Möblierte Wohnung.
hintergrund

Immobilienmarkt Boom möblierter Wohnungen hebelt Mietgesetze aus

Stand: 25.01.2024 15:03 Uhr

In Deutschlands Metropolen machen möblierte Wohnungen bereits rund ein Drittel des Angebots auf dem Mietmarkt aus. Das bedeutet: noch horrendere Mieten. Der Trend hat Folgen für den Wohnungsmarkt insgesamt.

Von Thomas Spinnler, ARD-Finanzredaktion

Wer eine Wohnung mieten möchte, hat es mit weiter steigenden Preisen zu tun - nicht nur in Deutschlands Metropolen. Die Wohnungsknappheit ist groß, die Nachfrage nach Wohnraum hoch. War zu Zeiten niedriger Zinsen vor allem der Immobilienkauf gefragt, konzentriert sich jetzt die Nachfrage auf das knappe Angebot von Mietwohnungen. Die Folge sind anhaltend steigende Mieten.

Die Politik hat versucht, das Problem mit der Mietpreisbremse abzufedern. Gleichzeitig machen insbesondere in den Metropolen möblierte Wohnungen einen immer größeren Anteil des Angebots auf dem Mietmarkt aus. "Die Mietpreisebremse soll eigentlich als regulierende Maßnahme die Mietpreisentwicklung abbremsen", sagt Lennart Dannenberg, Sprecher des Immobilienportals Immoscout24. Doch der Boom der möblierten Wohnungen, die eigentlich zum vorübergehenden Gebrauch vermietet werden, hebelt die strengen Mietgesetze aus.

"Erhebliche Preisaufschläge"

"In den letzten zweieinhalb Jahren hat sich der Anteil möblierter Mietangebote am Gesamtangebot auf unserer Plattform von etwa 4 auf 8 Prozent erhöht", erläutert Barbara Schmid, Pressesprecherin beim Immobilienportal immowelt. "Wir beobachten ein beachtliches und zunehmendes Angebot an möblierten Wohnungen", sagt auch Christian Oberst, Senior Economist für Wohnungspolitik und Immobilienökonomik beim Institut der Deutschen Wirtschaft (IW), im Gespräch mit tagesschau.de. "Möblierte Wohnungen werden mit erheblichen Preisaufschlägen vermietet, insbesondere in angespannten Wohnungsmärkten", so der Immobilienexperte.

Die Mieten für möblierte Wohnungen liegen signifikant über denen vergleichbarer unmöblierter Wohnungen. Das habe Folgen für die Höhe aller Mieten, sagt Jutta Hartmann, Sprecherin des Deutschen Mieterbundes: "Diese hohen Mieten fließen wiederum in die Mietspiegel ein und treiben so alle Mieten nach oben - ein Teufelskreis."

Höchster Anteil in Frankfurt

Die Beobachtung wird durch aktuelle Daten von ImmoScout24 untermauert. Betroffen sind demnach insbesondere Deutschlands Top-5-Metropolen. Hier sei inzwischen im Schnitt jedes dritte Angebot eine möblierte Mietwohnung. Im Schnitt würden sie für 10 Euro mehr pro Quadratmeter angeboten, heißt es von Immoscout.

"In Frankfurt am Main ist der Anteil der möblierten Wohnungen mit 41 Prozent am höchsten. Am teuersten sind möblierte Wohnungen in Berlin. Sogar teurer als in München", sagt ImmoScout24 Geschäftsführerin Gesa Crockford. "Berlin ist mit knapp 36,82 Euro pro Quadratmeter bei den möblierten Wohnungen absoluter Spitzenreiter", hieß es. Diese werden in der Hauptstadt fast doppelt so teuer angeboten wie unmöblierte.

Möblierter Wohnraum erfülle in einer Nische durchaus einen Zweck, so der Immobilienexperte Oberst: "Gerade in Frankfurt, wo sich viele Arbeitskräfte beispielsweise aus der Finanz- oder Beraterbranche für eine begrenzte Zeit vor Ort aufhalten, sind möblierte Wohnungen sinnvoll und es gibt eine berechtigte Nachfrage."

Dabei sind möblierte Wohnungen grundsätzlich von der Mietpreisbremse erfasst. Die Vermietung einer möblierten Wohnung dürfe nur zehn Prozent über der Miete für vergleichbaren Wohnraum liegen, solange die Wohnung im Gebiet einer gültigen Mietpreisbremsen-Verordnung liege und keine Ausnahme vorliege, heißt es vom Mieterbund.

Gilt die Mietpreisbremse?

Die aktuelle rechtliche Konstruktion kann aber von Vermietern und Wohnungskonzernen ausgenutzt werden: "Das Vermieten von möblierten Wohnungen auf Zeit ist nach wie vor eine rechtliche Grauzone", sagte Crockford. So gilt die Mietpreisbremse beispielsweise nicht, wenn die Wohnung nur zum "vorübergehenden Gebrauch" vermietet wird. Es muss demnach eine zeitliche Begrenzung des Mietvertrages vorliegen. Gerichte hätten eine Befristung auf sieben Monate bereits als zu lang verworfen, heißt es dazu in einer Untersuchung des Bundesjustizministeriums zum möblierten Wohnungsmarkt vom Juni 2023.

