Solarpunk Klimaoptimismus in Kunst und Literatur
Dem düsteren Blick in die Zukunft hält das Genre Solarpunk etwas entgegen: Es schafft im Netz in Kunst und Literatur eine Zukunft, in der es sich zu leben lohnt und die vielleicht sogar erreicht werden kann.
Grüne Wiesen, gespickt mit vereinzelten Solarschilden, darunter Kühe, die im Schatten dösen. Schwebende Luftballone, die an Turbinen erinnern und in denen Rotoren Strom generieren. Wolkenfelder, die künstlich über einer kleinen Anbaufläche geschaffen werden und genau so viel abregnen, wie benötigt wird, um das Land fruchtbar zu machen. Sonnenbetriebene, eigenständig fliegende Busse, die das Land mit der Stadt verbinden. Das klingt ganz nach einer Utopie. Einer Utopie, von einer Welt, in der die Menschen im Einklang mit der Natur leben und Technik auf behutsame Weise nutzen.
Die beschriebenen Szenen stammen aus einem Anime, das bei Youtube zu finden ist und für eine Szene steht, die sich in den letzten Jahren vermehrt in den sozialen Netzwerken entwickelt hat: Solarpunk. Eine nachhaltige, grüne Utopie, die sich in Kunst, Design und meist in Kurzgeschichten und der Literatur ausdrückt und zu Anfang hauptsächlich ein Netzphänomen war, bei dem es in erster Linie um Ästhetik ging.
Eine Zukunft im Einklang mit der Natur
Der Begriff kam 2008 durch einen Blogpost auf und beschrieb damals noch nur ein literarisches Genre, das aus der Science Fiction beziehungsweise der Climate Fiction entstanden war. Neu ist diese Idee nicht, schaut man sich insbesondere die feministische Science-Fiction der 1970er-Jahre an, in der unter anderem Marge Piercy in ihrer Utopie "Frau am Abgrund der Zeit" eine Welt skizziert, die im Gegensatz zu der frauenfeindlichen, rassistischen Gegenwart der Zeit stehen soll. Eine Welt, in der Rassismus und Geschlechterdifferenzen abgeschafft wurden und kleine kollektive Gemeinschaften umweltbewusst wirtschaften sowie ihre hochentwickelten Technologien zum Erhalt ihrer Lebensqualität nutzen.
Das Wort Solar soll unter anderem für ökologische Nachhaltigkeit stehen und Punk in diesem Fall für die Rebellion, Inklusion, Diversität und ein Gegengewicht zum Kapitalismus. Ein Gegenentwurf zum rückwärts gerichteten Steampunk und nihilistischen Cyberpunk. Solarpunk will hoffnungsvoll nach vorne schauen und sich den dystopischen, postapokalyptischen Geschichten entgegenstellen.
Stattdessen möchte das Genre, so der Journalist Michael Förtsch, der Kenner im Bereich der Science Fiction ist, eine positive oder zumindest hoffnungsfroh gefärbte Aussicht auf die Zukunft geben. Eine Zukunft, in der die Menschheit versucht, nachhaltig im Einklang mit der Umwelt zu existieren.
Grüne Häuser und Städte: Das Genre des Solarpunk stellt sich eine gesellschaftliche Utopie vor.
Von der Fantasie in die Realität
Ansätze dafür finden sich laut Förtsch schon in unserer heutigen Welt: "Wir können unser Leben anpassen, um uns besser mit dem Klimawandel zurechtzufinden. Wir haben Technologien wie Solar- und Windkraft oder Batteriesysteme und nachhaltige Architektur. Aber wir haben auch die Möglichkeit, unseren Lebenswandel und Konsum umzustellen, indem wir Geräte reparieren, weniger wegwerfen und Lebensmittel lokal erzeugen." Das sei die Idee der Künstler im Genre des Solarpunks. "Sie stellen sich jetzt schon vor, dass wir in Zukunft alles diese Dinge in unser Leben implementieren."
Solarpunk würde heute auch schon gelebt, sagt Förtsch, indem Menschen ihre Häuser oder Dörfer autark mit Solaranlagen versorgten oder sich zusammenfänden, um kommunale Gärten zu betreiben. Auch Designer ließen sich durch die Solarpunk-Bewegung inspirieren. "Es wird daran gearbeitet, Klamotten zu entwickeln, die Strom erzeugen oder Sonnenschirme, die mit Stoff bezogen sind, in den Solarzellen eingewebt sind und an dem man via USB zum Beispiel sein Smartphone laden könnte."
