schwache Schultern müssen mehr tragen als starke. Das ist absurd."
Bundesfinanzhof: Regelung unzulässig
Für Erben wie Wolfgang Donhärl ist es nicht nachvollziehbar, warum ein Erbe von 301 Wohnungen automatisch als Wohnungsunternehmen zählt und damit keine Steuern zahlt, dies bei ihm mit seinen 13 Wohnungen aber nicht gilt.
"Das ist eine willkürliche Entscheidung. Natürlich kann ich auch sagen: Wir sind ein Unternehmen. Wir müssen hier ja auch die Handwerker ordern, es wird renoviert, es wird gebaut. Da kann ich auch sagen: Ich bin ein Unternehmen, hilft mir halt nichts. Insofern ist das eine große Ungerechtigkeit."
Ähnlich wie Donhärl sieht das auch der Bundesfinanzhof, der die Regelung mit den 300 Wohnungen für unzulässig eingestuft hat. Schon 2017 entschieden die Richter, dass es nicht auf die Anzahl der Wohnungen ankommt. Ein Wohnungsunternehmen sei nur anzunehmen, wenn es bestimmte Sonderleistungen anbiete, wie zum Beispiel Bettwäsche überlassen und monatlich wechseln oder das Einrichten von Aufenthaltsräumen. Also Vorgaben, von denen nur noch Einrichtungen wie etwa Wohnheime profitiert hätten.
Finanzämter sollen Entscheidung nicht anwenden
Doch statt die Regelung abzuschaffen, erließen die obersten Finanzbehörden einen sogenannten Nichtanwendungserlass. Konkret heißt das: Die Finanzämter sollen die Entscheidung des Bundesfinanzhofes ignorieren. So heißt es: "Das Urteil ist über den Einzelfallfall hinaus nicht anzuwenden. An der bisherigen Betrachtungsweise ist weiterhin festzuhalten."
Abgestimmt wurde dieses Vorgehen mit dem zuständigen Bundesfinanzministerium, das damals vom heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geleitete wurde. Einen Monat zuvor hatte das Ministerium in einem Rundschreiben bezüglich der BFH-Entscheidung vor negativen Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt gewarnt.
Auch heute begründet das Ministerium die Steuerfreiheit bei über 300 Wohnungen mit der Gefahr, dass Erben von mehr als 300 Wohnungen mit der Erbschaftssteuer belastet würden, sie die Wohnungen dann verkaufen müssten, was zu Mieterhöhungen führen könnte.
Dass auch kleinere Vermieter wie Donhärl ohne den Kredit sein Familienhaus hätte verkaufen müssen, scheint die Politik offenbar nicht zu interessieren. Und hätte er es nicht 2017, sondern heute geerbt, wäre die Erbschaftssteuer schon bei über zwei Millionen Euro gewesen. Dann wäre auch ihm und seiner Familien nur noch der Verkauf an einen Investor geblieben.
Viele Ausnahmeregelungen für Superreiche
Die Regelung mit den 300 Wohnungen ist nur ein Beispiel von vielen, denn für Superreiche gebe es zahlreiche Ausnahmeregeln, mit denen sie sich von der Erbschaftsteuer befreien können, so Anwalt Rainer: "Ein nichtehelicher Lebensgefährte, der von seinem nicht verheirateten Partner 100.000 Euro erbt, der hat 20.000 Euro Freibetrag. 80.000 Euro muss er mit 30 Prozent versteuern. Er zahlt somit 24.000 Euro Erbschaftsteuer. Das ist eine Riesenmenge", so Rainer. "Und umgekehrt: Jemand, der ein Unternehmen erbt, für 50 Millionen Euro zum Beispiel, zahlt bei geschickter Gestaltung derzeit gar keine Steuer. Das ist nicht gerecht. Das Erbschaftssteuergesetz krankt daran, dass wir im Grunde die Falschen besteuern."
Das hat auch schon das Bundesverfassungsgericht dreimal so gesehen und das Erbschaftsrecht deswegen in Teilen für verfassungswidrig eingestuft - zuletzt 2014. Trotz einer Reform blieben nach wie vor Möglichkeiten zur Steuerfreiheit.
Bürgerverein Finanzwende übt scharfe Kritik
Der Bürgerverein Finanzwende fordert deshalb nicht nur die Abschaffung der 300er-Regelung, sondern auch eine umfassende Reform der Erbschaftssteuer, denn wegen der Ausnahmeregelungen würden dem Staat Milliarden entgehen, so Geschäftsführer Daniel Mittler.
"Die größte Steuersubvention in unserem Land geht an die reichsten Menschen in unserem Land. Das muss man sich einfach mal auf der Zunge zergehen lassen. Jedes Jahr verlieren wir mindestens fünf bis zehn Milliarden Euro. Einfach nur wegen der Ausnahmen bei der Erbschaftssteuer."
Dass die unterschiedliche Besteuerung ungerecht ist, finden mittlerweile auch privilegierte Erben wie Yannick Haan. Der junge Mann hat selbst geerbt und sich Immobilien dafür gekauft. Steuern hat er kaum bezahlt. Deshalb hat er ein Buch übers Erben geschrieben, auch über die zahlreichen Privilegien. Sein Fazit ist deutlich: "Es zahlen eigentlich die Falschen. Die, die wirklich sehr viel erben, die großen Erben, die zahlen kaum bis gar keine Steuern. Das ist natürlich ungerecht, und die müssen endlich auch belangt werden."
Dass sich an den Steuerprivilegien etwas ändert, scheint aber derzeit unwahrscheinlich. Das zuständige Bundesfinanzministerium schreibt dazu, dass man die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands nicht gefährden wolle.