Social-Media-Hype Wie gefährlich ist die Achatschnecke wirklich?
Die Achatschnecke boomt als Haustier, in den sozialen Medien kriecht sie über das ein oder andere Gesicht. Eine Schweizer Studie warnt vor der Übertragung von Krankheiten - ist allerdings selbst nicht ganz unumstritten.
Hunde und Katzen sind nach wie vor mit Abstand der Deutschen liebste Haustiere. Doch auch die afrikanische Riesen- oder auch Achatschnecke wird immer populärer. In den sozialen Medien ist Content mit der bis zu 30 Zentimeter großen und bis zu 500 Gramm schweren Landlungenschnecke ein absoluter Hit mit Millionen Aufrufen.
Die Tiere kriechen über Hände, Arme, ja sogar über das Gesicht bis hin zum Mund ihrer Besitzerinnen und Besitzer. Angeblich soll der Schleim des Tieres gut für die Haut sein, propagieren die Tierhalter auf TikTok. Und tatsächlich wird Schneckenschleim seit geraumer Zeit in der Kosmetikbranche eingesetzt.
Studie: Achatschnecke überträgt Rattenlungenwurm
Doch eine Schweizer Studie dämpfte jüngst den Hype und warnt vor dem engen Kontakt mit dem Tier. Die Achatschnecke könne gefährliche Krankheitserreger übertragen. Dazu zähle etwa der Rattenlungenwurm, der bei Menschen eine potenziell tödliche Hirnhautentzündung auslösen könne, berichtet das Forscherteam der Universität Lausanne in der Fachzeitschrift "Parasites & Vectors".
Rund zwei Drittel der 36 Krankheitserreger, die bei den Schnecken bekannt seien, könnten auch Menschen infizieren. Zudem könnten sie sich als Folge der Haltung als Haustier außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebiets im Freiland ansiedeln.
"Keine belastbare Datengrundlage"
Doch die Studie ist nicht unumstritten. Christoph Allgaier forscht am Institut für Evolution und Ökologie der Universität Tübingen. Schnecken sind sein Spezialgebiet. "Meiner Ansicht nach ist die Studie zu verallgemeinernd. Letztendlich wurden da Social-Media-Inhalte ausgewertet und ein Trend postuliert, aber für eine Risikoeinschätzung keine belastbare Datengrundlage verwendet", sagt der Wissenschaftler.
So suggerierten die Studienergebnisse etwa, dass die Achatschnecken, die als Haustiere gehalten werden, maßgeblich zur weltweiten Ausbreitung des Rattenlungenwurms beitragen könnten. Dabei könne der für den Menschen gefährliche Rattenlungenwurm außerhalb der Tropen und Subtropen seinen Lebenszyklus gar nicht durchlaufen. "Denn er braucht konstant hohe Temperaturen, die wir in den meisten Teilen Mitteleuropas im Grunde nicht haben. Ich hätte mir gewünscht, dass die Autoren der Studie genauer auf den Zyklus des Parasiten eingehen."
"Achatschnecken hierzulande tragen Parasiten gar nicht in sich"
Zudem, so Allgaier, werde in der Schweizer Studie etwas Wichtiges nicht erwähnt. So seien die Achatschnecken gar nicht der entscheidende Faktor für das Vorkommen des Rattenlungenwurms. Denn als Zwischenwirt kämen weltweit alle möglichen Schneckenarten in Betracht. "Auch die Endwirte, Ratten, sind fast überall vorhanden. Aber nur, wenn die Temperaturen wie in den Tropen durchweg über 15 Grad liegen, kann sich der Rattenlungenwurm in den Schnecken überhaupt entwickeln."
Und: Die Schnecken, die zum Beispiel hier in Deutschland etwa über Züchter verkauft werden, würden ja nicht aus den Tropen importiert, sondern schon über längere Zeit hier in Terrarien gezüchtet. Heißt: "Die Achatschnecken hierzulande tragen den Parasiten gar nicht in sich. Dafür hätten sie zuvor den mit Wurmlarven kontaminierten Rattenkot fressen müssen.
Im Klartext: "Die Schnecken im Terrarium haben ja keine Berührungspunkte mit infizierten Ratten", schlussfolgert Schneckenexperte Allgaier. In den Tropen etwa, wo die Achatschnecken in freier Wildbahn leben, sei das anders. "Da können die Schnecken Zwischenwirte für den Rattenlungenwurm sein."
Achatschnecken in freier Wildbahn hierzulande nicht möglich
Der Tübinger Wissenschaftler kritisiert noch einen weiten Aspekt der Studie - nämlich die Gefahr der Ansiedlung von Achatschnecken im Freiland als Folge der Haltung als Haustier. "Das ist nur für Gebiete mit tropischem Klima relevant." In Mitteleuropa - vielleicht abgesehen von kleinen, küstennahen Bereichen des Mittelmeergebiets - treffe das nicht zu. Denn auch hier gelte: Die Achatschnecken bräuchten zum Überleben konstante Wärme, also ganzjährig Werte deutlich oberhalb Zimmertemperatur.
Trotz der für ihn zu wenig fundierten Studie macht Allgaier deutlich, dass Tierhalterinnen und Tierhalter generell darauf verzichten sollten, ihre Haustiere zu küssen oder sich von ihnen ablecken zu lassen - das gelte auch für Schnecken sowie für Hunde und Katzen. "Es gibt ja viele Tierbesitzer, die ihren Hund ans Gesicht halten zum Schmusen. Da gibt es große Gefahren, wie etwa den Fuchsbandwurm, denn man weiß nicht, was der Hund beim Spazierengehen alles frisst oder ableckt."