Mietpreise in Großstädten Wenn Wohnen zum Luxus wird
Wohnen in der Großstadt ist extrem teuer - viele Vermieter verlangen höhere Preise als zulässig. Um Mietern zu ihrem Recht zu verhelfen, unterstützt die Stadt Frankfurt am Main Betroffene.
Die erste eigene Wohnung: Für viele junge Leute ist sie ein wichtiger Schritt ins Erwachsenenleben. Doch gerade wer eine Ausbildung oder ein Studium in einer deutschen Großstadt beginnt, kann sich eine eigene Wohnung kaum leisten. So auch Manuel*: Für seine Ausbildung zog er nach der Schule nach Frankfurt am Main, in ein WG-Zimmer. Elf Quadratmeter für 330 Euro. Die gesamte Wohngemeinschaft zahlte für 70 Quadratmeter 1.100 Euro kalt - für eine Wohnung, die eigentlich renovierungsbedürftig gewesen wäre.
Für Studierende, Azubis und Geringverdienende sind solche Mietpreise in deutschen Metropolen bittere Realität - wenn sie denn überhaupt eine Wohnung finden. "Natürlich dachte ich, dass die Miete zu hoch ist", berichtet Manuel. Aber: "Ich dachte damals, das ist ja normal in Städten wie Frankfurt am Main, zum Glück habe ich überhaupt eine Wohnung gefunden."
Quadratmeterpreise über 15 Euro
Tatsächlich steigen in deutschen Großstädten die Mieten seit Jahren an: Lag der Preis pro Quadratmeter in Frankfurt am Main Anfang 2019 laut dem Immobilienmakler Engel & Völkers noch bei rund 15,99 Euro, verlangten Vermieter 2023 bereits rund 19,59 Euro pro Quadratmeter. Ähnlich ist die Entwicklung in Berlin: 2019 kostete der Quadratmeter noch rund 12,29 Euro, 2023 bereits 19,30 Euro.
In Ballungsräumen trifft dabei eine hohe Nachfrage auf ein geringes Angebot: "Wir haben schon seit vielen Jahren die Situation, dass die Wohnungen immer teurer werden und es immer schwieriger wird, eine Wohnung zu finden", so Rolf Janßen, Geschäftsführer vom Mieterschutzverein Frankfurt am Main. Das betreffe mittlerweile nicht nur Menschen mit geringem Einkommen, sondern auch die Mittelschicht.
Stadt Frankfurt geht gegen überhöhte Mieten vor
Dabei ist allgemein bekannt, was das Problem der hohen Mieten langfristig lösen würde: bauen. Allerdings wird in Deutschland immer weniger gebaut. In den ersten acht Monaten des laufenden Jahres sank die Zahl der Baugenehmigungen für Wohnungen laut dem Statistischen Bundesamt binnen Jahresfrist um 28,3 Prozent - ein Minus um 69.100 auf 175.500 Wohnungen.
2021 hatte die damals neu gewählte Bundesregierung noch angekündigt, jährlich 400.000 Wohnungen zu bauen. Bereits vor Monaten räumte Bauministerin Klara Geywitz jedoch ein, dass die Ampelkoalition dieses Ziel verfehlen wird. Ein steigendes Angebot, das die Mietpreise senken könnte, ist also nicht in Sicht.
Die Stadt Frankfurt will dennoch nicht tatenlos dabei zusehen, wie Vermieter immer weiter an der Preisschraube drehen. "Die Stadt Frankfurt bietet Mietern Unterstützung an, die eine zu hohe Miete zahlen", erklärt Tanja Pousche vom Amt für Wohnungswesen. Konkret heißt das, dass Mitarbeiter der Stadt Hinweise zu mutmaßlich überteuerten Mietpreisen prüfen. "Vermieter, die eine Miete verlangen, die 20 Prozent über der örtlichen Vergleichsmiete in Frankfurt liegt, handeln ordnungswidrig. Und dagegen gehen wir vor", erklärt Pousche. Grundlage hierfür ist Artikel fünf Wirtschaftsstrafgesetz.
Berechnung des qualifizierten Mietspiegels
Manuel stieß durch Zufall auf genau dieses Angebot der Stadt und begann, sich zu informieren. Auf der Internetseite des Amts für Wohnungswesen der Stadt konnte er berechnen, ob die Miete für seine Wohnung angemessen war. Das Ergebnis: Die Miete, die Manuel und seine Mitbewohner zahlten, lag weit über der örtlichen Vergleichsmiete.
