Wintershall Dea BASF-Tochter in Russland "de facto enteignet"
Der Öl- und Gaskonzern Wintershall Dea sieht sich nach langem Zögern nun doch zum Rückzug aus seinem Geschäft in Russland gezwungen. Für den Mutterkonzern BASF bedeutet das einen Milliardenverlust.
Knapp ein Jahr nach Beginn des Kriegs in der Ukraine plant das Öl- und Gasunternehmen Wintershall Dea einen vollständigen Rückzug aus Russland und brockt damit seinem Mutterkonzern einen Milliardenverlust ein. Unter dem Strich verbuchte BASF für das Geschäftsjahr 2022 einen Fehlbetrag von rund 1,4 Milliarden Euro, wie der DAX-Konzern überraschend gestern Abend nach Börsenschluss mitteilte.
Analysten hatten dagegen zuletzt noch mit einem Gewinn von rund 4,77 Milliarden Euro gerechnet. Hauptursache für das Milliardenminus waren Abschreibungen auf Wintershall Dea in Höhe von 7,3 Milliarden Euro im Gesamtjahr. Allein im vierten Quartal musste BASF 5,4 Milliarden Euro wegen der Entkonsolidierung der russischen Explorations- und Produktionsaktivitäten seiner Tochter abschreiben.
Wintershall Dea spricht von Enteignung
"Eine Fortführung unseres Geschäftes in Russland ist nicht haltbar", erklärte Wintershall-Dea-Vorstandschef Mario Mehren. Der Krieg habe die Zusammenarbeit zwischen Europa und Russland, auf die das Unternehmen lange gebaut hatte, zerstört. Außerdem habe die russische Regierung die Tätigkeit westlicher Unternehmen in dem Land eingeschränkt. "Die Joint Ventures wurden de facto wirtschaftlich enteignet", sagte Mehren.
Der Manager verweist auf russische Regelungen von Ende Dezember. Diese reduzierten rückwirkend die Preise, zu denen die Gemeinschaftsunternehmen ihre produzierten Kohlenwasserstoffe an den russischen Konzern Gazprom verkaufen können.
Aktivisten bei einer Protestaktion in Kassel gegen das Russland-Engagement von Wintershall Dea.
Kritik an Russland-Engagement von Wintershall Dea
Wintershall Dea hatte trotz des Krieges in der Ukraine an seinen russischen Beteiligungen festgehalten, musste dafür in der Vergangenheit auch durchaus Kritik einstecken, zumal sich andere Energiekonzerne wie Shell, Total oder Enel von ihren Aktivitäten in Russland längst getrennt haben. Das Unternehmen war zuletzt noch an drei Förderprojekten am Erdgasfeld Juschno Russkoje sowie der Achimov-Formation des Urengoi-Felds in Sibirien beteiligt.
Der Anteil der russischen Geschäfte an der gesamten Produktion lag zuletzt bei 50 Prozent. Vorstandschef Mehren kündigte an, das Unternehmen wolle nun außerhalb Russlands wachsen, ins Visier wurden dafür bereits Norwegen, Algerien, Argentinien und Mexiko genommen.
BASF wollte Wintershall Dea eigentlich loswerden
Wintershall Dea war 2019 aus dem Zusammenschluss der BASF-Tochter Wintershall mit dem Rivalen Dea entstanden. Der Ludwigshafener Chemiekonzern hält noch 72,7 Prozent, der Rest liegt bei der ehemaligen Dea-Eignerin LetterOne.
Eigentlich hatte sich BASF aus dem Öl- und Gasgeschäft zurückziehen und Wintershall Dea an die Börse bringen wollen. Der Börsengang wurde aber schon mehrmals verschoben und die Pläne dann vom Krieg in der Ukraine zunichte gemacht. Für BASF wurde Wintershall Dea damit immer mehr zur Belastung.
BASF-Aktie bricht ein
Anleger reagieren entsetzt auf die neuen Hiobsbotschaften. Der BASF-Aktie steht ein Tag mit heftigen Kursturbulenzen bevor: Im frühen Handel auf der Handelsplattform Tradegate bricht das im DAX notierte Papier um 7,5 Prozent ein. Die BASF-Aktie hatte sich zuletzt deutlich erholen können und erst gestern bei 53,38 Euro den höchsten Stand seit sieben Monaten markiert.