Intel in Magdeburg Großbaustelle ohne Baustart
In Magdeburg will Intel für mehr als 30 Milliarden Euro eine Chip-Fabrik bauen. Doch auch das Mega-Projekt muss genehmigt werden. Unternehmen und Landespolitik versuchen, den Bau auf die Zielgerade zu bringen.
Nicole Lau steht auf einer Bühne in der Magdeburger Johanniskirche und will keinen Zweifel aufkommen lassen. "Wir wollen hier gemeinsam Geschichte schreiben", sagt Lau. "Wir sind gekommen, um zu bleiben."
Ihr Arbeitgeber, der US-Chiphersteller Intel, plant eine neue Fabrik in Magdeburg. Mit mehr als 30 Milliarden Euro ist es die größte Einzelinvestition in der Bundesrepublik. Der Bund wird rund zehn Milliarden Euro beisteuern - Deutschland und die EU sollen unabhängiger von Halbleitern aus Asien werden.
Sorgen im Wasserschutzgebiet
Den sogenannten Erörterungstermin verfolgen rund einhundert Menschen. Sie sind vom Fach, aus der Verwaltung oder Politik. Proteste von Klima- oder Umweltschützern bleiben aus.
Aber 13 sogenannte Einwendungen sind beim Landesverwaltungsamt eingegangen. Das größte Reizthema ist das Wasser. Chipfabriken brauchen verhältnismäßig viel davon. Wie viel, dazu haben Unternehmen und Politik lange keine konkreten Angaben gemacht. Nun ist klar, dass Intel um die sieben Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr benötigen wird - halb so viel wie der bisherige Verbrauch von ganz Magdeburg.
Das Wasser soll vor allem aus dem Wasserschutzgebiet Colbitz-Letzlinger Heide fließen. Das versorgt bereits die Region Magdeburg. Gegen die zusätzliche Nutzung wehrt sich das 1.500-Einwohner-Dorf Burgstall.
Der stellvertretende Bürgermeister Christian Kroll erklärt den Einwand der Heide-Gemeinde. Schon jetzt sei der Grundwasserspiegel dramatisch gesunken. Es käme zu Trockenschäden an Bäumen, zu Rissen in den Häusern. Intel würde das Problem verdoppeln. "Wir wollen hier kein Grünheide 2.0", verweist Kroll auf eine ähnliche Debatte rund um das Tesla-Werk in Brandenburg.
Alexander Ruhland, Geschäftsführer der Trinkwasserversorgung Magdeburg, erwidert, es könne hier "kein Zusammenhang" hergestellt werden. Wasser sei genug da, weiteres käme über Umwege aus der Elbe hinzu. Und doch: "Es gibt noch kein abgeschlossenes Konzept."
Schafft die Elbe Abhilfe?
Kroll spricht anschließend vor Journalisten von "unschönen Diskussionen" mit dem Versorger. Die heutigen Wasserrechte seien zu DDR-Zeiten ohne Rücksicht auf die Umwelt vergeben worden. Burgstall drohe, für Intel unter die Räder zu geraten. "Die Investition ist einfach zu groß, der Druck von Seiten der Politik zu groß", sagt Kroll.
Olaf Meister hat sich früh mit dem Wasser-Thema beschäftigt. Meister sitzt für die Grünen im Magdeburger Stadtrat und im Landtag. Er sagt, alle Probleme müssten ordentlich diskutiert und gelöst werden. "Eine Ansiedlung darf nicht anderswo ökologische und wirtschaftliche Schäden verursachen", so Meister. Ihm scheine eine Versorgung der Fabrik aus einem eigenen Wasserwerk an der Elbe tragfähig. Genau das fordern die Burgstaller.
In Magdeburg selbst sei die Stimmung derweil gut. "Niemand stellt die Ansiedlung infrage", so Meister. Das gilt auch für die Gemeinde Burgstall und die allermeisten Einwender beim Erörterungstermin.
"Jetzt Aufmerksamkeit auf der Region halten"
Intel selbst fühlt sich willkommen. Hier werde "überparteilich und lösungsorientiert zusammengearbeitet", sagt Intel-Sprecherin Monika Lischke. Die Aufbruchsstimmung der ersten Tage ziehe sich bis heute fort.
Dafür wirbt Intel auch. Das Unternehmen hat 1,2 Millionen Euro an Hochschulen und Universitäten vergeben und sponsert neuerdings die Fußball- und Handballteams des 1. FC Magdeburg und SC Magdeburg. Mitarbeitende räumten auch schon Spielplätze auf.
