Staudammbruch vor fünf Jahren Was Betroffene dem TÜV Süd vorwerfen
Vor fünf Jahren brach in Brasilien ein Staudamm, 272 Menschen starben. Am Jahrestag der Katastrophe fordern Angehörige von Opfern erneut Schadenersatz vom TÜV Süd. Der Konzern trägt ihrer Ansicht nach eine Mitverantwortung.
Rund eine halbe Stunde dauert es, bis Angehörige die Namen aller 272 Menschen verlesen haben, die am 25. Januar 2019 bei der brasilianischen Stadt Brumadinho getötet wurden. Sie starben, als ein Damm brach, hinter dem Schlamm aus einer Erzmine des Konzerns Vale gestaut wurde.
Nur wenige Monate vor der Katastrophe hatte ein Tochterunternehmen des TÜV Süd bestätigt, der Damm sei stabil. Die Angehörigen sehen deshalb wesentliche Verantwortung für die Katastrophe auch bei dem Münchner Prüfkonzern. Drei Opfer-Angehörige brachten am fünften Jahrestag des Dammbruchs am Zaun der Firmenzentrale in München ein Banner an mit der Aufschrift "Take responsibilty now!" ("Übernehmen Sie endlich Verantwortung!").
Mehr als eine halbe Milliarde Euro Forderungen
Nach Angaben von Anwälten der Opfer-Angehörigen summiert sich die Summe der Schadenersatzforderungen auf mehr als 580 Millionen Euro. Zu Berichten, wonach der brasilianische Bergbau-Konzern Vale nach der Katastrophe bereits umgerechnet rund sechs Milliarden Euro gezahlt habe, sagte der Opfer-Anwalt Jan Spangenberg, davon sei nichts bei seinen Mandanten angekommen. Von den Geldern, über die immer wieder berichtet wurde, seien beispielsweise Infrastrukturprojekte finanziert worden, etwa eine große Umgehungsstraße.
Nach Spangenbergs Angaben haben sich inzwischen 1402 Kläger zusammengeschlossen, um vor Gericht Schadenersatz vom TÜV Süd einzufordern. Das Landgericht München hat im September 2021 über den Fall verhandelt. Seitdem zieht sich das Verfahren. Unter anderem ist noch nicht geklärt, ob brasilianisches Recht angewandt werden soll.
Kein Einlenken des TÜV Süd
Der Opfer-Anwalt Spangenberg betonte, seine Mandanten seien auch bereit, sich mit dem TÜV Süd außergerichtlich zu einigen. Der Konzern lehne eine solche Verständigung aber bislang ab, kritisierte der Anwalt.
Der TÜV Süd weist die Vorwürfe zurück. In einer Erklärung betont der Prüfkonzern, er trage "keine rechtliche Verantwortung für den Dammbruch". Die Bestätigungen, die ein brasilianisches Tochterunternehmen des TÜV Süd zur Stabilität des Dammes bei Brumadinho ausstellte, hätten brasilianischen Regelungen entsprochen. "Der Dammbruch in Brumadinho war ein schreckliches Unglück. Unser Mitgefühl ist bei den Opfern und ihren Familien", heißt es in einer Stellungnahme des TÜV Süd.
Strafanzeige von Misereor
Neben der Schadenersatzklage in München gibt es auch eine Strafanzeige gegen Vertreter des TÜV Süd. Das katholische Hilfswerk Misereor und das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) betonen, sie hätten bereits 2019 eine Anzeige eingereicht. Die Münchner Staatsanwaltschaft lasse aber nach fast fünf Jahren immer noch offen, ob sie Anklage erhebt, kritisieren die Organisationen.