Rolls-Royce Power Systems Droht ein Lieferengpass bei Panzermotoren?
"Leopard", "Marder" oder "Puma" - diese Panzer laufen mit MTU-Motoren, die Rolls-Royce Power Systems in Friedrichshafen baut. Doch kann der Hersteller auch eine Großbestellung schaffen?
Keine Panzer ohne Motoren, und die entstehen für etliche wichtige Modelle in den MTU-Werkshallen in Friedrichshafen am Bodensee. Wie genau produziert wird, ist Geheimsache - wie üblich im Rüstungsgeschäft. Fest steht: das Herstellen von Panzermotoren ist größtenteils Handarbeit und braucht viel Zeit. Wie viel genau, dazu macht das Unternehmen keine Angaben. Aus Firmenkreisen heißt es, der Bau des Motors für den "Leopard 2" sei besonders langwierig, mehr als acht pro Jahr seien im Moment nicht drin. Das heißt: Wollte man die 18 "Leopard 2" ersetzen, die Deutschland an die Ukraine liefert, dann würde allein das länger als zwei Jahre dauern.
"Mutterkonzern muss jede Stelle genehmigen"
Im Raum steht aber viel mehr als ein Auftrag über 18 Motoren. 100 Milliarden Euro Sondervermögen will die Bundesregierung in die Modernisierung der Bundeswehr investieren. Gut möglich, dass der Hersteller Rolls-Royce Power Systems (RRPS) - zu dem MTU gehört - mit einem Großauftrag rechnen kann. Der brächte zwar viel Geld; fraglich ist aber, wie schnell das Unternehmen die Produktion hochfahren könnte. Eine Herausforderung wäre das für jede andere Rüstungsschmiede auch. In Friedrichshafen aber herrscht zudem eine Sondersituation: RRPS kann Entscheidungen nicht selbständig treffen, weil es zum britischen Rolls-Royce-Konzern gehört.
"Wenn der Großauftrag kommt, stehen wir mit heruntergelassenen Hosen da", glaubt Thomas Bittelmeyer, der Betriebsratsvorsitzende bei RRPS. 450 neue Stellen will RRPS bis 2031 in der Rüstungsproduktion schaffen. Doch dieser Plan stocke, warnt Bittelmeyer. "Im Moment müssen wir uns jede Stelle beim britischen Mutterkonzern genehmigen lassen", berichtet er. "Selbst wenn es sich um einen Gabelstaplerfahrer handelt." Bittelmeyer schließt nicht aus, dass es sogar zu einem generellen Einstellungsstopp kommt.
Rolls-Royce als "brennende Plattform"
Dabei geht es dem deutschen Konzern-Ableger gut. RRPS produziert auch Antriebe für Schiffe, Schienenfahrzeuge und Industriemaschinen. Bei der Jahresbilanz heute berichten die Manager, dass es im Gesamtgeschäft so viele Aufträge gebe wie nie zuvor in der Firmengeschichte. MTU und die Panzermotoren-Produktion haben auch schon zum Daimler-Konzern (heute Mercedes-Benz Group) gehört.
Seit 2014 sind sie Teil des britischen Rolls-Royce-Konzerns. Und dessen Geschäft kam ins Trudeln, als infolge der Corona-Pandemie Fluglinien weniger Rolls-Royce-Triebwerke bestellten. Eine "brennende Plattform" sei Rolls-Royce, sagte Vorstandschef Tufan Erginbilgic im Januar. Zwar konnte der Konzern sein Ergebnis im Jahr 2022 wieder deutlich verbessern, doch er will weiter einen Sparkurs fahren.
Einstellungen gemäß Auftragslage?
"Wenn wir in Friedrichshafen mehr produzieren sollen, dann brauchen wir nicht nur mehr Personal, sondern auch zusätzliche Produktionsstätten", sagt Betriebsrat Bittelmeyer. Tatsächlich sei eher zu befürchten, dass die Zentrale in England Kapital aus Deutschland abzieht und anderswo im Konzern einsetzt. Die britische Konzernzentrale kommentiert das auf Anfrage nicht, beauftragt stattdessen einen Sprecher des deutschen Ablegers RRPS mit der Beantwortung. Der teilt mit, dass es keine Pläne gebe, Kapital von der deutschen Tochterfirma abzuziehen. Und Personal werde entsprechend der Auftragslage eingestellt.
Auch heute auf der Pressekonferenz zur Jahresbilanz von RRPS ist die mögliche Ausweitung der Panzermotoren-Produktion eines der bestimmenden Themen. Das Einstellen von neuen Mitarbeitern geschehe in enger Absprache mit der Konzernzentrale, heißt es dort. Aber das sei schon seit Längerem so. "Der Rolls-Royce-Konzern ist sicherlich in einer herausfordernden Situation", sagt der Vorsitzende des RRPS-Vorstandes Jörg Stratmann.
Er habe dennoch den Eindruck, dass man gut mit der Zentrale zusammenarbeite. "Insofern bin ich davon überzeugt, dass wir Unterstützung bekommen für diese Aufträge." Man könne schnell und flexibel reagieren, habe vorsorglich schon Material im Wert eines zweistelligen Millionenbetrags eingekauft und 40 Mitarbeiter eingestellt. Auch in die Erneuerung der Werke am Bodensee werde investiert.
Das Unternehmen wird zum Politikum
All das beruhigt Betriebsratschef Bittelmeyer nicht. "Investitionen in zusätzliche Produktionsstätten sind unwahrscheinlich, wenn es keinen politischen Druck gibt", ist er überzeugt. Und hat dabei den lokalen CDU-Bundestagsabgeordneten Volker Mayer-Lay an seiner Seite. "Das Sparprogramm von Rolls-Royce darf nicht hier am Bodensee greifen", warnt der. "Denn hier wird die Wehrhaftigkeit Europas entschieden."
Die Sache sei ein Politikum, keine rein unternehmerische Entscheidung. Mayer-Lay hat die britische Botschaft um ein Gespräch gebeten und die Bundesregierung aufgefordert, auf die britische Regierung einzuwirken. "Als NATO-Partner sollten die Briten ein Interesse daran haben, dass Deutschland diese Motoren in ausreichender Menge produzieren kann."
Börsengang als Ausweg?
Betriebsrat Bittelmeyer nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um das Management in der Konzernzentrale geht. "Blödsinn" sei es, wie das Management auf die Finanznot reagiere. Er hat einen Vorschlag, der Geld in die Konzernkasse bringen könnte: Rolls-Royce sollte den deutschen Teil des Konzerns an die Börse bringen. "Ich weiß, solche Vorschläge erwartet man von Betriebsräten eher nicht", sagt er schmunzelnd. Aber das sei immer noch besser als das, was sonst zu befürchten sei.
So sehr sich die Einschätzungen von Unternehmensleitung und Betriebsrat auch unterschieden, in einem Punkt sind sie sich einig: RRPS brauche jetzt Planungssicherheit, denn schließlich gebe es bisher noch keinen Auftrag der Bundesregierung. "Je schneller Klarheit da ist, desto besser wird es sein", mahnt der Vorstandsvorsitzende Stratmann. "Auch, um zur Wehrhaftigkeit unserer Demokratie beizutragen."