Influencer-Marketing Werbung als scheinbar persönliche Empfehlung
In Sozialen Medien wimmelt es von Produktempfehlungen. Ob diese ernst gemeint sind oder rein kommerziellen Hintergrund haben, ist oft unklar. Das sogenannte Influencer-Marketing kann besonders Jugendliche überfordern.
Egal ob Kleidung, Make-Up oder Lebensmittel: In den Sozialen Netzwerken gibt es massenhaft Werbung. Wenn bekannte Menschen aber nicht nur als Model auftreten, sondern stattdessen mit ihrer Reichweite die Konsumenten in Formaten dahingehend beeinflussen, ein Produkt zu kaufen, wird einfache Werbung zum Influencer-Marketing. Diese Masche funktioniert besonders bei Jugendlichen sehr gut, wie eine aktuelle Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) zeigt.
Ausgaben für Influencer-Marketing steigen rasant
Die Forscherinnen und Forscher befragten in Zusammenarbeit mit der Hochschule Darmstadt und der Universität Mannheim mehr als 1.000 Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren zu ihrer Social-Media-Nutzung und ihrem Kaufverhalten. Das Ergebnis: Etwa die Hälfte von ihnen hat schon einmal ein Produkt gekauft, das von einem Influencer beworben wurde.
Deren Social-Media-Accounts sind mittlerweile zu bedeutenden Werbeplattformen geworden. Die Ausgaben der Unternehmen im Influencer-Markt sind in den vergangenen Jahren massiv gestiegen - auch in Deutschland. Während Firmen 2017 hierzulande noch rund 94 Millionen Euro in dem Bereich zahlten, waren es im vergangenen Jahr laut Statista Research knapp 570 Millionen Euro.
Das ist im Vergleich zum gesamten deutschen Werbemarkt, der nach Angaben des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft (ZEW) fast 49 Milliarden Euro umfasst, zwar nicht viel. Doch die Wachstumsraten sind hoch. Für 2028 erwartet Statista Research bereits Ausgaben von etwa 906 Millionen Euro - eine Steigerung von 59 Prozent. Aber warum ist das Influencer-Marketing so erfolgreich?
Influencer als Vorbilder, "um sozialen Anschluss zu erhalten"
"Jugendliche sind im digitalen Raum eine besonders verletzliche Gruppe, weil sie viel Zeit in den sozialen Medien verbringen und Werbung schlechter erkennen", teilte das ISI heute zur Veröffentlichung der Studie mit. Sie sähen Influencer als Vorbilder, "die ihnen vorleben, was man anzieht, isst oder trinkt, um sozialen Anschluss zu erhalten". Daher seien Kinder und junge Erwachsene einem stetigen Risiko von kritischem Konsum ausgesetzt.
Influencer-Marketing biete Werbetreibenden viele Vorteile, ergänzt Lutz Frühbrodt, Professor für Wirtschaftskommunikation an der Technischen Hochschule Würzburg. Zu tagesschau.de sagte er: "So wird hier die Werbebotschaft nicht wie bei anderen Medien mit der Gießkanne ausgeschüttet. Vielmehr wenden sich Influencer direkt an sehr spezifische Zielgruppen."
Zum Beispiel bei Kosmetik-Artikeln habe der entsprechende Influencer überwiegend ein Publikum, das großen Wert auf sein Äußeres legt und einen ganz besonderen Schminkstil bevorzugt. Außerdem würden User viele Inhalte gar nicht als Werbung wahrnehmen, sagt Frühbrodt. "Da das Publikum über frühere Posts oder Videos bereits eine scheinbar persönliche Beziehung zum Influencer aufgebaut hat, schenkt es diesem Influencer auch besonderes Vertrauen, wenn er ein Produkt ’empfiehlt‘".
13- bis 14-Jährige besonders betroffen
Über die Hälfte der Befragten in der ISI-Studie, die bereits von Influencern beworbene Produkte gekauft haben, hat innerhalb der vergangenen sechs Monate nicht mehr als 50 Euro dafür ausgegeben. Mehr als ein Zehntel der Jugendlichen (10,7 Prozent) gab jedoch an, regelmäßig Kaufimpulse oder sich immer wieder aufdrängende Gedanken rund um ein Produkt zu haben. 10,3 Prozent verspüren sogar oft den Drang, einen Artikel zu besitzen, den sie bei ihren Lieblingsinfluencern gesehen haben.
