Studie des Europäischen Patentamts Deutschland bei Erfinderinnen weit hinten
Die Beteiligung von Frauen an Erfindungen ist in Europa in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen. Dennoch bleiben die Patentanmeldungen deutlich männerdominiert. Deutschland schneidet im Vergleich besonders schlecht ab.
Der Anteil von Frauen unter Erfindern ist in Europa weiterhin sehr niedrig. Weniger als ein Siebtel jener, die zwischen 2010 und 2019 an einer Anmeldung beim Europäischen Patentamt (EPA) beteiligt waren, sind Frauen. Das geht aus einer Studie der Münchner Behörde hervor. Dabei gehört Deutschland mit einer Quote von zehn Prozent zu den europäischen Schlusslichtern - europaweit sind es 13,2 Prozent. Hinter Deutschland liegen nur Österreich (8,0) und Liechtenstein (9,6 Prozent).
Deutlich stärker vertreten sind Frauen unter anderem in Lettland. Hier liegt der Anteil bei 30,6 Prozent. Es folgen Portugal (26,8 Prozent), Kroatien (25,8) und Spanien (23,2). Auch Frankreich mit 16,6 Prozent liegt klar vor Deutschland. International lassen unter anderem China mit 26,8 Prozent und Südkorea mit 28,3 Prozent die Bundesrepublik weit hinter sich. Auch die USA schneiden mit 15 Prozent besser ab. Nur Japan liegt in der Gruppe der Länder mit den höchsten Patentaufkommen mit 9,5 Prozent knapp dahinter.
Frauen im Nordosten an mehr Erfindungen beteiligt
Im innerdeutschen Vergleich gibt es laut EPA ein klares Nord-Süd-Gefälle: In Baden-Württemberg (7,5 Prozent) und Bayern (8,0) ist der Anteil von Erfinderinnen am niedrigsten, in Mecklenburg-Vorpommern (16,5) und Hamburg (16,4) am höchsten.
EPA-Forscher Ilja Rudyk verweist hier zur Erklärung auf die Konzentration des Maschinenbaus und der Elektrotechnik in Süddeutschland. Zudem kämen aus den beiden südlichen Bundesländern insgesamt die meisten Patente. "Dazu kommt noch, dass Bundesländer wie Hamburg und Berlin einen großen Anteil and Patentanmeldungen von Universitäten und Forschungseinrichtungen aufweisen."
Technologiemix offenbar entscheidend
"Obwohl Deutschland das Land mit den meisten eingereichten Patentanmeldungen in Europa ist, zeigt unsere Studie, dass die Erfinderinnenquote besonders gering ist", sagte Rudyk der Nachrichtenagentur AFP.
Zum schwachen deutschen Abschneiden trage auch hier der Technologiemix bei: In der Bundesrepublik liege er stärker auf Maschinenbau und Elektrotechnik. Diese beiden Bereiche haben mit europaweit 5,2 beziehungsweise 7,3 Prozent deutlich unterdurchschnittliche Frauenanteile bei den Patentanmeldungen.
In Spanien und Portugal hingegen, wo rund ein Viertel der Erfinder von Patenten Frauen sind, seien Chemie und Pharmazie vorherrschend. In diesen Bereichen ist der Anteil der Erfinderinnen am höchsten. "Doch auch wenn man diese Aspekte berücksichtigt, bleibt die Lücke zu anderen europäischen Ländern bestehen."
Höherer Anteil in der akademischen Forschung
Zudem haben in Deutschland Privatunternehmen einen überdurchschnittlichen Anteil an den Patentanmeldungen - bei ihnen ist der Frauenanteil allerdings niedriger als bei Hochschulen und öffentlichen Einrichtungen. "Das hängt damit zusammen, dass sich akademische Forschung häufig in jenen technologischen Sparten abspielt, in denen viele Frauen unterwegs sind, wie zum Beispiel Chemie, Biotechnologie und Arzneimittel", sagte Rudyk. "Außerdem scheinen Frauen eine Präferenz zu haben, in öffentlichen Einrichtungen zu arbeiten."
Selbst die Hochschulen und öffentlichen Einrichtungen in Deutschland schneiden jedoch unterdurchschnittlich ab: Liegt der Frauenanteil an den Erfindern bei ihnen europaweit bei 19,4 Prozent, sind es in Deutschland nur 13,7 Prozent.
"Zunehmende Hindernisse mit jeder Laufbahnstufe"
Das EPA untersuchte die Patentanmeldungen zwischen 1978 und 2019. Der Frauenanteil ist in dieser Zeit kräftig gestiegen - Ende der 1970er-Jahre lag er noch bei zwei Prozent. Es bleibe aber "ein starkes geschlechterspezifisches Gefälle", erklärte das Patentamt. "Der Anteil der Erfinderinnen liegt auch weit unter jenem der Forscherinnen und Absolventinnen der Natur- und Ingenieurwissenschaften."
Die Studie zeige Lücken, die geschlossen werden müssten, "um das volle Potenzial von Erfinderinnen in Europa auszuschöpfen", sagte EPA-Präsident António Campinos. "Wenngleich in den letzten Jahrzehnten einige Fortschritte erzielt worden sind, muss noch mehr getan werden, um die Teilhabe von Frauen im Patentbereich zu stärken." Die Förderung von Frauen bei Wissenschaft und Innovation sei eine große Herausforderung für Europa und ein Schlüsselfaktor für die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit.
Vorschläge, den Missstand zu ändern, macht die Studie des EPA nicht. Das Patentamt erklärte, die Ergebnisse wiesen auf eine sogenannte Leaking-Pipeline hin: Bei den Beschäftigten insgesamt in Deutschland sei der Frauenanteil noch sehr hoch, auch bei Promovierten in den naturwissenschaftlichen Fächern und Beschäftigten in Forschung und Entwicklung. Der niedrige Erfinderinnenanteil nicht nur in Deutschland zeige, dass Frauen "mit jeder Laufbahnstufe" in naturwissenschaftlichen Berufen "auf zunehmende Hindernisse stoßen".