Baubeginn der Northvolt-Fabrik Eine Gigafactory, um China die Stirn zu bieten
An der deutschen Nordseeküste entsteht eine der modernsten Fabriken für Elektroauto-Batterien. Kann der schwedische Northvolt-Konzern die schier übermächtige chinesische Dominanz brechen?
Peter Carlsson, 53 Jahre, hat eine Vision: Der ehemalige Tesla-Manager will in die Champions League der globalen Elektroauto-Batteriehersteller vorstoßen und den dominierenden chinesischen Konzernen die Stirn bieten. Dazu hat Carlsson 2016 das schwedische Start-up Northvolt gegründet. Und dazu soll nun im hohen Norden Deutschlands, in den schleswig-holsteinischen Gemeinden Norderwöhrden und Lohe-Rickelshof, eine der modernsten Batteriefabriken der Welt entstehen.
Batterien für bis zu eine Million E-Autos
Heute erfolgte der symbolische Spatenstich für die Gigafabrik "Northvolt Drei" - in Anwesenheit von Northvolt-CEO Carlsson und Polit-Prominenz wie Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Schleswig-Holsteins Ministerpräsidenten Daniel Günther. Der schwedische Konzern will hier Batterien für bis zu eine Million E-Autos pro Jahr produzieren. 2026 soll die Fertigung starten, 2029 dann die volle Kapazität erreicht werden. Das Investitionsvolumen beträgt 4,5 Milliarden Euro.
Bundeskanzler Scholz spricht anlässlich des Baubeginns der Northvolt-Batteriefabrik.
Für die Ansiedlung an der Westküste Schleswig-Holsteins sprach Northvolt zufolge der Windstrom, der dort an Land und auf dem Meer erzeugt wird. Strom, den die Fabrik in rauen Mengen benötigt. Doch um Northvolt den Standort schmackhaft zu machen, brauchte Deutschland noch weit überzeugendere Argumente.
Deutschland gewinnt Subventionswettlauf
Ursprünglich liebäugelte Northvolt nämlich auch damit, seine neue Fabrik in den USA anzusiedeln. Schließlich lockten dort hohe Subventionen durch den "Inflation Reduction Act" der US-Regierung.
Wie viel die Amerikaner letztlich geboten haben, ist unklar. Fakt ist: Deutschland legte für die Northvolt-Fabrik Subventionen in Höhe von 902 Millionen Euro auf den Tisch. Bund und Land fördern das Projekt mit rund 700 Millionen Euro. Hinzu kommen Garantien über 202 Millionen Euro.
Schützenhilfe von der EU - Kritik von Ökonomen
Auch die EU-Kommission spielte mit, genehmigte sie doch die außerordentlich hohen Subventionen, indem sie zum ersten Mal von flexibleren Beihilfevorschriften Gebrauch machte. Diese sollen verhindern, dass eine Investition in ein Land außerhalb der EU verlagert wird, weil andernorts höhere Subventionen geboten werden.
Einige Ökonomen haben die Subventionen kritisiert, darunter auch Moritz Schularick, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW): "Unter dem Strich ist der Spatenstich sehr teuer." Ob solche Subventionen wirklich ihr Geld wert seien, wisse man aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive noch nicht genau.
Northvolt-Fabrik wichtig für Unabhängigkeit von China
Dabei hat die Ansiedlung der Northvolt-Batteriefabrik in Schleswig-Holstein für Deutschland und die EU durchaus einen hohen, wenn auch schwer zu beziffernden Wert: Europa sichert sich damit nämlich eine Schlüsseltechnologie zur grünen Transformation. Der Technologiestandort Europa wird gestärkt - gegen die bislang übermächtige Konkurrenz aus Asien.
China hatte seinen Anteil am Markt für E-Auto-Batterien zuletzt immer weiter ausgebaut. Einem aktuellen Berichts des koreanischen Forschungsinstituts SNE zufolge befanden sich 2023 unter den zehn größten Unternehmen sechs aus China - allen voran CATL und BYD. Um unabhängiger von den chinesischen Zulieferern zu werden, braucht die hiesige Autoindustrie eine E-Auto-Batterieproduktion im eigenen Land respektive in Europa.
Von Teslas Gigafactory zu Northvolt
Doch bringt Northvolt wirklich das Zeug mit, um China die Stirn zu bieten? Fakt ist: Hinter Northvolt stehen mit den beiden Gründern Peter Carlsson und Paolo Cerutti zwei Manager, die zuvor in führender Position bei Tesla gearbeitet und dort die eigene Batteriefertigung vorangetrieben haben. Die Tesla Gigafactory 1 im US-Bundesstaat Nevada gilt heute als Vorbild für die ganze Branche. Carlsson ist CEO von Northvolt, Cerutti ist als COO für das operative Geschäft verantwortlich.
An Northvolt sind zudem große europäische Autokonzern beteiligt, allen voran Volkswagen: Die Wolfsburger sind mit rund 21 Prozent größter Anteilseigner. Zum Eigentümerkreis gehören außerdem BMW und Goldman Sachs. Zu Northvolts Kunden zählen neben VW und BMW auch Scania und Volvo Cars.
Hoffnungsfaktor Natrium-Ionen-Batterie
Für Northvolt sprechen aber auch die jüngsten Erfolge der Schweden bei der Entwicklung einer Natrium-Ionen-Batterie - also einer Batterie ohne Kobalt, Lithium, Nickel und Graphit. Stattdessen kommen hier Mineralien wie Eisen und Natrium zum Einsatz. Diese sind auf den Weltmärkten reichlich vorhanden, müssen also nicht kostspielig und unter umweltschädlichen Bedingungen abgebaut werden.
Die erste Generation der Natrium-Ionen-Batterie von Northvolt hat eine Energiedichte von 160 Wattstunden pro Kilogramm - und damit das Zeug dazu, den Akku-Markt zu revolutionieren. Experten zufolge sollte diese Energiedichte für einfache E-Autos mit kurzer bis mittlerer Reichweite reichen. Spätere Generationen sollten dann allerdings eine höhere Energiedichte liefern, um eine echte Alternative zu Lithium-Batterien bieten zu können, die heute bereits über eine Energiedichte von etwa 250 bis 300 Wattstunden pro Kilogramm verfügen.
Doch die Schweden müssen sich sputen, wollten sie den Chinesen auf dem aufstrebenden Markt der Natrium-Ionen-Batterien die Stirn bieten. Dem Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme zufolge stammen fast 90 Prozent der Patente im Zusammenhang mit der Natrium-Technologie aus China.