Firma wegen Brexit aufgelöst Mr Kelly will den Neustart in Deutschland
"Die Kosten gingen durch die Decke": Für den britischen Unternehmer Kelly war der Brexit ein Schlag - er bedeutete das Aus für seine Firma. Jetzt fängt er mit 62 noch einmal neu an - in Deutschland.
Am Montagmorgen ist der Moment des Abschiednehmens gekommen. Ein Nachbar ist extra noch an die Haustür gekommen, um Mike Kelly alles Gute zu wünschen. Kelly kehrt England an diesem Tag, dem 30. Januar, den Rücken.
"Die Kosten sind durch die Decke gegangen"
Der Diplomingenieur war als Inhaber der Firma Focus Metals Ltd bisher sein eigener Chef. Er hat unter anderem für vier deutsche Unternehmen Geschäfte in Großbritannien, den USA und Mexiko abgewickelt, hat mit kleinen Rohren und feinsten Röhrchen gehandelt, wie sie zur Herstellung medizinischer Geräte, in der Autoproduktion und der Luft- und Raumfahrt benötigt werden.
Der Brexit war für den Briten ein echter Schlag. "Für mich hat er bedeutet, dass die Kosten wirklich durch die Decke gegangen sind", sagt Kelly. Das Versenden eines Pakets, das früher 70 Euro gekostet habe, koste nun zum Beispiel über 400 Euro. Die Logistikunternehmen ließen sich den administrativen Aufwand bezahlen, dann kämen noch Gebühren obendrauf. "Das nennt sich Brexit-Zuschlag".
Der Umsatz ging zurück
Gleichzeitig hat Kelly Aufträge verloren. Der Brexit habe ihn zehn bis 15 Prozent seines Umsatzes gekostet, sagt er. Einbußen, die er nicht wettmachen konnte, weil viele Unternehmen ihr Geschäft in die EU verlagert haben.
Die Lieferketten funktionierten durch den Brexit nicht mehr und Kellys Handel infolge dessen auch nicht. Seine eigenen Geschäfte liefen so schlecht, dass er nebenbei in Supermärkten jobben musste. An drei Tagen pro Woche - auch an Wochenenden - hat er bei Marks & Spencer und Sainsbury’s bis in die Nacht hinein Regale aufgefüllt. "Das sollte mich über den Brexit-Schock bringen," sagt er.
Folgen werden erst jetzt richtig spürbar
Doch diesen Kampf hat er verloren. Mittlerweile ist nicht nur seine Firma am Ende, sondern auch seine Ehe. Die Zusatzbelastung, die der Brexit mit sich gebracht hat, war für das Paar zu viel. Jetzt steht die Scheidung an, das Haus wird verkauft, die Firma Focus Metals abgewickelt.
Kelly fürchtet, dass es noch anderen so ergehen wird wie ihm. "Mit der Pandemie, in der jeder 80 Prozent seines Gehalts als Kurzarbeitergeld bekommen hat, hat der Brexit Großbritannien gar nicht wirklich getroffen", ist er überzeugt. Jetzt erst würden die Folgen richtig spürbar.
Wie viele Unternehmen durch den Brexit bisher pleite gegangen sind, kann die britische Handelskammer nicht sagen. Einer Erhebung zufolge treiben aber 61 Prozent der befragten Unternehmen weniger oder sogar deutlich weniger Handel mit der Europäischen Union, 14 Prozent haben den Handel mit der EU ganz eingestellt.
Neuer Job, bald neuer Pass
Mit seinen 62 Jahren bricht Kelly nun auf in ein neues Leben. Es geht nach Deutschland. Er wird Vertriebsleiter beim Mittelständler Eugen Geyer, für den er in der Vergangenheit schon tätig war. Morgen ist sein erster Arbeitstag. Demnächst will er auch einen deutschen Pass beantragen. Da er eine deutsche Mutter hat, dürfte das kein Problem sein.
Die letzten Jahre vor der Rente hatte sich Mike Kelly ganz anders vorgestellt. Trotzdem ist er dankbar, noch Arbeit zu finden. Und nach all dem, was für ihn in England scheiterte, will er auch einen echten Neuanfang.