Arbeitsmarkt Wie finden mehr Mütter zurück in den Job?
Gerade Mütter arbeiten oft weniger, als sie gerne möchten. In Zeiten des zunehmenden Fachkräftemangels ist das ein Widerspruch. Doch Arbeitgeber können dazu beitragen, ihn aufzulösen.
Die junge Mutter Lisa Atzenbeck ist kreativ, hat Teamgeist und bei ihrem zweijährigen Sohn schon mehr als einmal Durchhaltevermögen bewiesen. Eigentlich wäre die studierte Kulturwissenschaftlerin mit diesen Eigenschaften eine perfekte Arbeitnehmerin - wenn sie nur so viel arbeiten könnte, wie sie gerne würde. Aber sie musste schnell lernen: Als Mutter ist es selbst in einer Großstadt wie München nicht leicht, zurück auf den Arbeitsmarkt zu kommen. Obwohl hier an allen Ecken nach Personal gesucht wird.
Nur jede zweite Mutter geht einer Erwerbsarbeit nach
Viele Eltern in Deutschland dürften sich bei diesem Beispiel an ihr eigenes Leben erinnert fühlen. Während gerade mal acht Prozent der berufstätigen Väter in Teilzeit arbeiten, geht nur jede zweite Mutter überhaupt einer bezahlten Arbeit nach. Und die, die es tun, sind laut Statistischem Bundesamt zu fast 70 Prozent in Teilzeit angestellt.
Nicht nur, dass diese Mütter damit oft in Jobs festhängen, für die sie eigentlich überqualifiziert sind; sie zahlen auch wenig in die Rentenkasse ein, wodurch ihnen Altersarmut droht. Hinzu kommt: Allzu oft stellen sie ihre persönlichen Träume und Wünsche hintenan.
Das klassische Modell ist oft einfacher
Monika Wegat ist Jobcoach bei "Power M", einer Münchener Berufsberatungsstelle für Frauen. Sie begegnet solchen verpassten Chancen und heimlichen Wünschen jeden Tag; Wünsche, die untergegangen sind im Trubel des Kinderkriegen und Familienlebens. "Aus diesen Wünschen wird oft ein späteres Bereuen", berichtet sie. Wegat rät deshalb allen werdenden Eltern: "Der wichtigste Aspekt ist tatsächlich, aktiv für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu sorgen."
Denn viele Paare würden davon überrascht, wie schwierig es ist, gleichberechtigt Eltern zu sein, erzählt sie. Und wie leicht es ist, in die klassische Rollenverteilung zu rutschen: Der Vater nimmt vielleicht für ein, zwei Monate Elternzeit, weil er es nicht anders kennt. Danach aber geht er wieder voll arbeiten. Oft, weil er sich in der Verpflichtung sieht, das Geld nach Hause zu bringen.
Millionen Menschen in der "stillen Reserve"
Die Mutter kümmert sich entsprechend zunächst um das erste Kind, dann um das zweite - und ist dann nach einigen Jahren daheim verunsichert: "Was kann ich eigentlich? Und wie sieht es denn im Arbeitsmarkt jetzt aktuell aus?" Wenn zu dieser Familie dann auch noch eines der bundesweit etwa 378.000 Kinder gehört, für die es laut Bundesfamilienministerium keinen Betreuungsplatz in einer Kita oder Tagesbetreuung gibt, dann ist oft der Weg in die sogenannte "stille Reserve" geebnet.
Zur "stillen Reserve" gehören in Deutschland über drei Millionen Menschen. Sie könnten einer Erwerbsarbeit nachgehen, tun es aber nicht. Zeitgleich melden sie sich aber auch nicht arbeitslos, sie sind also für die Arbeitsvermittlung unsichtbar. Oft steckt dahinter der Betreuungs- oder Pflegebedarf Familienangehöriger. Und: "Viele dieser Menschen trauen sich gar nicht mehr zu, an den Arbeitsmarkt heranzutreten", berichtet Coach Wegat aus ihrem Arbeitsalltag.
Diese drei Millionen Menschen zu mobilisieren, würde sich enorm lohnen. Denn für sie gäbe es laut dem Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit, IAB, derzeit knapp zwei Millionen Stellen, die die Unternehmen mittelfristig nicht besetzen können. Eine Lücke, die allgemein mit dem Wort "Fachkräftemangel" beschrieben wird und sich in den nächsten Jahren zu einem großen Problem für die Wirtschaft entwickeln dürfte.
Den Eltern Mut machen
Die Gemengelage ist also komplex. Nach Wegats Einschätzung kann sie nur aufgelöst werden, wenn es für Familien leichter gemacht wird, "aktiv für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sorgen" zu können, wie sie es beschreibt. Daran müssten aber Politik und die Unternehmen aktiv mitwirken. Sie müssten vorleben, dass es in Ordnung oder sogar gewünscht ist, Kinder zu bekommen und Familien zu gründen - und kein Hindernis.
Nur so könnten Beschäftigte mittelfristig Vertrauen zu ihren Unternehmen aufbauen und dort auch gehalten werden. Eine gute Möglichkeit sind hier Wiedereingliederungs-Programme und vor allem eine offene Kommunikation, die den Eltern Mut macht. Mit Geld allein ist das nicht erledigt.
"Ich möchte mir selbst Sachen leisten können"
Die junge Mutter Atzenbeck hat genau so eine offene Kommunikation erlebt: mit der Chefin des Theaters, in dem sie schon vor der Geburt ihres Sohnes 40 Stunden in der Woche gearbeitet hat. Die beiden haben sich auf einen Mittelweg geeinigt: Während der Sohn wöchentlich 25 Stunden betreut wird - mehr Zeit konnte Atzenbeck nicht buchen -, arbeitet sie vormittags im Theater, um den Social-Media-Auftritt zu betreuen und sich um Kartenreservierungen zu kümmern.
Auch wenn sie das noch nicht ganz erfüllt - den Organisationsaufwand ist es ihr wert: "Weil ich ich bin. Und nicht nur die Frau meines Partners. Und ich möchte mir selbst Sachen leisten können und dafür arbeiten gehen", sagt sie. Und den nächsten Schritt wird Atzenbeck gemeinsam mit der Berufsberaterin angehen: Lisa will eine Agentur aufbauen, um selbstständig Künstler zu managen. Für die passende Infrastruktur sorgt sie erstmal selber.