Interview mit US-Hedgefonds-Manager "Sie suchen das schwächste Schaf"
Hedgefonds stehen seit langem in der Kritik. Spätestens seit den Angriffen auf schwächelnde Euro-Länder wird über ihre Rolle diskutiert. US-Hedgefondsmanager Brown verteidigt sie im Interview mit ARD-Korrespondent Scherer - und spricht über schwache Schafe, die Funktion von Spekulanten und die menschliche Natur.
tagesschau.de: Hedgefonds-Manager meiden normalerweise die Öffentlichkeit. Warum eigentlich?
Douglas Brown: Öffentlichkeit bringt uns keine Vorteile. Wir stehen der Allgemeinheit ja ohnehin nicht zur Verfügung. Wir dürfen nicht einmal werben.
tagesschau.de: Manche würden sagen, Sie arbeiten ohnehin lieber im Dunkeln. Ist das so?
Brown: Das halte ich für stark übertrieben. Wir werden reguliert von den Börsen, von zuständigen Finanzkommissionen und von den Bundesstaaten - in unserem Fall Kalifornien.
Douglas Brown ist einer der erfahrensten Hedgefonds-Betreiber in den USA. Seine Firma "KWK Management" operiert mit 15 Mitarbeitern von Los Angeles aus. Anleger müssen vorab eine Million Dollar flüssiges Kapital nachweisen. Er spendet regelmäßig Geld an die Republikaner - und sagt, nie würde er einen Demokraten wählen.
Millionärsbeitrag zur US-Haushaltssanierung?
tagesschau.de: Der Kongress in Washington streitet gerade darüber, ob auch Amerikas Millionäre einen Beitrag zur Haushaltssanierung leisten sollen. Präsident Obama nennt da Hedgefonds-Manager gerne als Beispiel. Wie kommt das bei Ihnen an?
Brown: Ich glaube nicht, dass es gerechtfertigt ist, uns als Synonym für Privatvermögen zu benutzen. Ich beispielsweise betreibe einen Hedgefonds, aber ich habe keinerlei Kapitalerträge.
tagesschau.de: Trotzdem sind Sie Millionär und kein armer Mann. Wenn der Präsident vorschlägt, dass auch Sie einen Beitrag zur Rettung des Landes leisten können, wenn zugleich die Alten- und Armenversorgung gekürzt wird, warum nicht?
Brown: Ich denke, ich leiste meinen Beitrag auch bisher schon. Alle Steuern zusammengenommen - also auch Mehrwertsteuer und die auf Benzin - machen das über 50 Prozent meines Einkommens aus. Wenn ich Leute frage, ob einer noch mehr an die Regierung abführen sollte, sagen sie normalerweise nein. Aber vielleicht stimmt es, dass ich mehr zahlen sollte. Ich weiß es nicht.
"Job creator" oder Job-Vernichter?
tagesschau.de: Die Republikaner werfen Obama vor, man könne nicht diejenigen stärker belasten, die im Lande Jobs schaffen sollen. Und nennen Millionäre lieber "job creators". Sind Sie ein "job creator"?
Brown: Wir beschäftigen Mitarbeiter, also schaffen wir Jobs. Aber ich denke, das Job-Argument wird von den Republikanern überzogen, weil es gut klingt. Ich denke nicht, dass ich Arbeitsplätze schaffe, je nachdem wie meine Steuerlast ist. Ich schaffe Jobs, wenn ich damit meine Erträge zu steigern kann.
tagesschau.de: Kritiker sagen ohnehin, dass Ihre Branche mehr Jobs vernichtet als schafft. Die Finanzkrise, die maßgeblich von der Wall Street ausgelöst wurde, kostete Amerika mehrere Millionen Arbeitsplätze.
Brown: Ich glaube nicht, dass die Wall Street die auf dem Gewissen hat. Die Finanzwelt ist der Sprit, mit dem Sie Ihr Auto fahren. Um die Wirtschaft am Laufen zu halten, brauchen Sie die Finanzwelt.
tagesschau.de: Aber sie hielt nicht die Wirtschaft am Laufen. Die stürzte mit in die Krise, mitsamt den Arbeitsplätzen. Glauben Sie ernsthaft, dass da an der Wall Street alles in Ordnung war?
