Nach heftigem Gewinneinbruch Ford kündigt "aggressive Maßnahmen" an
Der US-Autokonzern Ford wird von einem Milliardenverlust belastet, unter anderem wegen glückloser Investitionen in E-Autos. Das Management kündigt harte Einschnitte an - von denen auch Deutschland betroffen sein dürfe.
Unter dem Strich hat der zweitgrößte US-Autohersteller Ford im vergangenen Jahr einen Verlust von rund 2,2 Milliarden Dollar erwirtschaftet. Das ist ein Minus von 88 Prozent im Vergleich zum Vorjahr: 2021 verbuchte der Konzern noch einen Gewinn von 17,9 Milliarden Dollar. Für das schlechte Ergebnis macht Ford vor allem Sondereffekte verantwortlich, die den Konzern tief in die Verlustzone gerückt hätten.
Dazu zählten milliardenschwere Abschreibungen am kriselnden Elektroauto-Hersteller Rivian und dem KI-Unternehmen für autonomes Fahren, Argo AI. Zusammen mit Volkswagen hatte Ford 2019 das Roboterauto-Projekt Argo AI gestartet, bevor sich die beiden Konzerne Ende Oktober aus dem Start-up zurückzogen. Die beiden Unternehmen hielten jeweils 40 Prozent an Argo AI.
Milliarden sind verloren
Die Verluste von Ford wegen der Investition in den Elektroautohersteller Rivian beliefen sich 2022 auf insgesamt 7,4 Milliarden Euro. Die Abschreibung wegen Argo AI fiel niedriger aus, dennoch geht es um die hohe Summe von 2,8 Milliarden Dollar. Der US-Traditionskonzern Ford teilte mit, dass er sich fast vollständig von seinen Rivian-Anteilen getrennt habe. Auch Amazons jüngste Quartalsergebnisse wurden durch die Wertkorrektur ihrer Beteiligung an Rivian getrübt.
Der Umsatz von Ford stieg im vergangenen Jahr auf 158 Milliarden Dollar im Vergleich zu 136 Milliarden Dollar 2021. Insgesamt verkaufte der Autobauer 4,2 Millionen Fahrzeuge - und damit etwas mehr als noch ein Jahr zuvor.
"Alles ist auf dem Tisch"
Ohne die Sonderposten, Zinsen und Steuern beträgt das bereinigte operative Ergebnis von Ford 10,4 Milliarden Dollar. Das selbstgesteckte Ziel von 11,5 Milliarden Dollar verfehlt der Konzern damit deutlich. Finanzchef John Lawler kündigte "sehr aggressive" Maßnahmen an, um die Kosten in der Produktion und in den Lieferketten zu senken. "Alles ist auf dem Tisch."
Drastische Einschnitte beim Autokonzern werden auch in Europa erwartet. "Wir hätten letztes Jahr viel besser abschneiden sollen", sagte Konzernchef Jim Farley bei der Präsentation der Geschäftszahlen. Der Konzern habe "etwa zwei Milliarden Dollar an Profit auf dem Tisch liegen lassen". Seine Kritik bezog Farley nicht nur auf das Schlussquartal, in dem der Nettogewinn um elf Milliarden auf 1,3 Milliarden Dollar einbrach, sondern auf das gesamte abgelaufene Jahr.
General Motors steht besser da
Farley schilderte die Lage mit drastischen Worten: "Wir haben tief verwurzelte Probleme in unserem industriellen System", sagte er. "Das war sowohl für mich als auch für mein Team demütigend." Die Probleme erstreckten sich auf eine Vielzahl an Bereichen: "Es gibt noch mehr zu tun in Europa. Es gibt mehr zu tun in China. Wir haben hier in den USA zu tun", sagte Finanzchef Lawler. "Unsere Kostenstruktur ist nicht wettbewerbsfähig und unsere Qualität nicht dort, wo sie sein sollte."
Damit steht Ford schlechter da als etwa der Lokalrivale General Motors. Die Nummer eins in den USA hatte mit einem operativen Gewinnplus im vierten Quartal geglänzt und Analysten mit einem optimistischen Ausblick überrascht.
"Das war für mich und mein Team demütigend" - Ford-Chef Jim Farley.
Verluste in Europa ausgeweitet
Überall in der Autoindustrie sind die Konzerne belastet durch den Umbau zur Elektromobilität, Milliardeninvestitionen sind dabei nötig. Gleichzeitig tun sich besondere Schwachstellen auf. In Europa, wo Ford bis zu 3200 Stellen in der Entwicklung streichen will, weitete sich der Vorsteuerverlust im vierten Quartal auf 400 Millionen Dollar aus, doppelt soviel wie im Vorjahr - bei unverändertem Umsatz.
Das Werk in Köln wird gerade für den Bau von E-Autos umgerüstet, dort sollen demnächst Fahrzeuge auf Basis der von Volkswagen entwickelten MEB-Plattform vom Band rollen. Dadurch spart Ford Entwicklungskosten ein. In der eigenen Entwicklungsabteilung fällt damit weniger Arbeit an, was Arbeitsplätze kostet. Arbeitnehmervertreter befürchten nun, dass Tausende Stellen in der Kölner Fabrik wegfallen könnten. GM hat sich schon vor Jahren aus Europa zurückgezogen und die Tochter Opel an den späteren Stellantis-Konzern verkauft.
Weitere Stellenstreichungen offen
Wie tief die Einschnitte bei Ford gehen werden, sagte das Management nicht. Auf die Frage, ob es weitere Stellenstreichungen oder Werksschließungen geben werde, antwortete Lawler: "Wir haben Chancen bei den Materialkosten. Wir haben Chancen bei der Fertigung. Wir haben Chancen in unserer gesamten Lieferkette. Es geht wirklich um die industrielle Plattform, und ein Teil davon wird die Produktivität sein." Der Manager ließ offen, ob Werke dicht gemacht werden sollen.
Den Standort in Saarlouis hat Ford bereits zur Disposition gestellt. Dort soll die Produktion des Ford Fokus 2025 eingestellt werden. Medienberichten zufolge verhandelt die Kölner Europazentrale mit dem chinesischen Autobauer BYD über einen Verkauf des saarländischen Werks.
Droht den Herstellern ein Preiskrieg?
Gleichzeitig belasten Qualitätsprobleme Ford weiter. Lawler sagte, der Konzern müsse seine Garantiekosten jährlich um zwei Milliarden Dollar senken können. Aktuell sieht es allerdings so aus, dass mehr Kosten auf Ford zukommen könnten: Die US-Behörde für Straßen- und Fahrzeugsicherheit NHTSA hatte jüngst eine Überprüfung von mehr als 1,8 Millionen Fahrzeugen des Modells Explorer eingeleitet. Bei dem SUV-Modell der Baujahre 2011 bis 2019 könnten sich Teile der Windschutzscheiben-Verkleidung bei höherer Geschwindigkeit lösen.
Unklar ist, ob sich Ford auf einen Preiskrieg einlässt, was ebenfalls auf Kosten des Gewinns ginge. Nach den massiven Preissenkungen von Tesla hatte Ford die Preise für den SUV Mustang Mach-E um bis zu 5900 Dollar gesenkt. Der Konzern lockt Kunden zudem mit günstigen Finanzierungskonditionen.
Sollten die Preissenkungen weitere Kreise ziehen, erwarten Branchenbeobachter einen Preiskrieg. Experten fühlen sich an Zeiten vor mehr als zehn Jahren erinnert, als sich die US-Autokonzerne mit einer ruinösen Rabattschlacht gegenseitig in die Krise trieben.