Die Sorgen der Unternehmer Steigende Kosten und Unsicherheit über die Zukunft
Jeder vierte Mittelständler denkt ans Aufgeben des eigenen Geschäftes. Bürokratie und hohe Steuerabgaben sehen Unternehmerinnen und Unternehmer als größtes Hindernis an. Das belastet auch die Gastronomie.
Von ihrem Münchner Lokal Rabenwirt aus hat Sibylla Abenteuer klare Sicht auf das Isartal. Fragt man sie danach, wie sie als Unternehmerin ihre Zukunft in Deutschland sieht, trübt sich das Bild ein. Sibylla Abenteuer ist unzufrieden. Und damit nicht allein. Eine aktuelle Umfrage des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft zeigt: Mehr als jeder vierte Mittelständler denkt übers Aufgeben nach. So weit will es Unternehmerin Abenteuer nicht kommen lassen.
Die Wirtin, die auch Gewerbeflächen verwaltet und vermietet, beschäftigt 22 Mitarbeitende. Durch Corona sei die Ausgangslage von Einbußen geprägt. Dazu kämen steigende Personalkosten, Waren seien teurer geworden, genau wie die Nebenkosten. Rechnungen für Reinigungsservice und Handwerkerleistungen fielen ebenfalls höher aus als früher. Diese Preissteigerungen konnte die Unternehmerin durch den verminderten Mehrwertsteuersatz auf den Lebensmittelverkauf zum Teil auffangen.
"Das Essen in der Gastronomie wird ein Luxus"
Noch bis Ende des Jahres soll die Mehrwertsteuer für die Gastronomie auf sieben Prozent reduziert bleiben. Was einst Entlastung in der Corona-Pandemie bringen sollte, könnte nächstes Jahr wieder auf 19 Prozent steigen - die Ampel-Koalition ist sich noch immer uneins über eine Verlängerung.
Sollte der Mehrwertsteuersatz wieder auf den ursprünglichen Wert steigen, ließe das auch die Steuerlast von Unternehmerin Abenteuer deutlich ansteigen. "Das Geld wird in allen Bereichen fehlen", so Abenteuer. "Über kurz oder lang wird das Essen im Restaurant teurer werden."
Die Unternehmerin rechnet es am Schnitzel vor. Vor Corona habe das Kalbsschnitzel knapp 25 Euro gekostet. Inzwischen liege der Preis bei 30 Euro und zum Jahreswechsel werde das Schnitzel dann 34 Euro kosten, wenn die Mehrwertsteuer wieder steigen sollte. "Das Essen in der Gastronomie wird ein Luxus. Wir werden irgendwann Schweizer Preise bekommen, wenn es so weiter geht", sagt Abenteuer.
Steuerentlastungen für Unternehmen
Die generelle Steuerlast in Deutschland wird von Unternehmen immer wieder in die Debatte eingebracht. Im Vergleich sind die Unternehmenssteuern hierzulande mit knapp 30 Prozent recht hoch. Linderung will Finanzminister Lindner mit seinem "Wachstumschancengesetz" schaffen.
Dabei soll die Wirtschaft jährlich um sechs Milliarden Euro entlastet werden. Zahlreiche steuerpolitische Maßnahmen sind geplant, im Kern soll eine Prämie Investitionen in den Klimaschutz fördern. Zusätzlich sollen etwa Verluste einfacher mit Gewinnen aus dem Vorjahr verrechnet werden können - das verringert dann die Steuerlast.
Bricht das "Rückgrat der deutschen Wirtschaft"?
Nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft Mittelstand, in der sich verschiedene Verbände organisiert haben, waren im Jahr 2021 rund 40 Millionen Personen im deutschen Mittelstand beschäftigt. Die Stimmung im "Rückgrat der deutschen Wirtschaft" ist offenbar nicht gut. Die Gründe dafür sind offenbar vielfältig. Am stärksten bei ihrer täglichen Arbeit eingeschränkt fühlen sich die befragten Unternehmerinnen und Unternehmer von bürokratischen Hürden, zu hohen Steuern und von fehlenden Fachkräften.
"Mehr als jedes zweite kleinere und mittlere Unternehmen in Deutschland kann freie Stellen langfristig nicht besetzen, weil qualifiziertes Personal fehlt", sagt Verbandsvorsitzender Jerger gegenüber tagesschau.de. "Was wir jetzt dringend brauchen, sind zeitgemäße Aus- und Weiterbildungskonzepte, um beispielsweise das Potenzial der Generation 50 Plus oder Geflüchteten und Zuwanderern zu heben."
Wunsch nach Planbarkeit
Der Verband hat allerdings auch positive Faktoren unter seinen mittelständischen Mitgliedern abgefragt, die der Wirtschaftsstandort Deutschland zu bieten habe. Am besten schneidet dabei die geografische Lage Deutschlands im Zentrum Europas ab - Infrastruktur und gut ausgebildetes Personal sind weitere Argumente für einen Standort hierzulande.
Ein weiterer Aspekt ist die politische Stabilität, die die befragten mittelständischen Unternehmerinnen und Unternehmer loben. Gleichzeitig ist aber auch der Wunsch nach mehr Planbarkeit bezüglich der Rahmenbedingungen vorhanden.
Attraktives Ausland
Markus Jerger, der Vorsitzende des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft, spricht angesichts dieser Umfrageergebnisse von einem Warnsignal. "Wenn heimatverbundene, tief verwurzelte Unternehmerinnen und Unternehmer über Geschäftsaufgabe nachdenken oder den Weggang ins Ausland in Erwägung ziehen, kann das niemanden kalt lassen", sagt Jerger.
Denn: Mehr als jeder fünfte Mittelständler erwägt offenbar eine Verlagerung des Geschäfts ins Ausland. Unternehmerin Abenteuer ist eine davon - sie möchte einen Laden in Zürich aufzumachen.