Ein Arbeiter auf einer Baustelle.

Reaktionen aus der Wirtschaft Finanzpaket "ist ein Gamechanger"

Stand: 04.03.2025 22:09 Uhr

Union und SPD haben sich bei ihren Gesprächen auf ein umfassendes Finanzpaket geeinigt. Aus der Wirtschaft kommen lobende Worte. Ökonomen sehen die Pläne als wichtigen Schritt raus aus der Rezession - doch es gibt auch Kritik.

Die Einigung von Union und SPD auf ein milliardenschweres Finanzierungspaket stößt in der Wirtschaft auf Zustimmung - etwa bei führenden Ökonomen. "Die Einigung der Sondierer ist ein Gamechanger, ein wuchtiges und gutes Paket", sagte der Professor für International Economics an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Jens Südekum, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.

Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), hofft auf einen Konjunkturschub: "Wenn das so gelingt, dann dürfte die Stagnation der deutschen Wirtschaft jetzt schnell überwunden sein", sagte er. "Deutschland ist wieder wirtschaftlich und militärisch handlungsfähig."

"Glaubwürdiges Signal in die Privatwirtschaft" nötig

Die Einigung sieht unter anderem vor, dass alle Verteidigungsausgaben oberhalb von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts bei der Berechnung der Schuldenbremse ausgenommen werden. "Ein extrem wichtiger Schritt für die Sicherheit in Deutschland und Europa", sagte der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Moritz Schularick.

Es sei sinnvoll, die Verteidigungsinvestitionen teilweise von der Schuldenbremse auszunehmen. "Es macht den Staat auch in künftigen Krisen handlungsfähig." Südekum fügte hinzu: "Die Freistellung der Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse erlaubt einen dauerhaften Aufbau der militärischen Fähigkeiten."

Zudem soll ein neues Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für Infrastrukturausgaben für die Dauer von zehn Jahren geschaffen werden. "Was jetzt wichtig ist: Das viele Geld muss auch tatsächlich auf die Straße kommen und in die richtigen Projekte fließen", sagte Südekum.

Im Infrastrukturbereich müsse das Sondervermögen von einer Beschleunigung der Genehmigungsverfahren begleitet werden. "Insgesamt geht es darum, ein glaubwürdiges Signal in die Privatwirtschaft zu senden, dass der Staat jetzt Ernst macht mit der Investitionsoffensive", sagte der Wissenschaftler. "Nur dann werden Bau- und Handwerksbetriebe ihre Kapazitäten aufstocken."

IG Metall sieht ein gutes Signal

Es sei der Union hoch anzurechnen, dass sie erkannt habe, wie massiv die Schuldenbremse der deutschen Wirtschaft geschadet habe, betonte IMK-Direktor Dullien. Sie habe jetzt pragmatisch nach Lösungen gesucht.

Südekum warnte jedoch davor, dass im Verteidigungsbereich das Geld nicht für veraltete Ausrüstung ausgegeben werden dürfe. Stattdessen müsse neueste Technik im Vordergrund stehen. "Dann sind die technologiepolitischen Impulse und auch die Wachstumseffekte viel stärker", sagte der Ökonom.

IG-Metall-Chefin Christiane Benner wertete die schnelle Einigung derweil als gutes Signal für die kommende Zeit: "Das angekündigte Sondervermögen, die angekündigten Maßnahmen zeigen: Die Politik hat verstanden, dass jetzt schnell und beherzt gehandelt werden muss." Investitionen in technische und industrielle Infrastruktur, Sicherheit und Verteidigung dürften aber nicht zulasten von Sozialleistungen gehen.

"Alles in allem befindet sich Europa inmitten eines historischen Wandels. Die Entwicklungen der letzten Tage haben die wahrscheinlich nächste deutsche Regierung zu einem historischen Schritt veranlasst, indem sie ein Steuerpaket ankündigte, das endlich den Beginn besserer Jahre für die Wirtschaft markieren könnte", kommentierte auch ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski.

Wirtschaftsweise Grimm warnt vor sinkendem Reformdruck

Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm äußerte dagegen Kritik an den Plänen von Union und SPD. "Der Reformdruck wird massiv sinken", sagte das Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung der dpa. Es sei eine "extrem riskante Wette", den Reformbedarf durch Verschuldung immer weiter hinauszuschieben. Das Vorgehen der potenziellen Koalitionäre überzeuge nicht.

Zwar sei eine schnelle Steigerung des Verteidigungsbudgets notwendig, so Grimm. "Jetzt braucht man aber auch eine Strategie, wie man die Wehrhaftigkeit tatsächlich stärkt."

Weiter sagte die Ökonomin, die Schuldenbremse gehöre nun der Vergangenheit an. "Die Maßnahmen sind inkompatibel mit den europäischen Fiskalregeln - hier soll ja nur eine Ausnahme für Verteidigungsausgaben auf EU-Ebene beschlossen werden. Für den Rest dürfte Deutschland daher keine Spielräume haben. Wenn Deutschland die Regeln nun missachtet, dürften auch in Europa die Schulden steigen - was mit erheblichen Risiken einhergeht."

Deutschland lebe seit Jahren über seine Verhältnisse, so Grimm. "Die Regierungen unter Angela Merkel haben die Friedensdividende aufgebraucht, etwa für Ausweitungen der Sozialausgaben, und seitdem es die Friedensdividende nicht mehr gibt, nimmt jede neue Regierung einen großen Schluck aus der Pulle und vermeidet so eine Anpassung unserer Staatsausgaben an das Wachstumspotenzial. Wir stagnieren und es ist nicht klar, ob die Regierung es schafft, das Wachstum zurückzubringen. Der Schluck aus der Pulle wird immer größer."