Mercedes fährt Investitionen zurück Steht die E-Mobilitätswende vor dem Aus?
Mercedes-Benz dezimiert die eigenen Pläne in Sachen Elektromobilität. Verbrenner will der Hersteller wohl doch noch bis weit in die 2030er-Jahre bauen. Was bedeutet das für die E-Auto-Wende?
Das Ziel war ehrgeizig: Bis 2030 wollte Mercedes-Benz nur noch E-Autos bauen, schon im kommenden Jahr genauso viele reine Elektroautos und Plug-in-Hybride verkaufen wie klassische Verbrenner. Doch davon ist der Autobauer meilenweit entfernt. Die "Electric Only"-Strategie wurde schon im Februar von Mercedes-Chef Ola Källenius persönlich einkassiert, eine neue Plattform für Elektrofahrzeuge nun gestoppt.
"In den kommenden Jahren wird es beides geben: Elektroautos und hochmoderne elektrifizierte Verbrenner. Wenn die Nachfrage da ist, bis deutlich in die 2030er-Jahre", hatte Källenius vor gut zwei Wochen auf der Hauptversammlung des Unternehmens gesagt - und damit die vielleicht größte Fehlkalkulation der jüngeren Unternehmensgeschichte nochmals eingestanden.
Verkaufszahlen stagnieren
Denn: Die Absatzzahlen für Elektroautos stagnieren. Der Anteil vollelektrischer Fahrzeuge unter den insgesamt zugelassenen Autos des Unternehmens lagen im ersten Quartal dieses Jahres bei rund zehn Prozent - genau wie im Vorjahr. Zusammen mit Hybridfahrzeugen kommen E-Autos bei Mercedes weltweit zwar auf rund 20 Prozent Absatzanteil - vom selbst ausgerufenen 50-Prozent-Ziel bis 2025 ist man aber weit entfernt.
Und das hat Konsequenzen: Nun hat das Unternehmen die Entwicklung einer neuen Plattform für Elektroautos gestoppt. Plattformen sind in der Autoindustrie so etwas wie die Baukästen, aus dem Autos entstehen. Bislang waren die für Elektroautos und herkömmliche Verbrenner die gleichen: Egal ob Benziner, Diesel, Elektro oder Hybrid - der Rohbau war gleich, je nach Fahrzeugtyp wurde ein anderer Antrieb auf diesen Rohbau gesetzt - am gleichen Band.
Die Plattform "MB.EA-Large" sollte das ändern: Erstmals hätten große Luxuswagen von Grund auf als Elektrofahrzeug gebaut werden können, mit einer Effizienzsteigerung, zum Beispiel im Bereich der Akkus. Ein ehrgeiziges Zukunftsprojekt - aber auch ein teures. Zu teuer angesichts der schwachen Absatzzahlen für Elektroautos.
Scheitert die Elektromobilitätswende?
Dem SWR sagte der Autobauer, dass er in jedem Fall weiter in E-Mobilität investieren will. Aktuell stehe nur die Produktionstechnik für den Rohbau der E-Autos auf dem Prüfstand. Die Weiterentwicklung von Batterien, Motoren oder Software werde nach wie vor vorangetrieben.
Damit liegt Mercedes voll im Branchentrend. Auch BMW hält nach eigenem Bekunden erst einmal am Verbrenner fest, bei VW sieht es ähnlich aus. Trotz teilweise sogar deutlich besserer E-Auto-Absatzzahlen als bei Mercedes. Droht die Elektromobilitätswende zu scheitern?
Kunden zeigen sich verunsichert
Die Autobauer reagierten nur auf die Wünsche der Kunden, sagte Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer im Gespräch mit tagesschau.de. Und die Kunden wiederum seien aktuell durch die Politik stark verunsichert. "Aus dem politischen Bereich sieht man sehr viele Negativmeldungen, die Kunden vorsichtiger werden lassen", sagt Dudenhöffer.
Als Beispiel nennt er den plötzlichen Stopp von Subventionen für E-Autos durch die Bundesregierung vor Weihnachten oder die öffentlichkeitswirksame Ankündigung von EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen, das beschlossene Verbrennerverbot in der EU bis 2035 noch einmal überprüfen zu wollen. Das wirke sich negativ auf die Verkaufszahlen aus.
Hinzu kommt die aktuelle Verunsicherung der Autobranche angesichts eines drohenden Handelskonflikts mit China. Die USA haben wegen möglicher Wettbewerbsverzerrung bereits Strafzölle von 100 Prozent auf importierte E-Autos aus China verhängt. Auch in der EU werden solche Forderungen lauter. Experten warnen jedoch vor einer "Strafzoll-Spirale": Sollte China seinerseits Sonderzölle erheben, könnte das für deutsche Autobauer gravierende Folgen haben. Denn China ist aktuell der vielleicht wichtigste Absatzmarkt - auch und gerade im Bereich der Elektromobilität.
"Wir brauchen eine neue Glaubwürdigkeit"
Das haben sie auch bei Mercedes-Benz in Stuttgart schmerzhaft lernen müssen: Am Ende verkauft man Elektrofahrzeuge nicht aufgrund politischer Vorgaben oder ehrgeiziger interner Strategien - sondern nur, wenn die Kunden die Elektroautos auch kaufen wollen.