Besonders betroffen sind laut der Studie Jugendliche im Alter von 13 bis 14 Jahren. Die Befragten gaben demnach an, sich vor allem zu Beginn ihres Social-Media-Konsums sehr beeinflusst gefühlt zu haben. Die meistgekauften Produkte, die durch Influencer beworben werden, sind einer Umfrage der Such- und Vergleichsplattform GetApp zufolge Klamotten, Lebensmittel, Beauty- und Wellnessprodukte sowie Sportartikel.
Die Plattformen, auf denen die Jugendlichen die Influencer verfolgen, unterscheiden sich derweil nach Angaben der Forscher unter anderem vom Geschlecht. Während Nutzerinnen die Inhalte eher auf Instagram und TikTok konsumieren, war bei männlichen Befragten YouTube in Bezug auf Marketing relevanter.
Werbung wird nicht immer bewusst wahrgenommen
Auch wie die User letztlich beeinflusst werden, ist nicht immer gleich - es kann bewusst oder unbewusst passieren. "Meist spielen die Produkte eine größere Rolle, dann ist es auch eindeutig Werbung", erklärt Experte Frühbrodt. Zum Teil hätten sie aber auch nur eine Nebenrolle - etwa, wenn in einem Video über ein anderes Thema lediglich nah an ein Produkt oder den Namen des Herstellers herangezoomt wird. "Das ist dann eine sogenannte Produktplatzierung."
Diese kann neben Werbezwecken auch dazu genutzt werden, die Inhalte zu finanzieren. Eines haben beide Arten aber gemeinsam: Sie können anders als ein Werbespot oder eine Anzeige nicht einfach übersprungen oder weggescrollt werden. Stattdessen ist die Werbung in die Gesamthandlung eines Inhaltes eingebettet und unterbricht das Programm nicht. Im Gegensatz zum klassischen Marketing soll Influencer-Marketing außerdem häufig wie ein gut gemeinter Tipp unter Bekannten wirken. Ob es das wirklich ist oder nur etwas behauptet wird, um Geld zu verdienen, ist dabei offen.
Allerdings muss es wie bei klassischer Werbung eindeutig als solche gekennzeichnet sein - zumindest wenn der Influencer dafür eine Gegenleistung erhält. So sagt das 2021 beschlossene "Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht". Die Zahlung müsse nicht immer Geld sein, so Frühbrodt. "Wenn ich einen Scooter bewerbe und dafür einen Scooter dieses Herstellers ein Jahr kostenlos nutzen darf, wäre diese Werbung auch kennzeichnungspflichtig."
Unzulässige Schleichwerbung oder nicht?
Wenn ein Influencer aber ohne Gegenleistung ein Produkt bewirbt - etwa aus Interesse an einer Kooperation mit dem Produzenten oder weil ihm das Produkt wirklich gefällt - wird das Ganze komplizierter. Dann kommt es nämlich auf das Informationsinteresse der Nutzer und den Kontext an. Bei jedem Beitrag muss geklärt werden, ob er werblichen Zwecken dient oder vorrangig rein redaktionell ist. Ob die Meinung unbeeinflusst und unabhängig ist, ist trotzdem nicht immer klar. Dazu kommt, dass nicht jeder Einzelfall von Schleichwerbung verfolgt wird.
Die Durchmischung von redaktionellen und werblichen Inhalten hält Fachmann Frühbrodt daher für "höchst bedenklich". Gerade mit Blick auf jüngere Menschen gehe das langfristig auf Kosten eines sachlich informierenden Journalismus. "Hier hat aus meiner Sicht die Werbeaufsicht eklatant versagt und kommerzielle Interessen über das Wohl schutzbedürftiger Menschen gestellt", betont Frühbrodt.
Auch nach Ansicht der ISI-Autoren führe der Wegfall der grundsätzlichen Kennzeichnungspflicht "zu einem Rückgang an dringend benötigter Medienkompetenz". Sie empfehlen der Politik deshalb, "die gesetzliche Regelung zu prüfen und die Notwendigkeit des Kinderschutzes dabei zu priorisieren." Zudem solle die Werbekompetenz und Selbstkontrollfähigkeit von jungen Menschen gestärkt werden.