Transformation der Autobranche Zulieferer auf Ideensuche
Viele mittelständische Unternehmen wollen sich nicht mehr auf die Automobilindustrie als einzigen Auftraggeber verlassen. Sie suchen neue Geschäftsfelder. Die EBZ-Gruppe in Ravensburg etwa setzt auf Wasserstoff.
Selten sieht man den Aufbruch deutlicher als in Werk 2 der EBZ-Gruppe in Ravensburg. Denn während unten in der riesigen Halle unter anderem Greifarme und Transportsysteme für die Automobilindustrie hergestellt werden, thront unter dem alten Hallendach eine neue Bürofläche. "TIC" wird diese genannt, "Technik- und Innovations-Centrum". Darin schicke Möbel, ein paar Pflanzen, eine Teeküche und Menschen, die vor ihren Monitoren an der Zukunft des Unternehmens tüfteln.
Denn die kann nicht mehr in der Automobilbranche allein liegen, davon ist man hier überzeugt. "Wir glauben weiterhin an die Automobilindustrie, wir sind da nicht auf der Flucht. Aber wollen ergänzend ein relevantes Geschäftsfeld in der Wasserstoff-Elektrolyse aufbauen", erklärt Alexander Schmeh, Vorstand des operativen Geschäfts. Denn noch erwirtschaftet das mittelständische Unternehmen 95 Prozent seines Umsatzes mit Projekten für die Automobilindustrie, etwa mit dem Pressen von Karosserien. Doch das soll sich ändern.
Umdenken im Transformationsprozess
Vor ein paar Jahren, als der Transformationsprozess begann, habe man sich zuerst dem Batteriemontagemarkt angenähert. Aber auch der sei in seinen Entwicklungsmöglichkeiten endlich, so Schmeh: "Unsere Kunden wissen jetzt, wie man Elektroautos entwickelt und konzipiert, aber sie spüren auch, dass der Markt diese Fahrzeuge nicht in allen Produkten in der Stückzahl und zu dem Preis abnimmt."
Also habe man sich bei der EBZ für einen weiteren strategischen Schritt entschieden, hin zum Wasserstoff, genauer: zum Elektrolyseur. "Elektrolyseure können aus erneuerbarem Strom grünen Wasserstoff erzeugen, indem sie Wasser aufspalten in Sauerstoff und eben Wasserstoff", erklärt Marc-Simon Löffler.
Der Prototyp eines Elektrolyseurs der EBZ-Gruppe
Neues Geschäftsfeld Wasserstoff
Löffler öffnet ein Gitter, hinter dem sich eine beeindruckende Maschine verbirgt. So hoch und lang wie ein Carport, mit silbernen Rohren, in der Mitte ein riesiger "Stack", eine Aufschichtung von Elektrolysezellen.Hier, im Zentrum für Solarenergie- und Wasserstoff-Forschung in Stuttgart, steht dieser Prototyp eines Elektrolyseurs. Das Besondere: 40 Firmen aus Baden-Württemberg waren an seinem Bau beteiligt. "Wir haben den Elektrolyseur gebaut, um Unternehmen in Baden-Württemberg zu aktivieren, um sie zu motivieren, in entsprechende Produktentwicklungen einzusteigen und Fertigungskapazitäten auf Landesebene aufzubauen", so Löffler.
Besonders habe man mittelständische Unternehmen aus dem Bereich der Automobilzulieferer ansprechen wollen, da dort durch den Transformationsprozess momentan vielerorts Geschäftsfelder wegbrächen. Das Potenzial sei hier also besonders groß.
Umdenken vor Verbrenner-Aus
Tatsächlich hat das von der EU 2035 angekündigte Verbrenner-Aus das Autoland Baden-Württemberg in Unruhe versetzt. Große Namen sitzen hier: Daimler und Porsche in Stuttgart, Audi in Neckarsulm. Und dementsprechend viele Unternehmen rundherum, die bislang ausschließlich als Zulieferer in der Autoindustrie tätig waren.
"Man schaut ja immer auf die Automobilunternehmen selbst, aber bei den Zulieferern ist die Situation momentan noch brisanter", so Helena Wisbert, Automobilexpertin von der Ostfalia Hochschule für Angewandte Wissenschaften. "Wenn die bislang in den nun auslaufenden Geschäftsfeldern wie Antriebsstrang oder Verbrenner unterwegs waren, müssen die ihr gesamtes Produktportfolio umstellen." Viele hätten das bereits getan, wie man an den Patentanmeldungen der letzten Jahre sehen könne. "Wir sehen dort sehr viel mehr Anmeldungen im Bereich der E-Mobilität oder auch der Brennstoffzelle", so Wisbert.
Energie-Importland Deutschland
Und bei Letzterer kommt wieder der Wasserstoff ins Spiel, denn diesen braucht es, um eine Brennstoffzelle anzutreiben. In diesen Energieträger zu investieren, sei deswegen durchaus der richtige Weg, so Karsten Lemmer vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt: "Der aktuelle Bedarf an Wasserstoff in Deutschland liegt bei etwa 55 Terawattstunden pro Jahr und könnte bis zum Jahr 2050 auf etwa 946 bis 1364 Terawattstunden pro Jahr zur Bedarfsdeckung aller Sektoren steigen."
Mit "alle Sektoren" sind hier die großen wie die Ammoniakherstellung oder die Stahlindustrie gemeint, ebenso wie der sehr viel kleinere Bereich der Mobilität. Aber, so gibt Lemmer zu bedenken: "Wir werden nicht in der Lage sein, den Bedarf aus Deutschland heraus zu decken. Deutschland wird aus heutiger Sicht immer ein Energie-Importland bleiben."
Bei der EBZ-Gruppe in Ravensburg sind die Planungen für das neue Produktfeld Wasserstoff schon weit vorangeschritten. Noch in diesem Jahr soll ein eigener Prototyp eines Elektrolyseurs fertig sein. Im kommenden Jahr will das Unternehmen in Kleinserie gehen, ab 2025 dann größere Stückzahlen produzieren. Langfristig gesehen hofft man bei der EBZ-Gruppe, dass die Elektrolyseur-Produktion 25 Prozent des Umsatzes ausmachen wird. Und dem Unternehmen somit ein solides zweites Standbein bietet - neben der Automobilindustrie.