Grüne Energie Mit Wasserstoff zur Energiewende?
Wasserstoff soll Deutschland klimafreundlicher und unabhängig von fossilen Brennstoffen machen. Das Problem: Die Herstellung von Wasserstoff ist energieintensiv - und schafft neue Abhängigkeiten von anderen Staaten.
In Zukunft soll Wasserstoff in vielen Bereichen eine elementare Rolle spielen - vor allem dort, wo fossile Brennstoffe auf absehbare Zeit nicht durch grünen Strom ersetzt werden können. Mit über 60 Leuchtturmprojekten will Deutschland das Wasserstoffland Nummer eins werden und wichtige Technologien voranbringen. Doch noch sind viele Probleme nicht gelöst.
Gewinnung von Wasserstoff kostet Energie
Wasserstoff kann sehr viel Energie speichern, mehr als fossile Brennstoffe: Ein Kilogramm Wasserstoff liefert in etwa so viel Energie wie 2,8 Kilogramm Benzin. Doch um Wasserstoff herzustellen, bedarf es wiederum sehr viel Energie. Denn Wasserstoff ist ein Gas, das in der Natur nur gebunden vorkommt, etwa in Wasser oder Erdgas. Es muss also aus dieser Verbindung gelöst werden.
Bisher stammt die Energie für diesen Prozess in Deutschland aber noch überwiegend aus fossilen Brennstoffen wie Erdöl und Erdgas. Das ist alles andere als klimafreundlich: Bei der Produktion dieses sogenannten "grauen" Wasserstoffs entsteht viel klimaschädliches CO2. Bislang war das aber günstiger, doch das ändert sich derzeit aufgrund der Energiekrise, erklärt Physikprofessorin Tabea Arndt vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die zu Wasserstofftechnologien forscht: "Durch die aktuelle Energieknappheit ist die Situation eingetreten, dass die Kosten des grauen Wasserstoffs größer geworden sind als die Kosten des Wasserstoffes aus grünen regenerativen Energiequellen."
Zu wenig klimafreundlicher Wasserstoff
Bis 2030 will die Bundesregierung mit der Nationalen Wasserstoffstrategie die Produktion von klimafreundlichem "grünen" Wasserstoff entscheidend voranbringen. Dieser wird mittels Elektrolyse aus Wasser gewonnen: Dabei wird Wasser unter Zuführung von nachhaltig erzeugtem Strom aus Wind oder Sonne in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt.
Bisher gibt es kaum grünen Wasserstoff in Deutschland, er wird aber immer gefragter. Er soll vor allem dort eingesetzt werden, wo viel Energie gebraucht wird und es keine elektrische Alternative gibt, etwa in der energieintensiven Stahl- oder Chemieindustrie. Dort soll er die CO2-Emissionen verringern. Auch als Treibstoff etwa für Flugzeuge, Lkw und Schiffe ist Wasserstofftechnologie in der Entwicklung, weil entsprechende Batterien zu groß und zu schwer wären. "Wenn wir den Verkehr voll dekarbonisieren, also auf fossile Treibstoffe verzichten wollen, dann brauchen wir auch einen Treibstoff, der dann, wenn keine Batterie oder keine Oberleitung möglich ist, auch große Fahrzeuge bewegen kann", sagt Arndt.
Nur begrenzte Einsatzmöglichkeiten im Verkehr
Im Verkehr spielt Wasserstoff derzeit kaum eine Rolle, und das bleibt auch erstmal so. Eine dominierende Rolle im Straßenverkehr erscheint aufgrund der technischen Entwicklung von Batterien und dem Schnellladen sowie der Gesamtkosten nach derzeitigem Wissensstand eher weniger wahrscheinlich, räumt das Frauenhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ein. Anfang 2021 waren weltweit gerade mal etwa 25.000 Wasserstoff-Brennstoffzellen-Autos auf den Straßen. Im Gegensatz dazu sind derzeit mehr als 15 Millionen batteriebetriebene Elektro- und Plug-in-Hybridfahrzeuge unterwegs.
Neue Abhängigkeiten aus dem Ausland
Der aktuelle Wasserstoff-Verbrauch liegt bei etwa 50 bis 60 Terawattstunden. Wie hoch der Bedarf in Zukunft sein wird, schätzen Forschende unterschiedlich ein. Das hängt auch davon ab, wie günstig die Herstellungsverfahren werden: Die Angaben reichen von 40 bis 180 Terawattstunden. Einig sind sich die Experten und Expertinnen aber darin, dass Deutschland diesen Bedarf niemals allein decken kann und es Importe etwa aus Süd- und Westafrika oder Australien bedarf.
Neue Abhängigkeiten aus dem Ausland sind also erwartbar, meint Arndt: "Deutschland als Industrienation wird voraussichtlich niemals in der Lage sein, sich autark mit grüner Energie zu versorgen. Das heißt, wir werden eine Importnation für Primärenergieträger bleiben und damit auch eine Importnation für grünen Wasserstoff."
Transportmöglichkeiten notwendig
Wie der Wasserstoff dahin kommen soll, wo er gebraucht wird, das ist ebenfalls noch unklar: Eher per Pipeline oder mit dem Schiff? Daran forscht Physikerin Arndt mit ihrem Team am KIT. Ihre Vision ist eine Pipeline, die beides transportiert: "Eine besondere Entwicklung an unserem Institut ist eine hybride Energieübertragungstrecke, die elektrische Energie und auch flüssigen Wasserstoff transportieren kann", erklärt sie. "Das ist besonders dann hilfreich, wenn man einen Verbraucher hat, zum Beispiel einen Flughafen, der Bedarf hat an flüssigem Wasserstoff aber auch an elektrischer Energie, sodass man die gleiche Trasse für beides nutzen kann."
Allerdings braucht auch das Verflüssigen von Wasserstoff zum Transport sehr viel Energie, weshalb man künftig genau kalkulieren muss, wo sich Wasserstoff wirklich lohnt und wo nicht. Insgesamt fordert Arndt bessere Rahmenbedingungen, damit Wasserstoff wirklich zu einem zentralen Energieträger der Zukunft werden kann: "Bei den fossilen Brennstoffen sind die Umweltschäden nicht eingepreist, während wir beim grünen Wasserstoff von Anfang an die gesamte Kreislaufwirtschaft eingepreist haben."
Deshalb gebe es eine große Preisdifferenz zwischen diesen beiden Energiesektoren, erklärt Arndt. "Um dieses Dilemma aufzubrechen, sollte man die Rahmenbedingungen entsprechend setzen, sei es, dass man Produkte aus grünem Stahl weniger besteuert, sei es, dass man die Maut für Lkw, die mit Wasserstoff fahren, reduziert."