Goldbarren aus Russland
analyse

Russisches Gold Wirkung eines Gold-Embargos zweifelhaft

Stand: 29.06.2022 13:16 Uhr

Russland ist einer der weltweit größten Goldproduzenten. Doch würde ein Importstopp für russisches Gold die Regierung in Moskau überhaupt treffen? Experten sind skeptisch.

Eine Analyse von Angela Göpfert, ARD-Finanzredaktion

Kommt nach dem Kohle- und Öl- nun auch das Gold-Embargo gegen Russland? Ginge es nach dem Willen der USA, wäre ein Importstopp für russisches Gold bereits mit dem Abschluss des G7-Gipfels in trockenen Tüchern gewesen. Doch soweit sollte es nicht kommen: die EU-Staaten Deutschland, Frankreich und Italien hielten sich zurück. Schließlich müssen sie mögliche neue Sanktionen gegen Russland mit den übrigen 24 Mitgliedsländern der Europäischen Union abstimmen.

Russland ist zweitgrößter Goldproduzent

Damit ist ein mögliches Gold-Embargo der G7 unter Beteiligung der EU gegen Russland aber nicht vom Tisch - im Gegenteil. Zu überzeugend ist die Argumentation der Befürworter. Die Regierung in Moskau von dieser Einnahmequelle abzuschneiden, sei bedeutsam, unterstrich etwa US-Außenminister Anthony Blinken in einem Interview mit dem Sender CNN.

Tatsächlich rangiert Russland in der Liste der weltweit größten Goldproduzenten an zweiter Stelle. Laut Daten des World Gold Council förderte Russland im vergangenen Jahr 331 Tonnen Gold. Nur die Minen in China lieferten mit 332 Tonnen noch etwas mehr.

Russland nicht unter den Top-5-Gold-Exportnationen

Fakt ist aber auch: Unter den ganz großen Gold-Exportnationen sucht man Russland vergebens: 2021 exportierte Russland laut dem Statistikportal WorldsTopExports.com den Gegenwert von 17,4 Milliarden Dollar an Gold. Damit landete das Land weltweit nur auf Platz sieben.

Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum betrugen die russischen Erlöse aus der Ausfuhr von Erdöl, Mineralölprodukten und Erdgas rund 241 Milliarden Dollar. Allein seit Beginn des Kriegs gegen die Ukraine spülten Energieexporte bis Anfang Juni rund 93 Milliarden Dollar in die russischen Kassen.

Im Gegensatz zu Öl und Gas spielt das gelbe Edelmetall als Exportgut und damit als Deviseneinnahmequelle für den russischen Staat somit eine eher untergeordnete Rolle. Nur ein geringer Teil der russischen Goldproduktion dürfte in den Westen gegangen sein, betont denn auch Commerzbank-Rohstoff-Experte Carsten Fritsch. "Der Großteil verbleibt ohnehin im eigenen Land."

Ausweichmanöver in Richtung China und Indien?

Im Falle eines Gold-Embargos westlicher Nationen könnte Russland zudem Experten zufolge problemlos auf andere, weiterhin offene Handelswege ausweichen. Die wegbrechende Nachfrage aus dem Westen könnte von anderen Ländern ausgeglichen werden.

Russland stünde weiterhin der Weg offen, seine Goldexporte zum Beispiel nach China, Indien und in die Türkei umzulenken, die dann wiederum die weltweite Goldnachfrage bedienten, erklärt Thorsten Polleit, Chefökonom der Degussa Goldhandel. "So gesehen ist es mehr als fraglich, ob der Goldimportboykott Russland überhaupt den von Seiten des Westens erwünschten finanziellen Schaden zufügen kann."

Gold-Embargo hätte vor allem symbolischen Charakter

Hinzu kommt: Die London Bullion Market Association (LBMA) hatte Gold aus Russland bereits im März vom Handelsplatz in London verbannt. Damit ist für Russland der wichtigste Handelsplatz für Gold schon vor Monaten weggebrochen. In London werden 90 Prozent der weltweiten Goldjahresproduktion gehandelt.

"Ein Importstopp der G7 dürfte daher nur ein symbolischer Akt sein", ist Rohstoffexporte Fritsch überzeugt. Dieser Meinung ist auch York Tetzlaff, Geschäftsführer des Branchenverbandes Fachvereinigung Edelmetalle: Ein solcher Schritt hätte "vor allem politisch-symbolischen Charakter". Russland sei bereits faktisch vom Weltmarkt abgeschnitten.

Geteilter Goldmarkt als Zukunftsszenario?

Besonders bemerkenswert: Die LBMA-Entscheidung im März hatte zu keinen sichtbaren Störungen für das Handels- und Preisgeschehen auf dem Goldmarkt gesorgt. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund dürften die Auswirkungen eines möglichen westlichen Importstopps für russisches Gold auf den Goldpreis arg begrenzt sein.

Denkbar sei allerdings, so Gold-Experte Polleit, dass analog zum Öl auch für Gold ein fragmentierter, sprich: geteilter Markt entstehen könnte. Russisches Gold könnte künftig - ähnlich wie russisches Öl - womöglich mit einem Abschlag gegenüber dem Weltmarktpreis gehandelt werden.

Realzinsen bleiben wichtigster Faktor für den Goldpreis

Rohstoffkenner sind sich einig: Ein nachhaltiger Effekt auf den Gold-Marktpreis dürfte von einem Gold-Embargo gegen Russland nicht ausgehen. Wesentlich wichtiger für den Goldpreis bleibt die Entwicklung von Inflation und Zinsen.

Relevant für den Goldpreis ist dabei der sogenannte Realzins, also der Nominalzins abzüglich der Inflationsrate. Dabei dürften die derzeit hohen Inflationsraten den Erwartungen von Analysten und Ökonomen zufolge im Laufe des Jahres zurückgehen.

Zugleich dürften die Notenbanken die Leitzinsen erhöhen. Laut dem Fed Watch Tool der CME Group dürfte der US-Leitzins im Dezember bei etwa 3,5 Prozent liegen. Die logische Folge: der Realzins steigt. Ein steigender Realzins aber macht Gold für Anleger weniger attraktiv, wirft das gelbe Edelmetall selbst doch keine Zinsen ab.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 27. Juni 2022 um 13:39 Uhr.