Für Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze hatte das Erfolg. "Intel ist ein Teil der Stadt geworden", sagt der CDU-Politiker. Doch es bleibt viel zu tun: Zwischen Unternehmen, Land und Stadt existiert eine Liste mit Hunderten Punkten, die bis zur Fabrikeröffnung abgearbeitet werden müssen. Es braucht etwa neue Fachkräfte und neue Schulen.
Schulze und seine Mitarbeiter sind in Gesprächen mit weiteren Investoren. "Es geht jetzt darum, die Aufmerksamkeit auf der Region zu halten", sagt Schulze. In seinem Haus geht man davon aus, dass die nur 3.000 Intel-Arbeitsplätze ein Vielfaches an weiteren Jobs nach sich ziehen werden.
Opposition sieht "Reibungsverluste"
Sachsen-Anhalt will mit Intel erreichen, was Brandenburg mit Tesla gelungen ist. Das Werk in Grünheide ist mit 11.800 Beschäftigten der größte Arbeitgeber des Landes. Auch dank Tesla wächst Brandenburgs Wirtschaft schneller als anderswo. Ostdeutschland drängt wieder auf die industrielle Weltkarte. Nur weniger Kontroversen als in Grünheide hätten Politik und Unternehmen in Magdeburg schon gern.
Dafür tritt die Landesregierung robust ein. Schon bei der ersten Pressekonferenz im März 2022 sagte Ministerpräsident Reiner Haseloff, jetzt müssten "alle mitziehen". Als ausgerechnet aus Halle, vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, Kritik an der enormen Fördersumme aufkam, nahm Haseloff das zum Anlass, die bisherige Forschungsarbeit des Instituts zu kritisieren. Wirtschaftsminister Schulze stritt sich wochenlang mit der Institutsleitung.
"Ich höre mir die Argumente an, aber ich muss auch klare Kante zeigen", sagt Schulze heute. Oppositionspolitiker Olaf Meister hingegen fand die Reaktionen "unsouverän". Er erinnert an einen weiteren Streit mit "Reibungsverlusten".
Land schritt in Streit der Kommunen ein
So soll das Intel-Werk in einem neuen Industriegebiet stehen, das sich Magdeburg mit den Gemeinden Sülzetal und Wanzleben-Börde teilt. Den "High-Tech Park" wollten die Kommunen zunächst gemeinsam betreiben. Doch teils fehlte das Geld dafür. Im Herbst 2023 zog die Landesregierung die Reißleine und gründete selbst eine Betreibergesellschaft.
"Damit haben wir die größte Hürde genommen", sagt Schulze. Ja, das Land habe sich dabei "nicht nur Freunde gemacht". Nur: "Die langen Debatten, die wir in der Politik gewöhnt sind, können wir uns hier nicht leisten." Es brauche Ergebnisse.
Allerdings fehlt zum Erörterungstermin in Magdeburg von der Gesellschaft noch ein genaues Konzept zu einem anderen Reizthema: Was geschieht mit den 1,8 Millionen Tonnen bester Schwarzerde aus der Magdeburger Börde, die der Fabrik weichen sollen?
Warten auf Genehmigung und EU-Kommission
Das Landesverwaltungsamt dürfte für eine Genehmigung hier Konkreteres brauchen. Wie die Beamten zu bisherigen Konzepten für die Wasserversorgung und die Versetzung von Feldhamstern stehen, ist beim Erörterungstermin nicht zu erkennen. Wann das Amt entscheidet, dazu macht eine Sprecherin am Mittwoch keine Angaben. Bislang liefen nur archäologische Arbeiten auf dem Gelände.
In Magdeburg warten sie zudem auf Brüssel. Dort prüft die EU-Kommission noch, ob die Subvention des Bundes in der Höhe rechtmäßig ist. Den Haushaltsstreit der Ampel-Regierung haben die fast zehn Milliarden Euro jedenfalls überlebt. Ein Baubeginn in diesem Jahr dürfte dennoch nicht mehr zu halten sein.
Wirtschaftsminister Schulze findet, "im Projektgeschäft" gehören Verschiebungen dazu. Er sehe weiterhin eine Chance, dass noch die scheidende Kommission die Freigabe erteilt. Im Juli will Schulze wieder zu Gesprächen in die USA fliegen. "Intel hat viele Erwartungen an uns", sagt er und schiebt nach: "Und wir auch an sie."