Brown: Nein, sicher nicht. Aber es gab viele Faktoren, die in die Krise führten - und das schon seit den 80er Jahren. Der Technologieboom, die Energiepreise, der Wandel am Arbeitsmarkt, die Immobilienblase, die faulen Kredite. All das arbeiten wir nun ab.
"Was es gab, sind schlechte Geschäftsentscheidungen"
tagesschau.de: Gab es denn nie eine Diskussion in der Branche, ab wann die Hypotheken-Geschäfte windig oder gar kriminell waren?
Brown: Ich kenne nicht die gesamte Branche. Aber dass darin Kriminalität weit verbreitet wäre, halte ich für überzogen. Es gab bisher sehr wenige strafrechtliche Ermittlungen. Und ich glaube nicht, dass es daran lag, dass sie halbherzig geführt wurden. Was es gab, sind schlechte Geschäftsentscheidungen.
tagesschau.de: Geschäftsentscheidungen, die dazu führten, dass Manager daran Millionen verdienten, bis die Steuerzahler die Wall Street mit Milliarden retten mussten.
Brown: Glauben Sie mal nicht, ich sei in allem ein Freund der Wall Street. Ich sehe nur keine bessere Alternative dazu. Die Regierung? Die machte ihre Arbeit noch viel schlechter. Sie war es doch, die die Banken gedrängt hat, leichtfertig Kredite auszugeben.
"Wir haben nun mal ein kurzes Gedächtnis"
"Wir haben nun mal ein kurzes Gedächtnis"
tagesschau.de: Ein früherer deutscher Kanzler hat Ihrer Branche gerade wörtlich vorgeworfen, sie habe uns alle in die Scheiße geritten. Und sie würde noch einmal auf die gleiche Krise zusteuern ohne aus der letzten zu lernen.
Brown: Womöglich hat er da sogar recht. So ist die menschliche Natur. Wir haben nun mal ein kurzes Gedächtnis. Wir stellen sogar fest, dass der Wunsch der Kunden nach mehr Risiko wächst. Das ist nicht grundsätzlich schlecht. Wenn wir jedes Risiko scheuten, dürften wir morgens gar nicht das Bett verlassen.
tagesschau.de: Ist es nur die menschliche Natur, die nötige Reformen verhindert? Oder doch eher die mächtige Wall-Street-Lobby?
Brown: Welche Regulierungen fehlen Ihnen denn, die es nicht schon gibt?
tagesschau.de: Solche, die die nächste Finanzkrise verhindern können.
Brown: Die gibt es nicht. Finanzkrisen sind so alt wie die Wirtschaft selbst. Es werden weitere kommen.
tagesschau.de: Und weitere Bankenrettungen mit Steuergeld? Ist das denn gerechtfertigt, den Profit mitzunehmen, solange es geht - und nach der Regierung zu rufen, wenn dann wieder alles zusammenbricht?
Brown: Natürlich nicht, aber ich fürchte, dass wir eher noch mehr Bankenkrisen haben, je mehr die Regierungen eingreifen und je staatsnäher die Banken sind. Wir haben als Hedgefonds nie Rettungspakete erhalten. Einige von uns haben verloren, einige haben gewonnen, einige kamen so eben durch. Die Finanzwelt wird sich immer zwischen Angst und Gier bewegen.
"Ich bin es meinen Kunden schuldig"
tagesschau.de: Welchen Nutzen hat die Allgemeinheit von Hedgefonds, die Euro-Länder attackieren, wie zuletzt Italien?
