Merkel gibt Regierungserklärung zur Euro-Krise Weder "Zauberformel" noch "Befreiungsschlag"
In der Euro-Krise will Kanzlerin Merkel ihren Kurs halten: Von einer gemeinsamen Haftung für Schulden halte sie nichts, sagte sie im Bundestag. Die Opposition bezweifelte, dass die Regierung die richtige Strategie gegen die Krise hat. Am Abend traf sich Merkel mit Frankreichs Präsidenten - um sich für den morgen beginnenden EU-Gipfel abzustimmen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat vor dem Bundestag den Kurs der schwarz-gelben Bundesregierung in der Euro-Krise erläutert - und im Wesentlichen bekannte Standpunkte vertreten.
Die Bewältigung der Krise sei ein langwieriger Prozess aufeinanderfolgender Schritte. Es gebe weder "die eine Zauberformel oder den einen Befreiungsschlag", sagte sie. Vielmehr gehe es darum, grundlegende Fehler zu beheben, die bei der Gründung der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion gemacht worden seien.
Zentraler Punkt dabei sei, den "Teufelskreis zu durchbrechen", um die hohen Staatsschulden in der EU in den Griff zu bekommen. Es stehe außer Zweifel, dass alle Mitgliedsstaaten - auch Deutschland - diesbezüglich ihre Hausaufgaben machen müssten, die ihnen von der EU auferlegt worden seien.
"Konsolidierung und Wachstum bedingen einander"
Neben einem klaren Sparkurs plädierte die CDU-Chefin für Wachstumsimpulse: "Konsolidierung und Wachstum bedingen einander - das eine ist ohne das andere nicht zu haben", sagte sie. Dafür werde sie sich auf dem morgen beginnenden EU-Gipfel stark machen.
Abermals lehnte Merkel die gemeinsame Haftung für Schulden in der Eurozone ab. Dabei griff sie einen Vorschlag von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy auf. "Haftung und Kontrolle stehen darin in einem klarem Missverhältnis", sagte sie. Sie befürchte, dass auf dem Gipfel zu viel über die gemeinsame Haftung gesprochen werde - und zu wenig über Kontrollen und Sanktionsmöglichkeiten. Gemeinsame Haftung könne aber erst stattfinden, wenn es eine gemeinsame Kontrolle gebe.
"Eine Schneise der Verwüstung"
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier warf der Bundesregierung Versagen im Kampf gegen die Schuldenkrise vor. "Von einem Europa der Stabilität, der Solidarität und des Vertrauens sind wir heute weiter entfernt denn je", sagte er.
Die Krise habe eine "Schneise der Verwüstung" durch Europa geschlagen. Daran trage die Bundesregierung mit ihrer "Fehldiagnose" über die Ursachen der Krise eine Mitschuld.
Grünen-Haushaltsexpertin Priska Hinz begrüßte eine "Kehrtwende" der Bundesregierung. "Sparen allein hilft nicht", sagte sie. Diese Einsicht habe sich endlich auch bei Schwarz-Gelb durchgesetzt - aber erst auf Druck der Opposition.
Der Vorsitzende der Fraktion der Linkspartei, Gregor Gysi, hielt der Bundesregierung vor, ein falsches Signal in der Euro-Diskussion zu senden. Sollte der EU-Fiskalpakt im kommenden Jahr in Kraft treten, würde er in Deutschland gleich mit einer Vertragsverletzung starten. Denn mit dem vom Kabinett jetzt beschlossenen Haushalt 2013 liege die Neuverschuldung höher als zulässig.
Merkel bei Hollande in Paris
Am Abend reiste Merkel zu Frankreichs Präsidenten nach Paris - um sich beim gemeinsamen Essen für den EU-Gipfel abzusprechen. Es war der erste offizielle Besuch Merkels bei Hollande. Zum Auftakt betonten beide übereinstimmend, dass es Fortschritte bei der Suche nach Auswegen aus der Euro-Krise gebe. Hollande sprach von "Integration so viel wie nötig und Solidarität so viel wie möglich". Weiter sagte er: "Wir wollen, der eine wie die andere, die Wirtschafts- und Währungsunion vertiefen, und morgen die politische."
Merkel betonte: "Ich sage: Wir brauchen ein Mehr an Europa, und darin sind wir uns einig. Wir brauchen ein Europa, das funktioniert. Und wir brauchen ein Europa, das sich gegenseitig hilft." Sie betonte in diesem Zusammenhang Fortschritte bei der Gestaltung eines Wachstumpaktes, der eventuell schon morgen beim EU-Gipfel verabschiedet werden könne.
Die Beziehungen zwischen Merkel und Hollande gelten als schwierig. Sie haben zum Teil unterschiedliche Positionen in der Krise. Der Staatspräsident sieht im Gegensatz zur Kanzlerin Eurobonds zumindest langfristig als geeignetes Mittel, um Spekulationsgeschäfte gegen Eurostaaten zu unterbinden.
Sondersitzungen des Bundestags geplant
Unmittelbar nach Abschluss des Gipfels am Freitag will der Bundestag über den EU-Fiskalpakt zu mehr Haushaltsdisziplin abstimmen. Auch der Bundesrat entscheidet dann über den EU-Vertrag. Außerdem stimmt der Bundestag über den dauerhaften Euro-Rettungsfonds ESM ab.
Weitere Sitzungen im Sommer werden wohl folgen. Wie aus Parlamentskreisen verlautete, könnte am 16. Juli eine Sondersitzung zur Schuldenkrise anberaumt werden. Eventuell gebe es auch in der Folgewoche eine Sondersitzung. Hintergrund sind die Hilfen für Spanien und Zypern.
Normalerweise hätte sich der Bundestag am Freitag bis zur zweiten Septemberwoche in die parlamentarische Sommerpause verabschiedet. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle riet den Angeordneten, auf Fernreisen wegen "der einen oder anderen Sommersitzung" zu verzichten. Er werde in einen zweiwöchigen "temporären Sportaktivurlaub" an den Bodensee aufbrechen.