Betriebsversammlung bei VW "Uns fehlen Autoverkäufe für rund zwei Werke"
Die VW-Spitze hat auf der Betriebsversammlung in Wolfsburg ihren verschärften Sparkurs verteidigt. VW gebe schon seit geraumer Zeit mehr Geld aus, als der Konzern einnehme. Der Betriebsrat kündigte "erbitterten Widerstand" an.
Auf der Betriebsversammlung in Wolfsburg hat die Führungsebene von Volkswagen ihren geplanten Sparkurs verteidigt. Von den Mitarbeitern war der Vorstand mit scharfem Protest empfangen worden.
Finanzchef Arno Antlitz verwies mit Blick auf die Standorte auf sogenannte Überkapazitäten. In Europa würden derzeit zwei Millionen Autos weniger pro Jahr verkauft als vor der Corona-Pandemie. Das werde sich kaum ändern. Für VW - mit einem Marktanteil von rund einem Viertel in Europa - bedeute das: "Es fehlen uns die Verkäufe von rund 500.000 Autos, die Verkäufe für rund zwei Werke. Und das hat nichts mit unseren Produkten zu tun oder schlechter Leistung des Vertriebs. Der Markt ist schlicht nicht mehr da."
Europas größter Autobauer hatte angekündigt, angesichts der sich zuspitzenden Lage den eingeschlagenen Sparkurs bei der Kernmarke VW noch einmal zu verschärfen. Auch eine Werksschließung in Deutschland und betriebsbedingte Kündigungen werden nicht länger ausgeschlossen.
Betriebsrat und IG Metall hatten erheblichen Widerstand angekündigt, das an VW beteiligte Land Niedersachsen forderte den Autobauer auf, Standortschließungen zu vermeiden.
Betriebsratschefin spricht von "Bankrotterklärung" des Vorstands
Gesamtbetriebsratschefin Daniela Cavallo kündigte bei der Versammlung "erbitterten Widerstand" gegen mögliche Werksschließungen und Entlassungen an. "Nie im Leben" werde sie dies zulassen, sagte sie laut Redemanuskript. Der Geschäftsführung der Marke VW und des Konzerns warf Cavallo Ideenlosigkeit vor: "Kosten schrubben, Werke schließen, betriebsbedingt kündigen" - diese Antwort auf die Krise sei "nicht nur ein Armutszeugnis, das ist eine Bankrotterklärung".
Der Betriebsrat teile allerdings die Ansicht, "dass wir hier vor heftigen Problemen stehen", so Cavallo. Fabriken schließen, betriebsbedingt kündigen und Tarifeinschnitte durchsetzen sei aber nur "in genau einem Szenario zulässig - und zwar dann, wenn das ganze Geschäftsmodell gestorben ist". Dies sei aber nicht der Fall. Volkswagen kranke nicht an seinen deutschen Standorten und an den deutschen Personalkosten, sondern daran, "dass der Vorstand seinen Job nicht macht".
Cavallo forderte eine Rückkehr "in die Rolle der Technologieführerschaft". Alles, was dafür nicht relevant sei "und somit nicht kaufentscheidend für unsere Kundschaft", müsse überdacht werden. Die Komplexität "muss runter, unsere Regelungswut müssen wir angehen, wir müssen unseren Dokumentationsirrsinn abstellen und die vielen doppelten und dreifachen Prozesse zur Absicherung". Das sei Aufgabe des Managements.
"Geben seit geraumer Zeit mehr Geld aus, als wir einnehmen"
VW will mit den Einsparungen eigenen Angaben nach die Mittel freisetzen, die man für neue Produkte brauche, hieß es heute. "Dafür brauchen wir jetzt Geld, um kräftig zu investieren", sagte Markenchef Thomas Schäfer. "Wenn wir es jetzt schaffen, unsere Kosten nachhaltig zu reduzieren und in ein Modellfeuerwerk zu investieren, wie es der Wettbewerb und die Kunden noch nicht gesehen haben, dann werden wir es sein, die die Voraussetzungen geschaffen haben, damit auch die nächsten Generationen hier in Deutschland für Volkswagen arbeiten können."
"Wir haben noch ein Jahr, vielleicht zwei Jahre Zeit, das Ruder herumzureißen. Aber diese Zeit müssen wir nutzen", so Konzern-Finanzchef Antlitz vor mehr als 10.000 Beschäftigten im VW-Werk. "Wir geben in der Marke seit geraumer Zeit schon mehr Geld aus, als wir einnehmen." Auf Dauer gehe das nicht gut.
Der Konzern hatte zuvor erklärt, Werkschließungen wären nur die letzte Maßnahme, wenn es nicht gelinge, mit schnellen Maßnahmen gegenzusteuern. VW betreibt Autowerke in Wolfsburg, Emden, Osnabrück, Hannover, Zwickau und Dresden, hinzu kommen Komponentenfabriken in Kassel, Salzgitter, Braunschweig und Chemnitz.
"Deutschland muss ein starkes Autoland bleiben"
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil sprach sich für den Erhalt aller Standorte aus. "Es ist jetzt Aufgabe dafür zu sorgen, dass die Standorte, und zwar alle Standorte, gesichert werden und dass betriebsbedingte Kündigungen vermieden werden", sagte der SPD-Politiker dem Sender ntv. "Dafür muss es jetzt Verhandlungen geben. Das ist die Stunde der Betriebs- und Sozialpartnerschaft. Das hat auch gute Tradition bei Volkswagen."
Nach den Worten Heils sind bei VW betriebswirtschaftliche Probleme zu lösen. Da seien auch Fehler im Management gemacht worden. "Aber das ist ein starkes Unternehmen. Wir werden das politisch flankieren", sagte Heil. Die Bundesregierung werde im Kabinett unter anderem Nachfrageimpulse für Elektromobilität beschließen. "Wir können bei Forschung und Entwicklung unterstützen", sagte der Minister.
Auch arbeitsmarktpolitische Unterstützung sei möglich. "Aber jetzt ist erst mal das Unternehmen am Zug", sagte Heil. Vorstand, Betriebsräte und Gewerkschaft müssten vernünftige Lösungen hinbekommen, um alle Standorte zu sichern. Es geht Heil zufolge nicht nur um Beschäftigte bei VW, sondern auch um Zulieferketten. "Deutschland muss ein starkes Autoland bleiben. Wir tun alles dafür, dass das auch möglich ist, aber Unternehmer und Manager müssen ihren Job tun."