Also nahm Manuel Kontakt zum Amt für Wohnungswesen auf und vereinbarte einen Beratungstermin. Rund ein halbes Jahr später kam ein Sachkundiger der Stadt, der die Wohnung vermaß, Fotos machte, vor allem von Boden, Bad, Küche und Fenster. Mit diesen Daten wurde der qualifizierte Mietspiegel für die Wohnung berechnet.
Der qualifizierte Mietspiegel wird auf der Grundlage von umfangreichen Daten erstellt. Anhand dieser Daten werden die ortsüblichen Vergleichsmieten für die entsprechende Wohnung ermittelt. Der einfache Mietspiegel wird in der Regel zwischen der Stadt, Vertretern der Vermieterverbände und Vertretern der Mieterverbände ausgehandelt. Da der qualifizierte Mietspiegel wissenschaftlich erstellt wird, ist er auch vor Gericht als antizipiertes Sachverständigengutachten etabliert.
Ausstattungsmerkmale beachten
Zwar können Mieter in der Regel kaum selbst den qualifizierten Mietspiegel für ihre Wohnung berechnen; allerdings können sie bereits recht leicht mit einem Blick in den Mietvertrag prüfen, ob ihre Miete zu hoch ist, erklärt Mieterschützer Janßen vom Mieterschutzverein in Frankfurt.
Denn für bestimmte Ausstattungsmerkmale kann der Vermieter Zuschläge erheben: "Ein einfaches Beispiel findet sich im Badezimmer. Hat man eine stehende Toilette, also ein älteres Modell, darf der Zuschlag nicht erhoben werden", erklärt der Experte und nennt weitere Merkmale wie die Ausstattung der Küche oder die verbauten Fenster.
Aufwand für den Mieter ist gering
Auch in Manuels Fall wurde so der qualifizierte Mietspiegel berechnet. Im Anschluss musste er noch einmal persönlich beim Wohnungsamt für eine Zeugenaussage erscheinen, den Rest übernahm die Stadt. Für Mieter wie Manuel ist das extrem komfortabel - er trägt weder die Kosten des Verfahrens, sollte es vor Gericht gehen, noch hat er den zeitlichen Aufwand, der normalerweise mit einem solchen Verfahren verbunden ist. Er musste als Hauptmieter der Wohnung lediglich alle nötigen Dokumente wie Mietvertrag und Kontoauszüge zur Verfügung stellen.
"Wenn wir feststellen, dass Mieter von zu hohen Mieten betroffen sind, haben wir unterschiedliche Möglichkeiten, gegen die Vermieter vorzugehen", erklärt Tanja Pousche vom Amt für Wohnungswesen. Zunächst weise man den Vermieter darauf hin, dass die verlangte Miete zu hoch ist - in der Regel reiche das schon aus und es komme zu einer gütlichen Einigung. "Sieht der Vermieter die Mietüberhöhung nicht ein, können wir ein Bußgeld verhängen", so Pousche. Reicht auch das nicht zur Einsicht, zieht die Stadt gegen den Vermieter vor Gericht.
12.000 Euro Rückzahlung
Welche Mittel die Stadt in Manuels Fall ergreifen musste, weiß der junge Mann selbst nicht. Er bekam vor einigen Wochen lediglich die Mitteilung, dass das Verfahren gegen seinen ehemaligen Vermieter erfolgreich war. Rund 12.000 Euro bekamen er und seine Mitbewohner an zu viel gezahlter Miete zurück - eine Erfolgsgeschichte, die leider noch selten genug ist.
Denn auch wenn bei der Stadt mittlerweile immer mehr Anzeigen eingehen, trauen sich viele Mieter nicht, gegen ihre Vermieter vorzugehen. Zu groß ist die Angst vor Konsequenzen, berichtet Mieterschützer Janßen: "Wir erleben leider immer wieder, dass Vermieter Eigenbedarf anmelden oder den Mieter das Leben so schwer machen, dass sie dann freiwillig die Wohnung verlassen." Auch Manuel ging nur gegen seinen ehemaligen Vermieter vor, weil er zum Zeitpunkt der Klage bereits seinen Auszug plante.
*Name von der Redaktion geändert