Kundinnen stehen an der Plauderkasse an.
reportage

"Plauderkasse" im Supermarkt Ruhig getratscht statt schnell gescannt

Stand: 25.05.2024 17:19 Uhr

Entschleunigung im Supermarkt: Ein Edeka am Niederrhein lädt Kunden ganz bewusst zu einem Schwätzchen an der Kasse ein. Andere Einzelhandelsketten dagegen drücken aufs Tempo.

Wer es bei einem Einkauf in einer Edeka-Filiale in Kempen eilig hat, sollte ganz genau darauf achten, wo er sich anstellt. An zwei Vormittagen öffnet sich jede Woche die "Plauderkasse". Im Gegensatz zu anderen Supermärkten geht es hier bewusst langsam zu.

An der Kasse sitzt Vanessa Schweren, die sich bei jedem Kunden die Zeit für ein Gespräch nimmt - wenn denn der Wunsch danach besteht: "Eigentlich reden die über alles. Über alles, was sie auf dem Herzen haben. Über den Laden, über den Tag, über alles."

Die Plauderkasse soll entschleunigen. Gerade bei der älteren Kundschaft kommt das gut an. Ein 80-jähriger Kunde ist froh, in Ruhe bezahlen zu können, ohne Hektik. "Wenn zwei Leute vor einem stehen, dann fragen die schon, ob die dritte Kasse nicht mal geöffnet werden kann", schildert er seine Erfahrung. So habe man mehr Ruhe beim Einkauf.

Normalerweise eine Stresssituation

Die Kassen mit Überholspur sind direkt nebenan. Beides habe seine Berechtigung, meint Marktleiter Benedikt Steves. "An der Kasse ist die größte Stresssituation, aber um da etwas den Druck rauszunehmen oder auch etwas Soziales zu tun, dass man soziale Kontakte hat, haben wir diese Plauderkasse erfunden. Ich glaube, die Kunden sind ganz glücklich damit", so Steves.

Eine ältere Dame an der Kasse bestätigt das: "Wir sind in dem Alter, wo man auch Bedarf hat zu plaudern. Wir sprechen über das Wetter oder das, was teurer geworden ist, oder auch mal etwas Privates", sagt sie mit einem Lächeln.

Die Idee kommt aus den Niederlanden

Das Konzept der Plauderkasse ist nicht neu. Schon vor fünf Jahren hatte sich eine niederländische Supermarktkette dazu entschlossen, Kundinnen und Kunden den Stress beim Bezahlen zu nehmen. "Kletskassa" nennt sich das dort.

Katja Klein von der Seniorenberatung der Stadt Kempen war überzeugt, dass das auch hierzulande funktioniert und hatte die Idee, es einmal auszuprobieren. "Wir erleben in Beratungsgesprächen, dass viele Menschen - vor allem Ältere - das Gefühl von Einsamkeit haben. Da ist der Einkauf die einzige Möglichkeit, Kontakt aufnehmen zu können und Gespräche zu führen", so Klein.

Das Gegenkonzept: "Doppelkassen" bei Aldi

Das komplette Gegenteil passiert gerade bei Aldi. Der Discounter testet sogenannte Doppelkassen. Die Kassiererin oder der Kassierer arbeitet den ersten Kunden ganz normal ab. Während dieser einlädt und am EC-Terminal bezahlt, laufen schon die Waren des nächsten Kunden über den Scanner. Diese landen dann in einem zweiten Fach.

Für die Kunden geht es dadurch schneller, aber für die Mitarbeiter steigt der Stress. Mohammed Rifi, Gesamtbetriebsratsvorsitzender von Aldi Süd in Langenfeld, ist überzeugt, dass die neuen Kassen die Arbeit der Belegschaft komplett verändern.

Keine Verschnaufpause mehr

"Das, was die Mitarbeiter heute leisten müssen, hat nichts mehr mit einer einfachen Kassiertätigkeit zu tun", so Rifi. "Der Mitarbeiter hat nicht mehr diese kurze Verschnaufpause, kurz was zu trinken, kurz mal durchzuatmen während der EC-Kartenzahlung oder während der Kunde noch seine Sachen in den Einkaufswagen packt bei einem großen Einkauf. Das ist alles weggefallen. Man ist halt pausenlos nur noch am arbeiten."

Er fordert deshalb mehr Pausen und ein höheres Gehalt. Aldi Süd antwortet auf Anfrage des WDR zur körperlichen und psychischen Belastung, man sei im ständigen Austausch mit dem Personal und beziehe es aktiv mit ein.

"Schöne Momente" auch für Kassiererin

Ganz schnell oder ganz gemütlich: Was am Ende dem Händler mehr bringt, ist fraglich. An der Plauderkasse in Kempen geht Marktleiter Steves davon aus, dass die neu entdeckte Langsamkeit gut für das Geschäft ist. "Am Ende des Tages ist ja schon das Ziel, dass man sich hier wohlfühlt. Und das wollen wir eigentlich damit ein bisschen in den Mittelpunkt rücken. Dass wir nicht der Discounter sind und auch nicht der Paketbote, der keine Zeit hat, sondern dass man hier entspannt einkaufen kann und auch Leute treffen und eine Runde quatschen", so Steves.

Kassiererin Schweren berichtet jedenfalls von regelmäßigen Erlebnissen, die ihren Tag schöner machen. "Die schönsten Momente sind wirklich, wenn vielleicht Familien oder schwangere Frauen kommen und mit einem Kind einkaufen. Oder wenn sich Kunden über irgendwas Tolles freuen, das ihnen an dem Tag passiert ist, und das erzählen die dann einfach. Ja, das sind dann schöne Momente."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete der WDR am 21. Februar 2024 um 19:30 Uhr in der Sendung "Lokalzeit Düsseldorf".