Start des Weltraumteleskops "Euclid" Woraus besteht die Welt?
Sie ist für den Aufbau des Kosmos‘, die Milchstraße und andere Galaxien verantwortlich: Dunkle Materie. Aus ihr besteht ein Viertel des gesamten Weltalls. Das Problem: sie ist unsichbar. Das Weltraumteleskop "Euclid" soll das nun ändern.
Von Guido Meyer, NDR
1,5 Milliarden Euro kostet Europas neuestes Vorzeigeprojekt für die Erforschung des Universums. Beim Weltraumteleskop "Euclid", dass am 1. Juli ins All starten soll, geht es um die ganz großen Zusammenhänge. Dabei ist die Fragestellung erschreckend simpel: Woraus besteht die Welt?
Zunächst einmal aus Energie und aus Materie. Aber da gibt es auch das, was wir nicht sehen können. "Wir wissen, dass ein Teil der Materie nicht leuchtet", sagt Markus Kissler-Patig, Leiter der Abteilung Wissenschaft und Betrieb bei der europäischen Weltraumagentur ESA. "Deswegen nennen wir sie Dunkle Materie."
Die unbekannte Kraft
Und da beginnen auch schon die Probleme: Weil Dunkle Materie nicht leuchtet, ist sie unsichtbar. Dummerweise besteht aber ein Viertel des gesamten Weltalls aus dieser Dunklen Materie. "Im Universum herrscht eine Kraft vor, die nichts mit der Physik zu tun hat, die wir hier auf der Erde kennen", so Kissler-Patig.
Hier kommt "Euclid" ins Spiel. Das neue europäische Weltraumteleskop soll untersuchen, auf welchen Bahnen sich die sichtbare, leuchtende Materie durchs All bewegt. Denn diese Bewegungen werden bestimmt von der Masse und damit von der Schwerkraft der unsichtbaren Dunklen Materie. Von ihr gibt es ungefähr sechsmal so viel wie von der uns vertrauten Materie. Die Dunkle Materie ist somit für den Aufbau des Kosmos‘ verantwortlich und für alles, was Menschen sehen können: die Milchstraße, andere Galaxien und Galaxienhaufen.
Die ewige Expansion
Hinzu kommt das Problem der Dunklen Energie. "Wir wissen, dass es eine Art negative Energie ist, die sich gegen die Schwerkraft wendet, weil sie das Universum auseinandertreibt anstelle es zusammenzuziehen", so Kissler-Patig.
Diese Dunkle Energie wurde erst am Ende des vergangenen Jahrtausends überhaupt entdeckt. Dass es vor 14 Milliarden Jahren den Urknall gab und das All sich seitdem ausdehnt - das war schon damals das Standardmodell in der Kosmologie. Doch in den späten 90er-Jahren fiel Astronomen auf, dass der Weltraum sich sogar immer schneller ausdehnt. Bis heute kann das niemand erklären.
Die Sonde "Euclid" der Europäischen Raumfahrtagentur steht im Reinraum von Thales Alenia Space in Cannes. Die ESA will mit der "Euclid"-Mission mehr über dunkle Materie und dunkle Energie erfahren.
Beide dunklen Mächte wird auch "Euclid" nicht direkt beobachten können. Aber die Drehungen von Galaxien verraten indirekt etwas über die unsichtbare Dunkle Materie, die es in ihnen geben muss und die sie zusammenhält. Denn andernfalls würden sie auseinanderfliegen.
Galaxien, die es nicht gibt
Auch verzerrt die Schwerkraft der Dunklen Materie das Licht von Galaxien hinter ihr. Es entsteht so eine Fata Morgana im All. Dem Beobachter auf der Erde wird eine Galaxie vorgespiegelt, dort wo gar keine ist.
"'Euclid' ist eine Himmelsdurchmusterung, die wir sechs Jahre lang durchführen wollen", erklärt Kissler-Patig. "Wir wollen so insgesamt ein Drittel des kompletten Universums beobachten, was uns dann genügend Daten liefern sollte, um Dunkle Materie und Dunkle Energie zu verstehen."
Fernrohr im Gleichgewicht
Um dabei völlig ungestört zu sein vom Sonnenlicht und auch vom Licht, das Erde und Mond reflektieren, wird Euclid seinen Beobachtungsposten im All in 1,5 Millionen Kilometern Entfernung beziehen. Dort halten sich die Anziehungskräfte von Sonne, Erde und Mond die Waage, so dass das Teleskop im All stillsteht.
Visualisierung der ESA-Sonde "Euclid". Am 1. Juli soll das Teleskop von Cape Canaveral in den USA ins All starten.
Und so hoffen Europas Astronomen, dass ihr neues Teleskop endlich die Frage beantworten wird, die schon Goethes Faust aufwarf, was nämlich die Welt im Innersten zusammenhält - und das, so "Euclid"-Systemingenieur Tobias Bönke, sei gut investiertes Geld. "Für 1,4 Milliarden bekommen wir hier eine ganze Menge geboten."