Musterfeststellungsklage Ein Vergleich mit VW rückt näher
Am zweiten Verhandlungstag im Musterverfahren gegen VW fand der Richter deutliche Worte: Der Autokonzern solle sich auf einen Vergleich einlassen. Den Autobesitzern macht das Hoffnung.
Die Verhandlung war eigentlich schon fast vorbei und keiner rechnete mehr damit, dass der zweite Verhandlungstag der Musterfeststellungsklage noch wichtig werden könnte. Doch dann setzte der Vorsitzende Richter Michael Neef an und appellierte in Richtung VW: "Sie sollten versuchen, zu einem Vergleich zu finden. Die Kunden würden es auch ihnen danken, wenn das Verfahren abgekürzt würde. Und sich vielleicht mal wieder für ein Konzernauto entscheiden."
Andere Gerichtsentscheidungen in Mehrzahl für VW-Kunden
Richter sollen in Zivilverfahren in jedem Stadium des Verfahrens auf einen Vergleich hinwirken. Aber diese Sätze waren ungewöhnlich deutlich. Vor allem auch, weil Neef kurz zuvor über die neuesten Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte referiert hatte. Berlin, Koblenz, Karlsruhe, Naumburg - allesamt hatten in Einzelklagen von VW-Kunden entschieden: Der Autobauer hat vorsätzlich und sittenwidrig getäuscht. Den Kunden sei so ein Schaden entstanden.
Das OLG Braunschweig, so deutete sich dann an, könnte dies in einem späteren Musterfeststellungsurteil möglicherweise auch so sehen. Eine Art Etappensieg für die VW-Kunden und den klagenden Verbraucherverband.
Um diese Hauptansprüche des Verfahrens sollte es eigentlich erst am nächsten Verhandlungstermin in Braunschweig gehen. "Warum teile ich Ihnen das alles heute schon mit?", richtete der Vorsitzende Richter die Frage an sich selbst. Und schloss seinen Appell zum Vergleich an.
VW hat bis Silvester Zeit
Der VW-Konzern und dessen Anwälte hatten einen solchen bisher kategorisch abgelehnt. "Ein Vergleich sei kaum vorstellbar", hieß es immer wieder. Im Gerichtssaal nach den Ausführungen des Richters war das nicht mehr ganz so deutlich. Bis zum 31. Dezember wolle man entscheiden, ob man sich ernsthaft auf Vergleichsverhandlungen einlasse.
Die Richter am OLG Braunschweig richteten einen dringenden Appell an den Autokonzern. (Archivbild)
Genaue Zahl der Betroffenen noch nicht klar
445.945 Menschen hatten sich bis zum Stichtag am 29. September beim Bundesamt für Justiz angemeldet und sich so der Musterfeststellungsklage angeschlossen. Das teilte das Gericht heute mit. Aber: Die Zahl derer, die sich im Laufe der Zeit wieder ausgetragen haben, etwa weil sie doch lieber eine Einzelklage anstreben wollten, sei noch nicht bekannt. Bis zum 30. September war das möglich. Von bis zu 77.000 Austragungen ist die Rede, aber genau weiß das noch keiner. Das Bundesamt für Justiz muss die Daten erst abgleichen. VW hofft, die Auskunft bald zu bekommen, um überhaupt abschätzen zu können, wie teuer ein Vergleich werden könnte.
Langer Prozess würde VW-Kunden kosten
Für die VW-Kunden wäre eine Einigung gut, denn noch eins wurde heute klar. Das OLG Braunschweig geht nach jetzigem Stand ganz klar davon aus, dass von einem späteren Schadensersatz das Geld für die Nutzung des Autos abzuziehen sei. Das heißt: Mit jedem gefahrenen Kilometer bekommt der Kunde etwas weniger Schadensersatz. Oder anders ausgedrückt: Umso länger der Prozess dauert, umso weniger Geld könnte es am Ende geben.
Lässt VW sich nicht auf Vergleichsverhandlungen ein, geht das Verfahren im neuen Jahr weiter. Dann wird sich auch klären, ob es zu einer umfangreichen Beweisaufnahme kommen muss, also ob Zeugen gehört und Sachverständige befragt werden.