Deutsche Konjunktur Ist die Rezession noch abzuwenden?
Das Geschäftsklima in Deutschland hat sich etwas aufgehellt. Doch die Haushaltskrise sorgt für Unsicherheit, wie es mit der Wirtschaft weitergeht. Schrammt das Land womöglich knapp an einer Rezession vorbei?
Bei den Führungskräften der deutschen Wirtschaft ist die Stimmung zum dritten Mal in Folge gestiegen. Das ifo-Geschäftsklima legte im November um 0,4 Punkte auf 87,3 Punkte zu. Sowohl Lage als auch Ausblick wurden von den Befragten besser beurteilt.
Nach Einschätzung von ifo-Präsident Clemens Fuest stabilisiere sich die Wirtschaft, wenn auch auf niedrigem Niveau. "Für das vierte Quartal signalisieren die Daten ein leichtes Wachstum", sagte der Leiter der ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe, der Nachrichtenagentur Reuters. Die deutsche Wirtschaft könne einer Rezession womöglich entgehen. Allerdings hatte das Statistische Bundesamt am Morgen bestätigt, dass die Wirtschaftsleistung im dritten Quartal um 0,1 Prozent zurückgegangen ist.
"Es kommt gerade knüppeldick"
Die meisten Ökonomen waren zuletzt davon ausgegangen, dass Deutschland in diesem Jahr in die Rezession rutscht. Davon sprechen Experten, wenn die Wirtschaftsleistung zwei Quartale in Folge schrumpft. Die "Wirtschaftsweisen" zum Beispiel erwarten, dass sie in diesem Jahr insgesamt um 0,4 Prozent sinken wird. Die Gemeinschaftsdiagnose der führenden Wirtschaftsinstitute war schon im September zu dem Schluss gekommen, dass für dieses Jahr ein Minus von 0,6 Prozent zu erwarten ist.
Vor allem die aktuelle Haushaltskrise hat zu enormer Unsicherheit in der Wirtschaft geführt. "Für Deutschland kommt es gerade knüppeldick", urteilt der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. Von staatlicher Seite seien wegen der Konjunkturflaute eigentlich dringend Impulse notwendig. Sparmaßnahmen und fehlende Investitionen hingegen dürften das Wirtschaftswachstum zusätzlich dämpfen.
Auch wenn der Trend beim Geschäftsklima ein Hoffnungszeichen ist, bleibt die Frage: Wie geht es mit der Konjunktur nach dem Haushalts-Urteil des Bundesverfassungsgerichts nun weiter? Denn nicht nur die Umwidmungen von Corona-Hilfen für den Klima- und Transfomationsfonds (KTF), auch weitere Investitionen sind betroffen. Es drohen neue Milliarden-Löcher.
Schuldenbremse aussetzen?
Die Bundesbank hatte sich vor diesem Hintergrund in ihrem Monatsbericht offen gezeigt für eine Reform der Schuldenbremse - ein Vorschlag, der auch in der Politik an Unterstützung gewinnt. Es wäre "vertretbar, den regulären Kreditrahmen moderat auszuweiten, wenn die Schuldenquote etwa unter dem Maastricht-Referenzwert von 60 Prozent" liege. Für eine Reform der Regel, wonach die maximale Schuldenaufnahme auf 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts begrenzt ist, wäre allerdings eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag nötig.
Auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, plädiert für neue Schulden, weil andernfalls der wirtschaftliche Schaden größer sei. "Wir brauchen jetzt eine Investitionsoffensive, damit Deutschland zukunftsfähig wird", so der Ökonom.
Ruf nach Investitionen
Solche Forderungen gibt es auch international. So forderte die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Kristalina Georgiewa, Deutschland zu Investitionen auf. "Um Wachstum sicherzustellen, muss Deutschland in seine Infrastruktur, den grünen Umbau der Wirtschaft sowie in die Fähigkeiten seiner Bevölkerung investieren", sagte Georgiewa.
Michael Hüther vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) plädiert für ein Sondervermögen zum Klimaschutz nach dem Vorbild des Bundeswehr-Sondervermögens. Sein Argument: In Deutschland sei auch im kommenden Jahr kein Zuwachs beim Bruttoinlandsprodukt zu erwarten, das Land drohe "in eine hartnäckige Investitionskrise" hineinzulaufen. Für ein solches Klima-Sondervermögen sprach sich auch ifo-Chef Fuest im "Spiegel" aus.