Brown: Nehmen wir an, ich verwalte Ihr Geld. Ich denke, Sie wollen, dass ich das gewissenhaft mache. Ich kann es also an Peter verleihen oder an Joe. Ich halte Joe aber nicht für kreditwürdig. Also gebe ich es Peter. Bin ich deshalb ein schlechter Mensch? Nun gibt es Leute, die beurteilen Länder oder Währungen nach Kreditwürdigkeit. Als Fondsmanager muss ich das doch tun. Ich bin es meinen Kunden schuldig. Das sind übrigens auch Rentenkassen, Non-Profit-Organisationen oder Stiftungen. Deren Geld muss ich doch umsichtig hüten.
tagesschau.de: Aber auf den Finanzmärkten geht es auch immer um Psychologie. Und wir wissen, sobald dort Bewegung aufkommt, lässt sich darauf wetten und daran verdienen. Also macht es Sinn, solche Bewegungen auszulösen. Gibt es denn in Ihrer Branche Leute, die zusammensitzen und sagen: Okay, nun lass uns Italien angreifen?
Brown: Vermutlich gibt es die. Sie suchen das schwächste Glied in der Kette, das schwächste Schaf, das vom Pfad und von der Herde abgekommen ist. Währungen sind zwar nicht mein Gebiet, aber natürlich will auch da jeder auf dem stärksten Pferd reiten. Der Kapitalismus hilft, den wahren Wert von Dingen zu ermitteln. In einer Kommandowirtschaft wissen Sie nicht wirklich, wo sich Angebot und Nachfrage einpendeln würden.
Wenn wir dazu beitragen, dann ist das ein Service für die Gesellschaft. Wenn sich so offenbart, dass Italien ein Problem hat, dann kann es seine Geldpolitik ändern. Ich würde das nicht Attacke nennen. Wenn es nicht begründet wäre, hätte es keine Effekte.
tagesschau.de: Das klingt, als würde Mutter Theresa alle Hedgefonds führen.
Brown: Nein, nur Leute mit Eigeninteresse. Sie treffen wirtschaftliche Entscheidungen zu ihrem Vorteil. Aber was ist die Alternative? Dass alle darüber hinwegsehen, wenn irgendwo ein Problem ist? Dass wir trotzdem weiter dorthin Geld verleihen? Sie haben die Wall Street dafür kritisiert, dass sie wissentlich Leuten Kredite gab, die sie nie würden zurückzahlen können. Nun kritisieren Sie sie, dass sie Kreditvergaben scheuen, die problematisch sein könnten. Was denn nun?
"Spekulanten erfüllen eine wichtige Funktion"
tagesschau.de: Aber wenn Sie eine Währung angreifen, nur weil sie gerade geeignet scheint, um daraus Profit zu schlagen, dann ist das doch kein Geld-Hüten, sondern Jagd auf andere.
Brown: Es ist eine andere Art von Behüten. Und es ist auch nicht das, was ich selbst betreibe. Ich vermeide zu spekulieren, ich versuche ernsthaft zu investieren. Trotzdem: Auch Spekulanten erfüllen eine wichtige Funktion des Marktes. Es waren Spekulanten, die als erste die Risiko-Hypotheken zurückfuhren und offen sagten: Hey, die Dinger bringen nie und nimmer etwas ein. Manchmal liegen Spekulanten damit richtig, manchmal nicht.
tagesschau.de: Nochmal, sehen Sie Ihre Branche nicht in der Verantwortung, sagen wir, kein schlechteres Bild von Italien zu zeichnen, als es wirklich ist - nur um daran zu verdienen?
Brown: Mag sein, dass manche das tun. Ich tue es nicht. Mag aber auch sein, dass sie nur damit angeben, sie hätten richtig gelegen. Jeder redet seine Bilanzen schön. Wenn Herr Berlusconi Italiens Wirtschafts- und Finanzkraft preist, ist das glaubwürdiger?
tagesschau.de: Warum machen Sie dann nicht mit, wenn es Geld bringt?
Brown: Ich sagte doch, Währungen sind nicht mein Ding.
Das Interview führte Klaus Scherer, ARD-Studio Washington
Im ARD-Weltspiegel können Sie morgen um 19.20 Uhr im Ersten auch einen Beitrag von Klaus Scherer zu diesem Thema sehen.