Immobilienkrise spitzt sich zu Chinas Kampf gegen eine schwache Wirtschaft
Die chinesische Regierung will die Konjunktur mit Zinssenkungen ankurbeln. Doch das große Sorgenkind bleibt die Immobilienbranche. Zieht die Krise weitere Kreise, könnten deutsche Unternehmen die Verlierer sein.
Während im chinesischen Fernsehen staatliche Werbespots das Bild einer vielversprechenden Zukunft zeichnen und Chinas Weg vom sozialen Aufstieg bebildern, trübt sich die Lage der chinesischen Wirtschaft immer mehr ein. Die Wirtschaftsleistung hat sich im vergangenen Quartal deutlich abgeschwächt, die Exporte sind eingebrochen und der Konsum leidet. Viele Chinesen sparen lieber, als dass sie ihr Geld ausgeben. Das selbstgesteckte Wachstumsziel von fünf Prozent im laufenden Jahr dürfte China verfehlen, glauben Experten.
Besonders kritisch ist die Lage auf dem Immobilienmarkt. Zum Symbol für die hochverschuldete Branche ist der Immobilienkonzern Evergrande geworden. Der chinesische Baukonzern steckt in einer tiefen Krise, weil er Schulden in Höhe von rund 300 Milliarden Dollar angehäuft hat, die er nicht mehr bedienen kann. Deshalb beantragte der Konzern in den USA Gläubigerschutz.
Es droht die Insolvenz
Verschärft hat sich zuletzt auch die finanzielle Lage beim Immobilienentwickler Country Garden. An der Börse galt er lange Zeit als solide. Doch jetzt hat Country Garden bestimmte Dollar-Zinszahlungen nicht mehr geleistet. Knapp drei Wochen bleiben, dann droht die Zahlungsunfähigkeit. Bei Investoren ist das Vertrauen verspielt, weshalb der Aktienkurs zuletzt abstürzte.
"Wir sehen, dass einige der großen Immobilienfirmen ohne die politische Unterstützung, die es früher gab, erheblich ins Straucheln geraten sind", sagt Doris Fischer, Expertin für die chinesische Wirtschaft an der Universität Würzburg. Und das setze sich aktuell immer weiter fort: Selbst Unternehmen aus der zweiten Reihe teilten ihren Mitarbeitern nun mit, dass sie ihnen keine Löhne mehr zahlen können, so Fischer.
Kredite sollen billiger werden
Die chinesische Führung versucht unterdessen, die nervöse Investoren zu beruhigen. Die Schuldenprobleme, auch die der Lokal-Regierungen, werde man lösen, teilte etwa die chinesische Zentralbank mit. Banken wurden zum Beispiel angewiesen, ihre Kreditvolumen zu erhöhen. Außerdem senkte vergangene Woche die chinesische Notenbank ein weiteres Mal ihre Leitzinsen.
Große Banken zogen jetzt nach und senkten ebenfalls ihren Referenzzinssatz für einjährige Kredite. Die Hoffnung ist, dass so Unternehmen wieder mehr investieren und dadurch die Konjunktur wieder an Fahrt aufnimmt. Finanzexperten hatten sich ein entschiedeneres Handeln der Notenbank erhofft, auch bei den für Immobilienkrediten so wichtigen fünfjährigen Darlehen. Dieser Zinssatz wurde allerdings nicht gesenkt.
Großer Einfluss des Staates
Die Sorge ist groß, dass sich die Krise am Immobilienmarkt auf den Finanzmarkt ausweiten könnte - wie bei der Finanzkrise 2008. Laut der Nachrichtenagentur Bloomberg halten auch ausländische Finanzgrößen wie Blackrock oder Allianz Anleihen am strauchelnden Immobilienkonzern Country Garden.
Einen "Lehman-Moment" wie 2008 befürchtet Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, allerdings nicht - die US-Immobilienbank kollabierte damals, was Banken weltweit in die Krise stürzte. "Der Einfluss des chinesischen Staates gerade in der Finanzindustrie ist riesig", so Krämer. Die Regierung versuche jetzt, langsam die Luft aus der Immobilienblase herauszulassen.
Hinzu kommt, dass die chinesische Regierung vermeiden möchte, angeschlagenen Unternehmen mit Finanzspritzen zu helfen. Die Regierung wisse, dass sie Anreize für weitere Übertreibungen schaffe, wenn sie jetzt viele Akteure aus der Krise hole, sagt Krämer.
Für Experten wird es unterdessen immer schwieriger, die aktuelle Lage in China richtig einzuschätzen. Ein Beispiel dafür ist die Jugendarbeitslosigkeit. Im Juni waren nach offiziellen Angaben mehr als 20 Prozent der 16 bis 24-Jährigen in den Städten ohne Job. Die chinesische Statistikbehörde hat seit Juli jedoch keine neuen Zahlen mehr veröffentlicht.
DAX-Konzerne leiden unter schwacher Wirtschaft
Sorgen wegen China machen sich auch immer mehr deutsche Unternehmen. Die deutsche und die chinesische Wirtschaft sind stark verflochten. Viele DAX-Konzerne sind abhängig von den Exporten nach China. Seit vielen Jahren ist China größter Handelspartner Deutschlands. "Sieben Prozent aller Exporte gehen nach China", sagt Felix Hüfner, Chefvolkswirt der UBS Bank. "Für die Industrie in Deutschland ist das ein enormer Gegenwind." Er weist darauf hin, dass man bereits am ifo-Index zum deutschen Geschäfsklima oder dem Einkaufsmangerindex eine Abschwächung sehe.
Das schwächelnde China-Geschäft sei darum "auch mit ein Faktor, warum das deutsche Wachstum im Moment so schwach ist", so Hüfner. Schnell lösen lassen sich die Wirtschaftsprobleme in China jedenfalls nicht, weshalb viele Experten davon ausgehen, dass in den kommenden Monaten die Nachfrage nach deutschen Exportgütern schwach bleiben dürfte.