Abgesagte Neubauprojekte Stillstand statt Baulärm
Die Stimmung im Bau ist schlecht wie nie. Den Wohnungsbaufirmen laufen die Kosten weg, es gibt viele Stornierungen. Teilweise legen Unternehmen sämtliche Neubaupläne auf Eis.
Wenn Dennis Rossing durch die verlassenen Gebäude seiner denkmalgeschützten Fabrik in Kassel geht, kann er es nicht fassen, dass auf dem insgesamt 37.000 Quadratmeter großen Gelände noch immer alles stillsteht und das Gebäude nach und nach verfällt. "Da schaut man schon mit Wehmut drauf, aber nichtsdestotrotz besteht immer noch die Hoffnung", sagt der Investor.
Zusammengebrochene Finanzierung
Eigentlich soll hier eines der größten Wohnprojekte Kassels entstehen. 80 Millionen Euro will er investieren, doch jetzt verzweifelt Rossing an der Baukrise: "Wenn wir das Projekt realisieren können, und es entsteht am Ende kein Verlust für uns, dann sind wir mittlerweile zufrieden", erklärt er resigniert. "Die Rahmenbedingungen haben sich ja leider in den letzten zwei Jahren so massiv geändert, dass viele Bauprojekte in ganz Deutschland eingestellt worden sind. Aber wir kämpfen weiter."
500 Wohnungen, ein Parkhaus mit 600 Plätzen sowie ein Gewerbe- und Hotelkomplex sollen auf dem Gelände entstehen. Seit 2022 liegt die Baugenehmigung vor, es könnte losgehen. Doch die Finanzierung ist völlig zusammengebrochen, erklärt der Investor: "Die Kosten sind teilweise um 400 Prozent gestiegen, von 0,5 Prozent auf 3,5 und vier Prozent. Zusätzlich gab es Materialknappheit, dadurch sind die Baukosten explodiert, und es gab plötzlich ganz andere Rahmenbedingungen." Die Krise führe bei ihm zu Mehrkosten in zweistelliger Millionenhöhe. Stillstand also statt Wohnraum, der dringend benötigt würde.
Mieten sind explodiert
Ein Problem, mit dem die Baubranche bundesweit zu kämpfen hat. Eine Umfrage des Hessischen Rundfunks unter allen hessischen Wohnungsbauunternehmen zeigt, welche Wucht das Problem hat. So sind zum Beispiel die Mietpreise regelrecht explodiert. 2020 mussten die Hessen noch durchschnittlich 9,50 Euro pro Quadratmeter für ihre Mietwohnung im Neubau bezahlen. 2023 waren es schon 14,46 Euro - schon jetzt eine Steigerung um 52 Prozent, aber noch nicht das Ende.
Die Wohnungsbauunternehmen rechnen damit, dass Mieten so teuer wird wie noch nie. Preise von mehr als 20 Euro pro Quadratmeter sind ihre Prognose. An ein schnelles Ende der Baukrise glaubt keines der Unternehmen, das wirkt sich auch auf die Investitionsfreudigkeit aus: 2020 waren es noch knapp 790 Millionen Euro, die in Neubauten investiert worden sind, im vergangenen Jahr nur noch 480,5 Millionen, ein Einbruch um 39 Prozent.
"Kein Licht am Ende des Tunnels"
Eines der Unternehmen, die erstmal nicht mehr investieren, ist die ABG Holding Frankfurt, eine der größten Wohnungsbaugesellschaften Deutschlands. Geschäftsführer Frank Junker führt durch ein gerade fertiggestelltes Wohnhaus im Frankfurter Ostend. Es hat 119 Wohnungen, die jeweils zur Hälfte für Mieter mit Anspruch auf eine Sozialwohnung und Menschen mit mittlerem Einkommen reserviert sind.
Der Preis pro Quadratmeter liegt zwischen 5,50 Euro und 10,50 Euro; normal sind hier - in der Nähe der europäischen Zentralbank - 17 Euro. Das Gebäude konnte trotz der Krise fertiggestellt werden. "Das ist heute leider nicht mehr selbstverständlich. Es ist ein Objekt, dass noch aus der guten Zeit, was den Bau anbelangt, kommt. Heute würden wir dieses Objekt so nicht mehr realisieren können", sagt Junker.
Mieten über 20 Euro "einfach nicht bezahlbar"
Die Baukrise bringt für die ABG-Holding massive Einschnitte: "Neue Projekte, die wir jetzt initiieren und jetzt mit dem Bau beginnen würden, haben wir auf Eis gelegt, weil wir dann bei Mieten landen würden, die jenseits der 20 Euro liegen, und das ist einfach nicht bezahlbar", sagt der Geschäftsführer. 3.800 neue Wohnungen wollte man in den kommenden fünf Jahren bauen, darunter viele Projekte mit bezahlbarem Wohnraum.
"Im Moment sehe ich kein Licht am Ende des Tunnels, von der Bundesregierung kommt kein Signal, dass darauf hoffen lässt, dass es wieder vorangeht", so Junker. "Im geförderten Wohnungsbau ist es noch drastischer, die Fördermittel von Land und Stadt sind nicht entsprechend angepasst, so dass derzeit geförderter Wohnraum nicht realisiert werden kann."
Bedürftige sind Verlierer der Krise
Dabei ist der Mangel an Sozialwohnungen bundesweit eines der brennendsten Probleme. Laut Umfrage des Hessischen Rundfunks trifft die Krise vor allem sozial schwache Menschen. Nur jeder zehnte Bedürftige bekommt auch eine Wohnung, insgesamt fehlen allein in Hessen rund 100.000 Sozialwohnungen. Die klare Forderung der Unternehmen: Die Politik muss die Krise auf dem Wohnungsmarkt in den Griff bekommen, um den gesellschaftlichen Frieden zu sichern.