Gerichtlich ist außerdem festgestellt worden, dass auch eine "besondere Zwecksetzung des Gebrauchs" gegeben sein müsse, bei der nicht das Wohnen in dem Sinne von "zu Hause sein" im Vordergrund stehe. Beispiele sind etwa ein Studienaufenthalt oder ein Aufenthalt bis zur Erledigung eines Arbeitsziels, wie bei Monteuren oder Messe-Besuchen.

In der Praxis zeigt es sich aber, dass der Begriff des "vorübergehenden Gebrauchs" von Mietern und Vermietern bei der Vertragsschließung weit ausgelegt werden kann. Und: Wo kein Kläger ist, ist auch kein Richter.

Zuschlag für Möblierung kaum durchschaubar

Aber es gibt noch ein weiteres Problem: Möblierte Wohnungen dürfen aufgrund der Einrichtungskosten, die der Vermieter trägt, teurer vermietet werden. Jedoch fehlen klare gesetzliche Regeln. "Da die Höhe des zulässigen Aufschlags gesetzlich nicht geregelt ist und auch nicht im Mietvertrag ausgewiesen werden muss, wissen Mieter meist nicht, wie wertvoll die Möbel sind und welcher Zuschlag angemessen ist", sagt Hartmann. Als möbliert könne die Wohnung bereits mit wenigen Möbelstücken gelten, so die Expertin.

Deshalb gibt es die Forderung, die Mietpreisbremse so neu zu gestalten, dass auch möblierter Wohnraum besser erfasst wird - und Wege versperrt werden, sie zu umgehen. "Ich bin grundsätzlich skeptisch, was die Mietpreisbremse betrifft. Aber wenn man sich für diese Regulierung entscheidet, dann darf man kein Schlupfloch lassen, denn sonst gibt es Ungerechtigkeiten zwischen den Segmenten", sagt IW-Ökonom Oberst.

Die Politik könne für zusätzliche Transparenz sorgen - beispielsweise durch eine Verpflichtung von Anbietern, den Möblierungszuschlag eindeutig auszuweisen, sagt immowelt-Sprecherin Schmid. Auch der Deutsche Mieterbund fordert die verpflichtende Ausweisung des Möblierungszuschlags im Mietvertrag: So wäre es für die Vermieter schwerer, durch die Möblierung der Wohnung die Mietpreisbremse zu umgehen und utopische Preise für das Mobiliar zu verlangen.

Bundesrats-Initiative von Hamburg und Bremen

Tatsächlich gibt es den politischen Versuch, mit strengeren gesetzlichen Regeln zu reagieren. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) hatte im April des vergangenen Jahres erklärt, sie wolle verhindern, dass die Mietpreisbremse mit möbliert angebotenen Wohnungen ausgehebelt werde. Die Zunahme lasse darauf schließen, dass es sich um einen "Umgehungstatbestand" handele, sagte Geywitz gegenüber der Funke-Mediengruppe. 

Auf Initiative von Hamburg und Bremen ist das Thema auch der Agenda des Bundesrats. Die Länderkammer hat dem Bundestag einen Gesetzesentwurf mit Änderungsvorschlägen zugeleitet. "Noch nicht beraten", heißt es dazu im parlamentarischen Informationssystem zum Stand des Verfahrens.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) dürfte das Projekt kritisch sehen. Er hatte zum Thema möbliertes Wohnen eine Untersuchung in Auftrag gegeben, die im Juni 2023 publiziert wurde. Ergebnis: Die Anwendung der Mietpreisbremse auf möblierte Wohnungen stelle weder außergerichtlich noch gerichtlich ein nennenswertes Streitthema dar.

Auf Anfrage von tagesschau.de verweist ein Ministeriumssprecher auf eine Stellungnahme der Bundesregierung vom Juli 2023. Damals kündigte die Ampel-Regierung an, einen eventuellen Handlungsbedarf zu prüfen. Dabei werde sie sich auch vertieft mit den Vorschlägen des Bundesrates auseinandersetzen. "Die Bezahlbarkeit von Wohnraum sowie die Bildung angemessener Mieten am Wohnungsmarkt sind der Bundesregierung ein wichtiges Anliegen."

Auch in der Provinz steigt der Anteil

Wie groß ist das Problem auf dem gesamten deutschen Wohnungsmarkt? "Bundesweit hat der Anteil von möblierten Wohnungen zwar zugenommen, ist jedoch auf einem deutlich niedrigeren Niveau als in den Metropolen", heißt es bei Immoscout 24. Insgesamt sei der Anteil möblierter Mietangebote im Vergleich zu allen Mietinseraten vergleichsweise gering, erklärt auch der Konkurrent immowelt.

Aber er steigt - und zwar auch außerhalb der Metropolen. Allerdings bewege sich der Anteil dort im niedrigen einstelligen Prozentniveau, erläutert immowelt-Sprecherin Schmid. In Städten mit einer Bevölkerung zwischen 100.000 und 500.000 sei der Anteil möblierter Angebote am Gesamtangebot der Plattform in den vergangenen zweieinhalb Jahren von etwa 3 auf 8 Prozent gestiegen. Bei Immoscout24 kletterte der Anteil bundesweit seit 2019 von acht auf elf Prozent.

Für die zunehmend angespannte Situation am Wohnungsmarkt sei "in erster Linie die mangelnde Bautätigkeit verantwortlich", so Schmid. Um den Wohnungsmangel zu lindern, müsse dringend mehr Wohnraum geschaffen werden - vor allem im günstigen Mietsegment.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 28. Dezember 2023 um 17:00 Uhr.