Krebskongress in Berlin Neue Therapieansätze bei Darm- und Leberkrebs
Am besten ist es, wenn Krebs gar nicht entsteht: In Heidelberg und Tübingen arbeiten Forschende an zwei neuen Projekten zur Prävention und Behandlung von Darmkrebs und Lebertumoren.
Jedes Jahr erkranken nach Angaben des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) fast eine halbe Million Menschen in Deutschland an Krebs. Im Jahr 2021 starben hierzulande insgesamt 227.890 Menschen an der Krankheit.
Große Fortschritte in der Krebsmedizin
Doch es gibt auch gute Nachrichten: In den vergangenen 20 Jahren gab es fundamentale Veränderungen im Verständnis, der Diagnostik und der Therapie von Krebserkrankungen: molekulare Therapien, Immuntherapien, zelluläre Therapien haben das Therapierepertoire enorm erweitert.
Auch personalisierte Impfungen gegen Krebs könnten einen weiteren Innovationsschub bedeuten. Durch Künstliche Intelligenz haben sich die Möglichkeiten zur frühen Erkennung und Behandlung von Krebs nochmals deutlich verbessert.
Über diese und andere spannende Möglichkeiten zur Diagnostik und Therapie wird derzeit in Berlin beim 36. Deutschen Krebskongress diskutiert. Vielversprechende neue Ansätze gibt es auch bei der Behandlung von Darm- und Leberkrebs.
Risikofaktoren für Darmkrebs
Jährlich sterben rund 25.000 Menschen in Deutschland an den Folgen einer Darmkrebserkrankung. Wird der Krebs frühzeitig erkannt, lässt sich diese Krebsart jedoch vergleichsweise gut verhindern oder sogar heilen.
Als die wichtigsten Risikofaktoren für Darmkrebs gelten Tabakkonsum und Übergewicht. Bewegungsmangel, eine ballaststoffarme Ernährung und der regelmäßige Konsum von Alkohol oder rotem Fleisch können das Risiko für Darmkrebs ebenfalls erhöhen.
E.-coli-Bakterien könnten Darmkrebs auslösen
Bei Magenkrebs oder Tumoren am Gebärmutterhals sind krebsauslösende Erreger bekannt und lassen sich gezielt bekämpfen. Jetzt ist ein Forschungsteam am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg (DKFZ) Bakterien auf der Spur, die vermutlich eine wichtige Rolle bei Darmkrebs spielen.
Es geht um einen bestimmten Stamm von E.-coli-Bakterien. Dieser Stamm ist "genotoxisch". Er kann das Erbgut von Zellen schädigen, indem die Bakterien das Gift Colibactin produzieren. Dieser Stoff kann gesunde Zellen entarten lassen.
Die tumorfördernde Wirkung der Bakterien konnte Jens Puschhof vom DKFZ in Heidelberg jetzt an sogenannten Organoiden zeigen: "Das sind Gewebestücke von Patienten, die im Labor vermehrt werden können und an denen wir wunderbar studieren können, wie sich das Erbgut einer Zelle verändert, wenn so ein Bakterium darauf einwirkt." Bei einem von acht Patienten mit Darmkrebs lassen sich diese bösartigen E.-coli-Bakterien nachweisen. Allerdings finden sich die Erreger auch häufiger bei gesunden Menschen und lösen keineswegs automatisch Darmkrebs aus. Und auch andere Bakterien könnten das Krebsrisiko erhöhen.
Noch steht die Forschung also ganz am Anfang: "Jetzt sehen wir, dass bestimmte Bakterien ganz spezielle Mutationen hervorrufen können. Die wichtigen Fragen, die wir jetzt erst beantworten müssen, sind: Wann findet das statt, und unter welchen Umständen findet das statt?", sagt Puschhof.
Neue Ansätze zur Prävention von Darmkrebs
Wenn die Auslöser besser verstanden sind, könnte man ganz spezifisch dort eingreifen - und so verhindern, dass die Bakterien das Erbgut schädigen und damit Krebs verursachen, so Puschhof. Dafür hat er auch schon einen konkreten Ansatz, nämlich die Produktion der Giftstoffe - des Colibactins - zu verhindern. Man könne aber auch versuchen, die Bakterien über andere Wege aus dem Darm zu entfernen, zum Beispiel mit speziellen Antibiotika oder anderen Bakterienstämmen.
Fasten zur Vorbeugung von Leberkrebs
Auch beim Leberkrebs zeichnen sich neue Ansätze der Vorbeugung ab. Im Mittelpunkt steht dabei die Fettleber: Sie tritt bei Alkoholikern auf, aber häufig auch bei Menschen, die nur mäßig oder gar nicht trinken. Bei ihnen verfettet die Leber durch zu viel Zucker und Fett im Essen. In Deutschland sind rund 20 Millionen Menschen betroffen.
Das Risiko für Leberkrebs steigt durch eine Fettleber deutlich an. In Versuchen mit Mäusen zeigt sich aber auch ein möglicher Ausweg: Zwei Tage Fasten pro Woche hielten die Versuchstiere gesund, sagt Mathias Heikenwälder im Interview mit dem SWR. Er erforscht an der Uni Tübingen und am DKFZ in Heidelberg das Zusammenspiel von Entzündungen und Krebs. "Es hat sich gezeigt, dass ein Fasten von ein oder zweimal die Woche für 24 Stunden das Rezept war, das am besten funktioniert hat, um die Fettleber zu reduzieren und auch die Inzidenz von Leberkrebs", sagt Heikenwälder.
Geringeres Krebsrisiko durch veränderten Stoffwechsel?
Die Tiere nahmen insgesamt genauso viele Kalorien zu sich wie die Vergleichsmäuse, die täglich Futter bekamen. Und sie wurden weiter ungesund, also sehr fett- und zuckerreich ernährt. Warum also waren die zwei Fastentage pro Woche so positiv?
Die Forschenden haben sich während der Fastenzeit die Moleküle angeschaut, die in der Leber verändert werden. Sie konnten zeigen, dass es mindestens zwei Moleküle gibt, die diesen Effekt des Fastens ausführen. Haben sie die Moleküle weggenommen, so war der positive Effekt des Fastens nicht mehr gegeben.
Erstmals haben Heikenwälder und sein Team damit die molekularen Grundlagen längeren Fastens entschlüsselt. So lässt sich auch erklären, warum regelmäßig zwei Tage Nulldiät den Stoffwechsel der übergewichtigen Labormäuse verändert haben: Das Fasten ermöglicht es dem Stoffwechsel, sich zu erholen, so Heikenwälder. Nach etwa zwölf Stunden schalten sich die Stoffwechselprogramme wieder an, die durch Entzündung oder andere biochemische Reaktionen gehemmt waren.
Leberkrebs-Prävention durch Fasten wird an Menschen getestet
Nun sollen klinische Testreihen mit Patientinnen und Patienten zeigen, ob der Ansatz auch beim Menschen funktioniert. Gleichzeitig laufen Versuche mit einem Antikörper, der die positiven Effekte des Fastenprogramms nachahmen soll. Ob dieser Wirkstoff tatsächlich irgendwann als Pille gegen Fettleber und Leberkrebs auf den Markt kommt, ist aber noch völlig offen.