Chinas Außenpolitik Von Panda-Diplomatie zu "Wolfskriegern"
"Verstecke deine Kraft und warte, bis deine Zeit kommt", lautete lange die Devise für Chinas Auftreten in der Welt. Unter Xis Führung sind andere Zeiten angebrochen: Diplomaten und Politiker äußern sich immer aggressiver.
Die Filmszene soll unter die Haut gehen. Ein imaginäres Land in Afrika liegt in Trümmern. Menschen sind in Panik. Doch dann kommt die Rettung: Ein Soldat der chinesischen Volksbefreiungsarmee hisst seine Nationalflagge, die Musik wird emotional, die Gegner werfen die Waffen nieder, alle jubeln. Chinas Armee als Befreier, als Retter. Der Slogan des Films "Wolfskrieger 2" lautete: "Auch tausend Meilen entfernt - wer China angreift, wird dafür bezahlen." Der Kinofilm aus dem Jahr 2017 spielte in China Rekordumsätze ein - und sein Titel gab dem neuen Stil chinesischer Diplomaten einen Namen: Wolfskrieger.
Die sogenannten Wolfskrieger treten in Interviews und in den sozialen Netzwerken aggressiv auf, verteidigen mit nationalistischem Unterton chinesische Sichtweisen oder drohen sogar ihrem Gastland. So etwa der chinesische Botschafter in Schweden, Gui Congyou. Im schwedischen Fernsehen sagte er: "Wir behandeln unsere Freunde mit feinem Wein, aber für unsere Feinde haben wir Schrotflinten", als er darauf angesprochen wurde, dass der schwedische Schriftsteller und Verleger Gui Minhai, der in China wegen fragwürdiger Spionagevorwürfe in Haft sitzt, in Schweden mit dem Tucholsky-Preis ausgezeichnet wurde.
Die Liste der "Wolfskrieger"-Diplomaten ist lang. Die Sprecher des chinesischen Außenministeriums stechen besonders hervor: Der ehemalige Sprecher Zhao Lijian verbreitete über seinen Twitter-Account ein digital manipuliertes Bild eines Kindes, dem ein australischer Soldat die Kehle durchschneidet. Die derzeitige Außenministeriums-Sprecherin Mao Ning hetzt immer wieder gegen die USA.
Filmplakate des chinesischen Kinofilms "Wolfskrieger 2" aus dem Jahr 2017.
Chinas "Machiavelli-Moment"
Die neue Strategie geht zu großen Teilen auf den neuen Staatsführer Xi Jinping zurück. "Xi hat mit Amtsübernahme das Budget für das Außenministerium verdoppelt und von den Diplomaten ein anderes Auftreten verlangt", erklärt May-Britt Stumbaum, China-Expertin von der Bundeswehr Universität München. In den Jahren vor Xis Amtsübernahme hatte Chinas Wirtschaftskraft enorm zugenommen. Gleichzeitig war der Westen durch die Finanzkrise in den Jahren 2008/2009 und der Eurokrise im Jahr 2012 ins Straucheln gekommen. "2018 folgte dann der sogenannte Machiavelli-Moment in China, da wurde entschieden: "Es ist besser gefürchtet, als geliebt zu werden", meint May-Britt Stumbaum.
Das chinesische Außenministerium änderte die Leistungsbeurteilung von Diplomaten und fügte "Öffentlichkeitsarbeit" hinzu, schreibt Dylan M. H. Loh von der Nanyang-Universität in Singapur. Durchsetzungsfähige Diplomatie, die früher hinter den Kulissen stattfand, werde nun in der Öffentlichkeit deutlich sichtbar. Dieser Anreiz sei einer der Hauptgründe für die jüngste Flut von Twitter-Auftritten und -Aktivitäten chinesischer Diplomaten, schreibt Loh.
Das Ende der Zurückhaltung
Das geänderte Auftreten nach außen sei auch für das nationale Publikum in China, erklärt Professor Wang Yiwei von der renommierten Renmin-Universität in Peking. "Die Ansichten der Chinesen über die Welt haben sich geändert. Die jungen Generationen, die während der Öffnungsreformen aufgewachsen sind, sind selbstbewusster. Ihnen gefällt daher die Idee, dass der Außenamtssprecher und die Diplomaten aktiver sind." Die Bezeichnung "Wolfskrieger" allerdings bezeichnet Wang Yiwei als diskriminierend: "Menschen sollten nicht als Tiere bezeichnet werden. Außerdem hat der Wolf in der chinesischen Kultur keine positive Konnotation."
Chinesische Diplomaten würden aktiver auftreten, sie seien klug und mutig, das sei aber nicht mit "aggressiv" gleich zu setzen, meint Wang. "Früher haben wir uns zurückgehalten, wir waren sehr tolerant und haben nicht reagiert, wenn schlecht über China gesprochen wurde. Jetzt wirft man uns beispielsweise Völkermord in Xinjiang vor und wir stellen es richtig, verteidigen uns und erklären unsere Position der Welt."
Das Ausland sei für Chinas rauen Ton in der Diplomatie verantwortlich, schrieb die Zeitung der Kommunistischen Partei "Global Times" vor knapp zwei Jahren. Die westlichen Länder hätten in einigen Fragen eine harte diplomatische Haltung gegenüber China eingenommen, vor allem gegenüber "den sogenannten Menschenrechtsproblemen in Xinjiang," so heißt es in der Parteizeitung. Der Artikel fährt fort mit der Frage: "Wie kann China angesichts der absichtlichen Provokationen des Westens, der unbegründeten Anschuldigungen gegen China und der ständigen Übertreibung, dass Chinas Aufstieg eine Bedrohung für die Welt darstellt, nicht zum Wolfskrieger werden?" Die Zeitung "Global Times" ist bekannt für ihre aggressive Haltung. Entsprechend endet der Artikel mit dem wenig versöhnlichen Satz: "China wird natürlich keine Kompromisse eingehen und wie ein echter Krieger zurückschlagen."
"Tian Tian", "Himmelchen", und "Bao Bao", "Schätzchen", hießen die zwei ersten Pandas, die China in den Achtzigerjahren nach Berlin schickte.
"Zeit, in der China geliebt werden wollte"
Xi Jinping propagiert Chinas Aufstieg zur Weltmacht. Lange Zeit hielt sich Chinas Regierung mit solchen Aussagen zurück. "Verstecke deine Kraft und warte, bis deine Zeit kommt", war die Philosophie des langjährigen Staatsführers Deng Xiaoping. Während seiner Reform- und Öffnungspolitik in den 1980er und -90er Jahren des letzten Jahrhunderts brachte er China nach der Kulturrevolution wieder zurück auf die Bühne der Welt. Doch Deng bemühte sich, China ein zurückhaltendes Image zu geben. "In offiziellen Dokumenten sollte nicht von 'Chinas Aufstieg' geschrieben werden. Das wurde als zu aggressiv aufgefasst. Stattdessen hieß es dann 'Chinas Entwicklung'", erklärt die Expertin Stumbaum.
In dieser Zeit wurde die sogenannte Panda-Diplomatie gefördert: China lieh Staaten als Zeichen der Freundschaft die Tiere für ihre Zoos. Tiantian ("Himmelchen") und Baobao ("Schätzchen") hießen die ersten Pandas, die China schon 1980 nach Deutschland schickte - zwei Kosenamen für Kinder. "Das war die Zeit, in der China geliebt werden wollte", meint Stumbaum. Aber schon damals sei klar gewesen, dass China seinen Platz als "Reich der Mitte" wieder erlangen wollte - nur eben erst dann, wenn die Regierung die Zeit gekommen sah.