Kämpfe im Gazastreifen Viele Menschen verlassen Al-Schifa-Klinik
Ein Krankenhaus als Kampfgebiet: In der Al-Schifa-Klinik im Gazastreifen sucht das israelische Militär seit Tagen nach Hamas-Terroristen. Nun haben viele Menschen das Krankenhaus verlassen. Unklar ist, wer die Evakuierung veranlasst hat.
Patienten, Personal und Vertriebene haben in großer Zahl das Al-Schifa-Krankenhaus im Gazastreifen verlassen. Nach Angaben eines AFP-Reporters flohen sie zu Fuß auf einer Straße in Richtung Süden. Augenzeugen im Gazastreifen bestätigten auch der Nachrichtenagentur dpa, dass Menschen das Gelände der Klinik verließen.
Widersprüchliche Angaben über mögliche Anordnung
Die Evakuierung geschehe auf Wunsch des Direktors der Klinik, teilte das israelische Militär mit. Die Armee habe zu keinem Zeitpunkt die Evakuierung von Patienten oder medizinischem Personal angeordnet. Es gehe darum, weiteren Menschen, die in der Klinik Schutz gesucht hätten, zu ermöglichen, "dies über den sicheren Weg zu tun". Das Militär bot nach eigenen Angaben an, auch die Evakuierung von Patienten zu ermöglichen.
Die Armee veröffentlichte auch einen Mitschnitt, der aus einem Telefonat zwischen einem Vertreter Israels und dem nicht namentlich genannten Klinikdirektor stammen soll. Darin sagt dieser, medizinische Teams hätten das Krankenhaus verlassen hätten und er habe keine Kontrolle über deren Entscheidung. Letztlich wolle er, dass auch alle Patienten die Klinik verließen.
Die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde teilte hingegen mit, am Morgen eine Aufforderung zur Evakuierung vom israelischen Militär erhalten zu haben. Arabische Medien hatten zuvor berichtet, Israels Armee habe auch Ärzten und Patienten befohlen, die Klinik innerhalb einer Stunde zu verlassen. In und um das Krankenhaus suchen israelische Soldaten seit vier Tagen nach Hamas-Terroristen und von ihnen verschleppten Geiseln.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Weiter viele Patienten in der Klinik
Laut israelischem Militär bleibt medizinisches Personal im Krankenhaus, um sich um Patienten zu kümmern, die die Klinik nicht verlassen können. Nach dem weitgehenden Abschluss der Räumung schrieb ein Arzt der Klinik, Ahmed Mochallalati, in den sozialen Medien, es seien etwa 120 Patienten im Krankenhaus zurückgeblieben, darunter einige Intensivpatienten und Frühgeborene. Er und fünf weitere Ärzte wollten ihre Versorgung übernehmen.
Israels Armee brachte eigenen Angaben zufolge gut 6.000 Liter Wasser und gut 2.300 Kilogramm Lebensmittel in das Schifa-Krankenhaus. In den Gebäuden und auf dem Gelände des Schifa-Krankenhauses hatten nach Beginn des Kriegs Tausende Schutz vor israelischen Bombardements gesucht. Wie viele Menschen aktuell noch dort sind, ist unklar.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO hatte die Zahl der Menschen im Gebäude vor mehreren Tagen mit rund 2.000 angegeben, unter ihnen vermutlich mehr als 600 Patienten. Die Klinik hat seit einer Woche keinen Strom mehr. Inkubatoren und Beatmungsgeräte funktionieren nicht mehr. Der Direktor des Krankenhauses bezeichnete das Krankenhaus als "riesiges Gefängnis".
Völkerrechtler: Krankenhäuser als Ziele tabu, aber...
Israel wirft der militant-islamistischen Hamas vor, das Krankenhaus für terroristische Zwecke zu missbrauchen und unter den Gebäuden eine Kommandozentrale zu betreiben. Die Terrororganisation bestreitet dies.
In der Debatte um das Vordringen der israelischen Armee in das Krankenhaus rief Völkerrechtler Christoph Safferling zu einer differenzierten Betrachtung auf. "Ein Krankenhaus ist nach dem humanitären Völkerrecht ein ziviles Objekt, das heißt, es ist absolut tabu, dass angreifende Soldaten dort hineingehen. Gleichzeitig ist es so: Ein Krankenhaus kann auch missbraucht werden, und dann sieht es juristisch schon anders aus", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". "Wenn es nur zum Schein ein ziviles Objekt war, aber in Wahrheit vornehmlich militärisch genutzt wurde, dann war das israelische Militär durchaus berechtigt, es zu bekämpfen."
Mitarbeitende von Ärzte ohne Grenzen sitzen fest
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen und deren Angehörige sind nach Angaben der Hilfsorganisation in der Nähe des Al-Schifa-Krankenhauses eingeschlossen. Insgesamt gehe es um 137 Menschen, unter ihnen 65 Kinder, denen es wegen der anhaltenden heftigen Kämpfe in der Stadt Gaza nicht möglich sei, das Gebiet sicher zu verlassen, erklärte die Organisation. Bisherige Versuche, die Mitarbeiter und deren Familien zu evakuieren, seien gescheitert.
Es brauche dringend einen Waffenstillstand, um Tausende festsitzende Zivilisten sicher evakuieren zu können, forderte Ärzte ohne Grenzen.
Graue Flächen: Bebaute Flächen im Gazastreifen. Schraffur: Israelische Armee