Gesunde, realistische Hoffnung kann aktivierend wirken
Diese optimistische Sicht auf die Zukunft scheint ganz im Gegensatz zu Greta Thunbergs Mahnung "I don‘t want you to be hopeful, I want you to panic" aus ihrer Rede auf dem Weltwirtschaftsforum 2019 in Davos zu stehen. Die Psychologin Lena Müller, die sich seit 2021 bei den "Psychologist for Future" engagiert, sieht Thunbergs Aussage als immer noch richtig an und glaubt, dass die Aktivistin damit Menschen aus ihrer Lethargie reißen wollte. "Denn Angst ist tatsächlich ein Mechanismus oder eine Emotion, die sehr aktivierend ist."
Müller glaubt aber auch, dass ein "gesunder, realistischer Optimismus" Menschen bei dem Blick in die Zukunft helfen kann. Das merke sie auch bei ihrer Arbeit, bei der sie zum Beispiel in Workshops Menschen hilft, besser mit ihrer Verzweiflung umzugehen, wenn es um den Klimawandel geht. "Das Ziel bei so einer Klimabewegung ist, dass wir gerne die Menschen aktivieren und motivieren möchten, ins Handeln zu kommen." Ein Ohnmachtsgefühl durch Angst könne dabei hemmen. Man dürfe die Situation nicht verharmlosen, aber sich auch nicht aus Bahn werfen lassen.
Hoffnung durch technologische Entwicklungen
Auch der Klimaforscher Michael Jakob, der die Klimapolitik seit Jahren beobachtet, glaubt, dass Hoffnung aktivierend wirken kann. "Es ist ja auch nicht so, dass wir eine Klippe herunterfallen, wenn wir das Ziel überschreiten. Auch wenn wir eine Erwärmung von 2,3 Grad haben, ist das immer noch besser als drei oder vier Grad."
Gravierende Auswirkungen gäbe es immer - aber sie seien höher, je höher die Erhitzung würde. "Vor 15 Jahren klang das Zwei-Grad-Ziel utopisch und die Aussicht schnell das Energiesystem zu transformieren weit weg." Inzwischen sei viel passiert. Verschiedene Elemente machen Jakob Hoffnung: "Das eine ist die technologische Entwicklung. Erneuerbare Energien sind so günstig geworden, dass sie inzwischen allein schon aus ökonomischen Motiven rentabel sind, ohne dass man den Klimaschutz als Hauptmotivation braucht."
Ein Selbstläufer sei das alles nicht, aber "wir haben jetzt noch die Chance, das Ruder rumzureißen", so Jakob. Er glaubt nicht, dass es realistisch ist, die ganze Gesellschaft mit Begeisterung mitzunehmen. Aber es brauche Vorreiterinnen, die neue Möglichkeiten vorlebten und auch zeigten, dass man viele Dinge anders machen und damit auch ein gutes Leben haben kann. "Ich denke hierbei an Technologien, aber auch Lebensstile, Konsummuster und so weiter." Es müssten aber auch finanzielle Anreize und die Infrastruktur geschaffen werden, sodass dieser Prozess nicht zu Lasten von Menschen gehe.
Visionen durch Science Fiction
Genre wie das des Solarpunks hält der Klimaforscher für sehr wichtig, weil in Kultur, Kunst und Literatur damit positive Vorstellungen geschaffen würden. "Viele der Innovationen, die in den letzten Jahrzehnten bahnbrechend waren, wurden viele Jahrzehnte davor schon vorgedacht. Ich habe im letzten Jahr das Buch 'Neuromancer' von William Gibson gelesen, der sich schon in den 1980er-Jahren das Internet wirklich sehr detailliert vorgestellt hat. Oder auch Jules Verne, der die Raumfahrt eigentlich vorweggenommen hat."
Solche Visionen seien wichtig, "damit wir uns vorstellen können, wie die Welt aussehen könnte, wenn wir uns verändern" und nicht einem sogenannten "Climate Doom", also einer Verzweiflung, verfielen, so Jakob. Man müsse daran glauben können, dass immer noch Möglichkeiten zum Handeln bestünden.