Krise bei Volkswagen Lohnverzicht könnte Hälfte des Sparziels bringen
Der Autohersteller Volkswagen will nach Informationen des Handelsblatts den Großteil seiner Einsparungen beim Lohn seiner Mitarbeitenden erreichen. Niedersachsens Ministerpräsident Weil fordert Alternativen zu Werkschließungen.
Der Autokonzern Volkswagen will einem Bericht zufolge den größten Teil seiner geplanten Einsparungen über einen Lohnverzicht erreichen. Die Kürzung der Gehälter bei der Kernmarke VW sowie die Streichung von Boni und Sonderzahlungen sollten zusammen jährlich zwei Milliarden Euro einbringen, berichtete das Handelsblatt unter Berufung auf ein Dokument des Vorstands.
Damit wäre die Hälfte des Sparziels erreicht, ohne dass bei VW Stellen gestrichen werden müssten, heißt es dem Bericht zufolge in Konzernkreisen. Volkswagen und der VW-Betriebsrat haben sich bislang noch nicht konkret dazu geäußert. Der Konzern will sich am Mittwoch zu seinen Sparplänen äußern, dann ist auch die Veröffentlichung der Geschäftszahlen für das dritte Quartal geplant.
Werkschließungen laut Bericht weniger effektiv
Die Schließung von Werken habe im Vergleich dazu geringere Effekte, so der Bericht. So brächte ein Aus für die Produktion in Emden ungefähr 600 Millionen Euro, die Fabrik in Osnabrück habe ein Sparpotenzial von etwa 130 Millionen Euro, die in Dresden von 60 Millionen Euro. Die Einsparmaßnahmen für die Komponentenfertigung werden in dem Dokument auf 800 Millionen Euro beziffert.
In der Technischen Entwicklung könnten 4.000 bis 6.000 Stellen gestrichen werden, hieß es weiter. Wie viele Arbeitsplätze insgesamt gefährdet seien, lasse das Dokument offen. Der Zeitung gegenüber erklärte eine VW-Sprecherin, im Moment gebe es keine Einigung auf ein konkretes Szenario. Die Gespräche würden mit dem Betriebsrat geführt. Nach Angaben des Gesamtbetriebsrats von VW plant das Unternehmen die Schließung von drei Werken und den Abbau Zehntausender Stellen.
Weil sieht Krise für europäische Autoindustrie
Angesichts der Krise bei VW fordert Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil schnelle Hilfe von der Bundesregierung und der EU-Kommission. "Die gesamte deutsche und europäische Automobilindustrie befindet sich derzeit in unübersehbaren Schwierigkeiten", so der SPD-Politiker. Das müsse in den anstehenden Entscheidungen zum weiteren Kurs der Wirtschaftspolitik zum Ausdruck kommen, sagte er auch in Anspielung auf ein Treffen von Kanzler Olaf Scholz mit Industrievertretern.
Weil erinnerte daran, dass die 16 Bundesländer erst vergangenen Freitag einhellig Kaufanreize für Elektroautos sowie auf europäischer Ebene Anpassungen bei den Flottenzielen für den CO2-Ausstoß verlangt hatten. "In einer angespannten Lage dürfen nicht auch noch Strafzahlungen in Milliardenhöhe die Unternehmen schwächen", argumentierte Weil mit Blick auf die drohenden Zahlungen, weil die Autokonzerne die von der EU gesteckten CO2-Ziele nicht erreicht haben.
Alternativen zu Werkschließungen gefordert
Zur Situation bei VW selbst sagte der Ministerpräsident, dass das Unternehmen wettbewerbsfähig sein müsse. "Maßgeblich ist, die industrielle Substanz der niedersächsischen Automobilindustrie zu erhalten." Deswegen bestehe unverändert die klare und ernst gemeinte Erwartung, in den Verhandlungen Alternativen zu Werksschließungen oder der Aushöhlung industrieller Kerne zu erarbeiten. Zur Lösung der aktuellen Krise des VW-Konzerns müssten alle Seiten Beiträge leisten.
Das Land Niedersachsen hält 20 Prozent der Stimmrechte im VW-Konzern. Ministerpräsident Weil und seine Stellvertreterin Julia Willie Hamburg (Grüne) sitzen für das Land im Aufsichtsrat. Zusammen mit den Arbeitnehmervertretern haben sie dort die Mehrheit, bei wichtigen Entscheidungen hat das Land ein Veto-Recht.
Ab Dezember Warnstreiks möglich
Am Mittwoch treffen sich VW und die Gewerkschaft IG Metall in Wolfsburg zu ihrer zweiten Tarifrunde. Bereits in der ersten Runde im September hatte der kriselnde Konzern die Forderungen der IG Metall nach sieben Prozent Erhöhung zurückgewiesen. Die laut "Handelsblatt" jetzt im Raum stehenden Lohnkürzungen stehen im direkten Widerspruch zu den Forderungen der Gewerkschaft.
Der VW Haustarif gilt für rund 120.000 Mitarbeitende an den sechs großen westdeutschen VW-Standorten. Die Friedenspflicht bei Volkswagen läuft Ende November aus. Ab Dezember wären dann auch Warnstreiks möglich.