ARD-Dokumentation Spitzenmanager im Krisenmodus
Corona, Krieg, Energiepreis-Schock: Eine Krise folgt der nächsten - und die deutsche Wirtschaft schrumpft. Was bedeutet das für die Frauen und Männer an der Spitze großer Konzerne? Ein Einblick in ihre Welt.
Managerinnen und Manager deutscher Unternehmen sind seit Jahren im Dauerkrisenmodus. Sie alle eint der Ehrgeiz, ihre Unternehmen durch die Krisen zu steuern und zukunftsfähig zu machen. Aber was, wenn die Voraussetzungen dafür immer schwieriger werden?
In nahezu allen Wirtschaftsbereichen klagen Konzerne über eine sinkende Nachfrage. Die Liste der Ursachen dafür ist lang: die Corona-Pandemie, der Krieg in der Ukraine, die Klimakrise, steigende Energiepreise, eine hohe Inflation, der Fachkräftemangel, hohe bürokratische Hürden für Unternehmen.
"Habe so etwas noch nie erlebt"
Die Folge: Die deutsche Wirtschaft ist zum Jahresende 2023 geschrumpft. Das Bruttoinlandsprodukt ging im vierten Quartal nach Angaben des Statistischen Bundesamts im Vergleich zum Quartal davor zurück. Sollte die Wirtschaft nun im laufenden ersten Quartal erneut schrumpfen, rutscht Deutschland in die Rezession.
"Die aktuelle Krise unterscheidet sich deutlich von anderen. Ich habe so etwas noch nie erlebt", sagt Martin Brudermüller, Vorstandsvorsitzender beim Chemiekonzern BASF, der seit 17 Jahren im Vorstand ist. Die globale Nachfrageschwäche, aber auch die Auswirkungen des Kriegs gegen die Ukraine und die schwindende Wettbewerbsfähigkeit Europas machten dem Konzern zu schaffen.
Auch privat im Krisenmodus
Er beziehe die aktuelle Bilanz des Unternehmens auch ganz direkt auf sich persönlich, sagt Konzernchef Brudermüller - und frage sich, ob er seinen Job gut genug mache oder "noch eine Schippe drauflegen" könne.
Die Krisen machen auch vor dem Privatleben der Manager nicht Halt. "Ich arbeite härter als die allermeisten Menschen sich das vorstellen können", sagt Leonhard Birnbaum, Chef des Energiekonzerns E.ON. Doch trotz vieler 70-Stunden-Wochen mache er seinen Job weiter gerne.
BASF-Chef Brudermüller: Der Chemiekonzern bekam die Folgen des Ukraine-Kriegs und der Energiekrise im vergangenen Jahr heftig zu spüren.
"Angst bringt nichts"
Birnbaum setzt bei der Arbeit im Krisenmodus, die bei seinem Unternehmen vor allem der Krieg in der Ukraine, aber auch der Ausstieg aus der Kernenergie mit sich gebracht haben, auf Besonnenheit: "Man soll sich Sorgen machen, man soll angespannt sein, man soll ruhig auch nervös sein, damit man die Sachen nicht zu leicht nimmt und sich wirklich darum bemüht, das Beste zu liefern", sagt er. "Aber Angst bringt nichts."
Genauso wenig sei Idealismus der richtige Weg raus aus den Krisen, sagt Birnbaum. "Idealismus verändert wenig, Gewinnmöglichkeit unglaublich viel." Deswegen funktioniere die kapitalistische Wirtschaft, und das, so Birnbaum, könne für die Zukunft eine Chance sein - und für eine Klimawende von Vorteil. "Wann wurden Windräder gebaut? Als man viel Geld damit verdienen konnte", sagt er. Das sei ein Zeichen der Hoffnung.
Heute weniger konfrontativ?
Damit die Wirtschaft wieder rauskommt aus der Krise, müsse auch die Politik auch etwas tun, sind sich die Manager einig. Seien es Steuererleichterungen, der weitere Abbau von Bürokratie oder der Ausbau der Infrastruktur, insbesondere auf der Schiene. Dafür seien Investitionen nötig.
Doch trotz klarer Forderungen der Wirtschaft an die Politik hat sich der Umgang beider Seiten miteinander mit dem Krisenmodus verändert. "Früher war es häufiger mal sehr konfrontativ, jetzt hat man schon viele Gemeinsamkeiten und man weiß auch, was man hinkriegen muss", sagt der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil, der sich bei einem Spitzentreffen von Politik und Wirtschaft mit dem damaligen Audi-Chef Markus Duesmann unterhält. Er finde, dass das Miteinander menschlicher geworden sei. Umgekehrt sagt Duesmann, sei auch die Generation der Politiker heute eine andere. Die Gesprächskultur habe sich dadurch positiv verändert.
Signale an Beschäftigte
Genauso kann sich der Umgang mit den eigenen Mitarbeitenden für Vorstände im Krisenmodus verändern. Annette Mann ist CEO bei der Lufthansa-Tochter Austrian Airlines. Sie betont, wie wichtig es sei, den Mitarbeitenden in schwierigen Zeiten Wertschätzung zu zeigen und Gräben nicht zu vertiefen.
Zu ihrer Beförderung sollte sie in ein neues, großes Büro ziehen, empfand das aber als nicht passend. Also zog sie kurzerhand in ein anderes Büro inmitten der Kollegen: "Leider hatten wir keine gute Ausstattung, und so sind mein Mann und ich zu Ikea gefahren und haben einen Schreibtisch und ein paar Pflanzen besorgt", sagt sie. Sie habe nicht das Signal aussenden wollen, dass Geld für neue Möbel ausgegeben werde, während die Mitarbeitenden wegen der Pandemie noch auf Gehalt verzichteten.
Anpassungsfähigeit muss sein
Mann kennt ihre Branche beinahe gar nicht ohne Krise. Das bringe eine Professionalität im Managen von Krisen mit sich. Sie sagt: "Unternehmen müssen es schaffen, immer anpassungsfähiger zu werden."
BASF-Chef Brudermüllers Fazit zu deutschen Konzernen in der Krise: "Wir sind etwas aus dem Tritt geraten und wir müssen die Bereitschaft haben, einige Dinge fundamental anders zu machen." Dazu gehöre zum Beispiel auch, Künstliche Intelligenz nicht sofort abzulehnen. Dann habe die deutsche Wirtschaft auch eine gute Zukunft.