Türkische Währung Lira fällt vor Stichwahl auf Rekordtief
Knapp zwei Tage vor der Stichwahl in der Türkei erreicht die Lira ein Tief. Der Kursverfall der Landeswährung spiegelt die Erwartungen an Präsident Erdogan wider und verschärft die Inflation weiter.
Kurz vor der entscheidenden Stichwahl um das Präsidentenamt in der Türkei am kommenden Wochenende sinkt die Landeswährung Lira auf einen Tiefpunkt. Gleichzeitig steigt der Dollar und ist heute mit 20,1166 Lira zeitweise so teuer wie nie.
Die aktuelle Entwicklung spiegelt die Erwartungen der Devisenmarktteilnehmer wider, dass sich der amtierende Präsident Recep Tayyip Erdogan bei der Stichwahl durchsetzen wird. Bei den Wahlen am 14. Mai hatte er knapp die absolute Mehrheit verfehlt.
"Sofern es nicht erneut zu einer faustdicken Überraschung kommt, wird Erdogans Herrschaft samt der unorthodoxen und als türkisches Wirtschaftsmodell bezeichneten Politik wohl weitergehen", kommentiert Commerzbank-Analyst Tatha Ghose.
Türkische Notenbank lässt Leitzins unberührt
Der jüngste Kursverfall der Lira reiht sich in eine lange Reihe von Kursverlusten ein: In den letzten fünf Jahren hat die Lira gegenüber dem Dollar fast 80 Prozent an Wert verloren.
Das wiederum verschärft das Inflationsproblem, da die Türkei viele Waren und Rohstoffe importieren muss, die durch die schwache Lira teurer werden. Im vergangenen Jahr stieg die Inflationsrate auf 85 Prozent an und liegt derzeit bei knapp 44 Prozent. Das belastet die Kaufkraft der türkischen Bevölkerung.
Zinspolitik entgegen der gängigen Lehre
Eigentlich wären nach gängiger ökonomischer Lehrmeinung deutliche Zinserhöhungen angesagt, um die wirtschaftliche Aktivität abzukühlen und die Teuerung unter Kontrolle zu bringen. Die türkische Zentralbank hat in dieser Woche beschlossen, den Leitzins unverändert bei 8,5 Prozent zu belassen. Diese Entscheidung entsprach weitgehend den Erwartungen der Volkswirte.
In der Mitteilung der Notenbank zur Zinsentscheidung heißt es, dass sich die Kerninflation - also die Teuerung ohne schwankungsanfällige Preise für Energie und Nahrungsmittel - weiter verbessert habe. Zudem werde die Notenbank die Auswirkungen des Erdbebens auf die Preisentwicklung genau beobachten. Anfang Februar hatte ein Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet zahlreiche Todesopfer gefordert. Zuletzt hatte die Notenbank im Februar den Leitzins um 0,50 Prozentpunkte gesenkt, um damit Konjunktur und Beschäftigung zu stützen.
Innerhalb der Regierung gibt es allerdings Stimmen, die auf eine Änderung des wirtschaftspolitisches Kurses dringen. "Sie untersuchen ein neues Wirtschaftsmodell, da das bestehende Modell nicht aufrechterhalten werden kann", sagte ein hochrangiger Regierungsvertreter, der anonym bleiben wollte, der Nachrichtenagentur Reuters. "Im Grunde würde es den Zinssatz schrittweise erhöhen."
Golfstaaten stützen Türkei vorübergehend mit Kapital
Die Türkei ist nach den Worten von Präsident Erdogan vorübergehend mit Kapital aus den Golfstaaten gestützt worden. Die Länder hätten damit die türkische Zentralbank und die Finanzmärkte entlastet, sagte Erdogan gestern in einem Interview mit dem Sender CNN Türkei. "Unsere Wirtschaft sowie das Banken- und Finanzsystem sind ziemlich stark. Einstweilen haben einige Golfstaaten Geld in unser System gesteckt - auch wenn es nur für eine kurze Zeit ist".
Nach der Stichwahl am 28. Mai wolle er sich bei den Geldgebern bedanken. Erdogan nannte keine Länder oder Summen. Die Türkei hat in den vergangenen Jahren bereits Swap-Verträge mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, China, Qatar und Südkorea im Umfang von etwa 28 Milliarden Dollar abgeschlossen.