Konzern plant Strategiewechsel Wie Philip Morris rauchfrei werden will
Der Tabakkonzern Philip Morris kündigt an, in zehn Jahren keine Zigaretten mehr in Großbritannien verkaufen zu wollen - und investiert gleichzeitig im Gesundheitsmarkt. Was steckt dahinter?
Philip Morris war ein britischer Tabakhändler, der Mitte des 19. Jahrhunderts ein Geschäft in London eröffnete. Der Tabakkonzern Philip Morris will in Großbritannien in absehbarer Zeit aber keine Zigaretten mehr verkaufen. Innerhalb von zehn Jahren sollen die Glimmstängel aus den Verkaufsregalen verschwinden, damit käme auch für die Traditionsmarke Marlboro nach über hundert Jahren das Aus. Konzernchef Jacek Olczak spricht davon, dass der Konzern "das Rauchen hinter sich lassen" wolle, Olczaks Ziel lautet, "to unsmoke the world", also, die Welt rauchfrei zu machen.
Auf die Frage, warum der Konzern dann erst in zehn Jahren aus dem Zigarettenverkauf aussteigen will, sagte der Aufsichtsratschef von Philip Morris International, André Calantzopoulos in der BBC: "Schrittweise aus der Zigarettenproduktion auszusteigen und sie schließlich ganz einzustellen, ist das Ziel des Konzerns weltweit. Aber wir müssen hier pragmatisch sein", so der Chefkontrolleur. "Auf der einen Seite braucht es die richtigen Produkte für diejenigen, die mit dem Rauchen nicht aufhören. Das sind Produkte, bei denen nichts verbrannt wird, denn es ist die Verbrennung des Tabaks, die zu den Giftstoffen und zu den meisten Erkrankungen führt. Auf der anderen Seite muss die Regierung Maßnahmen ergreifen, mit denen diese Produkte von Zigaretten unterschieden werden und die die richtigen Anreize für Raucher schaffen, das Produkt zu wechseln."
"Rauchfrei" bis zum Jahr 2030?
Philip Morris, der zu den größten Tabakkonzernen der Welt zählt und im vergangenen Jahr weltweit einen Nettoumsatz von knapp 29 Milliarden US-Dollar erwirtschaftet hat, fordert die britische Regierung zum Handeln auf: So sollte der Verkauf von Zigaretten in zehn Jahren genauso verboten sein wie der von Autos mit Verbrennungsmotor. Philip Morris scheint die Flucht nach vorn anzutreten, denn abgesehen davon, dass der Zigarettenabsatz des Konzerns sinkt, hat die britische Regierung auch das Ziel ausgegeben, England bis 2030 "rauchfrei" zu machen. Philip Morris setzt offenbar darauf, dass entsprechende gesetzliche Vorgaben das Geschäft mit E-Zigaretten fördern, die der Aufsichtsratschef als gesündere Variante preist.
"Die beste Wahl ist natürlich, mit dem Rauchen nie anzufangen oder aber damit aufzuhören, aber es gibt Leute, die nicht aufhören", so Calantzopoulos. "Für sie sind nicht-brennbare Alternativen, die deutlich weniger giftig sind, der richtige Ansatz, und es wäre aus meiner Sicht die richtige Politik der Regierung."
Geschäft mit Inhalatoren
Weg von der Zigarette, das gilt auch für Philip Morris. In einem Video auf der Unternehmenswebsite sagt Konzernchef Olczak: "Unser Ziel für 2025 ist, dass 50 Prozent unseres Reingewinns von nicht-brennbaren Produkten stammen. Vor fünf Jahren lag dieser Wert bei null. Jetzt kündigt Philip Morris der Welt an, dass wir rauchfrei werden wollen."
Philip Morris will aber nicht nur der herkömmlichen Zigarette den Rücken kehren, sondern auch in das Gesundheits- und Medikamentengeschäft einsteigen. Das passiert aktuell bereits. Vor rund vier Wochen hatte Philip Morris angekündigt, Fertin Pharma zu kaufen, ein dänisches Unternehmen für Raucherentwöhnungstherapien, das Nikotinkaugummis herstellt. Kurz darauf folgte die Ankündigung, dass Philip Morris für 1,05 Milliarden Pfund auch den britischen Arzneimittelhersteller Vectura übernehmen will, der unter anderem Inhalatoren für die Verabreichung von Medikamenten gegen schwere Lungenkrankheiten produziert.
Auch hier gibt es also einen Raucherbezug, so direkt will der Aufsichtsratsvorsitzende von Philip Morris, Calantzopoulos, den Zusammenhang aber nicht sehen: "Wir haben angekündigt, dass wir uns den Bereich der Atemwegsmedikamente anschauen würden, nicht speziell in Verbindung mit Tabak, auch wenn das Unternehmen tatsächlich so etwas herstellt."
Scharfe Kritik
Das Vorgehen von Philip Morris hat zu starken Reaktionen geführt. Bob Blackman, ein konservativer Abgeordneter, der der parteiübergreifenden Arbeitsgruppe zum Thema "Rauchen und Gesundheit" vorsteht, hat dem Gesundheitsministerium geschrieben, dass der Vectura-Deal Philip Morris keine Türen in Regierungskreise öffnen dürfe. Und der Chef der Liberaldemokraten, Ed Davey, findet es befremdlich, dass der Tabakkonzern nun von Asthma und anderen Lungenkrankheiten profitieren will.
Massive Kritik kommt auch von Cancer Research UK, einer Wohltätigkeitsorganisation, die die Krebsforschung unterstützt. Vorstandsmitglied Ian Walker sagte, Tabakgiganten würden sich als Teil der Lösung präsentieren, gleichzeitig aber weltweit aggressive Werbung machen und den Verkauf von Zigaretten vorantreiben. Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht davon aus, dass durch das Rauchen - inklusive Passivrauchen - pro Jahr etwa acht Millionen Menschen sterben.