Boeing 737-9 MAX  von Alaska Airlines (Archivbild)
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737 MAX 9 Trifft die Boeing-Krise auch Europas Airlines?

Stand: 10.01.2024 08:21 Uhr

Nach der Beinahe-Katastrophe der Boeing 737 MAX 9 steht das Modell unter scharfer Beobachtung der US-Behörden. Hat der Vorfall auch Folgen für europäische Fluggesellschaften und Fluggäste?  

Wie viele Flugzeuge dieses Typs sind weltweit im Einsatz?

Die US-Luftfahrtbehörde FAA hatte aufgrund des Vorfalls mit einer Boeing 737 MAX 9 am 6. Januar ein Flugverbot für 171 Maschinen der Baureihe in den USA verhängt. Nach Angaben des Flugverkehr-Analysedienstes Cirium sind global rund 215 Maschinen dieses Typs in Betrieb. Die Flotte von United Airlines umfasst 79 dieser Flugzeuge, es ist weltweit die größte. Alaska Airlines verwendet 65 Flugzeuge dieses Typs.

Neben United Airlines und Alaska Airlines werde die Boeing 737 MAX 9 unter anderem noch von Copa Airlines aus Panama geflogen. Aeromexico, Flydubai, die kasachische Airline SCAT, Turkish Airlines, Icelandair sowie die indonesische Fluggesellschaft Lion Air verwendeten ebenfalls einige Boeing 737 MAX 9. Die Lufthansa betreibt nach Angaben einer Sprecherin die Boeing 737 MAX 9 nicht und hat auch keine bestellt.     

Wie hat europäische Flugsicherheitsbehörde reagiert?

Die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) hat das US-Flugverbot für die Flugzeuge des Typs Boeing 737 MAX 9 übernommen, heißt es in einer Mitteilung. Weiter schreibt die Behörde aber, dass nach ihrer Kenntnis keine Fluggesellschaft der EASA-Mitgliedsstaaten ein solches Flugzeug in der spezifisch betroffenen Konfiguration fliegt. Mitglieder der EASA sind die EU-Staaten sowie Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz. Auch die britische Flugaufsicht CAA erklärte, dieser Flugzeugtyp sei in Großbritannien nicht im Einsatz.  

Was ist das Besondere am betroffenen Flugzeugtyp?

Die Boeing 737 MAX 9 wird in verschiedenen Versionen produziert, die sich in der Anzahl der Sitzplätze unterscheidet. Wenn die Version mit einer größeren Anzahl von Sitzplätzen gewählt wird, steigt die Anzahl der erforderlichen Notausgänge. Dieses Modell ist die Standardausführung der Boeing 737 MAX 9. Aber es gibt auch Versionen für weniger Passagiere. Eine solche wurde von Alaska Airlines geflogen.  

In der Konfiguration, bei der der Schaden eintrat, werde ein Ausgang in der Mitte der Kabine durch einen Platzhalter ersetzt, schreibt die EASA. Dieser Typ werde in der Regel von Fluggesellschaften übernommen, die mit geringerer Passagierkapazität fliegen. Hier sei dieser zusätzliche Ausgang nicht erforderlich, um die Sicherheitsanforderungen für die Evakuierung zu erfüllen, heißt es weiter.

Diese Abdeckplatte für den Notausgang wird mit zwölf Beschlägen am Flugzeug befestigt. Vier Bolzen verhindern eine vertikale Bewegung. "Die Tür hat sich nach oben bewegt und sich von den Anschlägen gelöst, wodurch die Beschläge zerbrochen sind", erklärte Clint Crookshanks, Ingenieur bei der US-Luftsicherheitsbehörde National Transportation Safety Board (NTSB).

Was unternehmen die Fluggesellschaften?

Die Fluggesellschaft Icelandair hatte am Montag mitgeteilt, dass sie von dem FAA-Flugverbot für Boeing 737 MAX 9-Flugzeuge nicht betroffen sei. "Es wurde bestätigt, dass das Problem mit Ausrüstung zusammenhängt, die nicht Teil der Boeing 737 MAX 9-Konfiguration von Icelandair ist", zitiert die Nachrichtenagentur Reuters einen Sprecher der Fluggesellschaft. Icelandair betreibt vier Flugzeuge dieses Typs, allerdings alle mit Notausgang.

Auch bei der von Lion Air geflogenen Version ist er eingebaut. Gleichwohl bleiben die Flugzeuge vorerst am Boden. Im Herbst 2018 war eine Lion-Air-Maschine vom Typ 737-8 Max abgestürzt, alle Menschen an Bord starben.     

Die Fluggesellschaft Turkish Airlines hatte mitgeteilt, dass sie ihre fünf Maschinen überprüfe. Bis die technische Untersuchung abgeschlossen und die von den Behörden geforderten Maßnahmen ergriffen seien, habe Turkish Airlines beschlossen, die fünf Boeing 737 Max 9 ihrer Flotte aus dem Betrieb zu ziehen, zitiert das Informationsportal "aeroTELEGRAPH" einen Sprecher von Turkish Airlines. 

Wie geht es jetzt weiter für Boeing?

Aktuell sieht es danach aus, als könnte es sich bei den festgestellten Mängeln möglicherweise um ein gravierenderes Problem handeln. Die Fluggesellschaft Alaska Airlines hatte ebenso wie United Airlines bei weiteren Maschinen lose Befestigungsteile an den fraglichen Stellen entdeckt. Das NTSB konzentriere sich zunächst auf das betroffene Flugzeug, werde aber nicht zögern, bei Bedarf im Laufe der Untersuchung umfassendere Sicherheitsempfehlungen abzugeben, erklärte Behördenchefin Jennifer Homendy.

"Wir müssen in erster Linie herausfinden, was mit diesem Flugzeug passiert ist", so Homendy. Wenn man ein größeres systemweites oder flottenweites Problem habe, werde das NTSB eine dringende Sicherheitsempfehlung aussprechen, um eine Veränderung zu erreichen.

Welche Folgen hat der Vorfall für Boeings Ruf?

Die sicherheitsrelevanten Vorfälle der vergangenen Jahre werden immer mehr zu einem Problem für das US-Unternehmen. Erst im vergangenen Dezember hatte Boeing Betreiber neuerer 737-Max-Jets angewiesen, die Steuerruder ihrer Maschinen auf lose Befestigungsteile hin zu überprüfen.

Zuvor war es wegen Produktionsfehlern beim Zulieferer Spirit Aerosystems zu Problemen gekommen. Spirit Aerosystems hatte unsachgemäß Löcher in das hintere Druckschott vieler Maschinen gebohrt, das für die Aufrechterhaltung des Luftdrucks in der Kabine wichtig ist. Mitarbeitende mussten daraufhin an jeder Maschine Hunderte Bohrlöcher überprüfen und instandsetzen.

Der Chef des Boeing-Großkunden Ryanair, Michael O'Leary, forderte den US-Konzern im Gespräch mit der "Financial Times" auf, seine Qualitätskontrollen zu verbessern. Ryanair betreibt eine reine 737-Flotte. Bei der Flotte des Billigfliegers sei alles in Ordnung, so O’Leary. "Aber diese Art von kurzfristigen Reputationsproblemen kann sie nicht gebrauchen."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 10. Januar 2024 um 04:56 Uhr.