Kelly Ortberg Neuer Chef soll Boeing aus der Krise führen
Der kriselnde US-Flugzeugbauer Boeing holt sich Hilfe bei einem alten Haudegen aus der Branche. Neuer Chef wird Kelly Ortberg, der jahrelang an der Spitze eines Luftfahrt- und Rüstungszulieferers stand.
Kelly Ortberg war eigentlich schon im Ruhestand. Der 64-Jährige hatte zuletzt jahrelang den Luftfahrt- und Rüstungs-Zulieferer Rockwell Collins geleitet und bis zu seinem Ruhestand vor drei Jahren für den Rockwell-Eigentümer RTX (ehemals Raytheon) gearbeitet.
Nun soll der erfahrene Manager und Branchenkenner ab dem 8. August den kriselnden Boeing-Konzern wieder auf die Beine bringen. Damit wird der bisherige Chef David Calhoun früher abgelöst als zunächst angekündigt - ursprünglich wollte der 67-Jährige erst zum Jahresende ausscheiden.
"Sehr beliebt und sehr nahbar"
Der neue Chef muss einen Berg von Problemen abtragen. Seit den Abstürzen von zwei 737-Max-Flugzeugen vor mehr als fünf Jahren mit nahezu 350 Toten ist Boeing nicht mehr aus der Krise gekommen. Im Januar hatte eine Maschine der Alaska Airlines kurz nach dem Start ein Rumpfteil verloren, mit einem klaffenden Loch in der Seitenwand konnte der Jet auf den Start-Flughafen zurückkehren, ernsthaft verletzt wurde diesmal niemand.
Auf Ortberg wartet bei Boeing nicht nur die Aufgabe, das strauchelnde Geschäft mit Verkehrsflugzeugen auf Vordermann zu bringen und den Hochlauf der Produktion zu managen. Er muss sich auch um das Raumfahrt- und Rüstungsgeschäft kümmern. "Es ist viel Arbeit zu tun, und ich freue mich darauf, loslegen zu können", erklärte Ortberg. "Während seiner Zeit bei Collins war er bei Beschäftigten und direkten Mitarbeitern sehr beliebt und sehr nahbar", schrieben die Analysten von Jefferies zuletzt zu Ortberg. Er gelte als harter Verhandler.
Ortberg stach damit den Vorstandschef des Zulieferers Spirit AeroSystems, Patrick Shanahan, aus, der als Favorit für die Nachfolge von Calhoun galt. Spirit steht vor der Übernahme durch Boeing. An der Börse kam der Wechsel gut an: Die Aktien legten um 2,0 Prozent zu.
Boeing lieferte ein Drittel weniger Flugzeuge aus
Auch die jüngsten Geschäftszahlen zeigen, welche Riesenaufgaben Ortberg vor sich hat. Im zweiten Quartal lieferte Boeing 92 Flugzeuge aus, ein Drittel weniger als vor Jahresfrist. Das Unternehmen steckt tief in den roten Zahlen, der Verlust verzehnfachte sich auf rund 1,4 Milliarden Dollar. Auch der Umsatz sank um 15 Prozent auf umgerechnet 15,6 Milliarden Euro. Das Minus fiel damit noch größer aus als von Analysten erwartet.
Abgesehen vom Geschäft mit Verkehrsflugzeugen steckt auch das Raumfahrt- und Rüstungsgeschäft in Schwierigkeiten. Die Sparte verlor in den vergangenen beiden Jahren Milliarden, weil sie Verträge zu Festpreisen geschlossen hatte und Kostensteigerungen bei Energie und Rohstoffen nicht an die Kunden weiterreichen konnte. Zuletzt kündigte das Unternehmen an, den Kurs zu ändern.
Boeing kämpft mit einer Reputationskrise nicht erst seit Anfang des Jahres. Doch seitdem hat die US-Luftfahrtaufsicht FAA die Vorgaben für Boeing nochmals verschärft. So darf der Airbus-Rivale monatlich nur 38 737-MAX-Flugzeuge bauen. Unklar ist, wie lange diese Begrenzung gilt. Zeitweise produzierte Boeing wochenlang deutlich weniger dieser Maschinen.
Mit Informationen von Ralf Borchard, ARD Washington.