Krieg in Nahost Israel und Hamas bereit für längere Feuerpause
Die bis Dienstag vereinbarte Feuerpause zwischen der Terrororganisation Hamas und Israel könnte verlängert werden. Beide Seiten zeigen sich dafür offen. Heute sollen weitere Geiseln aus den Händen der Hamas freikommen.
Der israelische Regierungschef Benjamin Netanyahu hat grundsätzlich Bereitschaft zu einer Verlängerung der viertägigen Feuerpause mit der islamistischen Hamas signalisiert. Das Abkommen sehe die Möglichkeit vor, die Kampfpause im Gegenzug für die Freilassung zehn weiterer Geiseln pro Tag zu verlängern, teilte Netanyahu nach einem Gespräch mit US-Präsident Joe Biden mit. "Das wäre zu begrüßen."
Gleichzeitig habe er Biden gesagt, dass die Kämpfe nach der Feuerpause wieder aufgenommen würden. Nach dem Ende des Abkommens werde Israel seine Kriegsziele "mit voller Kraft verwirklichen" und seine Offensive im Gazastreifen fortsetzen.
Biden: "Es lohnt sich, weiterzumachen"
Biden hatte zuvor auf einer Pressekonferenz gesagt, dass er auf eine Verlängerung der Kampfpause über ihre zunächst vereinbarte Befristung bis Dienstagmorgen hinaus hoffe. So könnten mehr Geiseln befreit und mehr humanitäre Hilfe für die Bedürftigen in Gaza bereitgestellt werden.
Biden werde sich für die vollständige Umsetzung des Geiselabkommens und eine Verlängerung der Feuerpause einsetzen, sagte er. Er werde auch weiterhin mit Katar, Ägypten und Israel zusammenarbeiten, um alles dafür zu tun, alle Geiseln freizubekommen. "Der Beweis dafür, dass es funktioniert und es sich lohnt, weiterzumachen, ist jedes Lächeln, jede Träne der Dankbarkeit, die wir in den Gesichtern der Familien sehen, die endlich wieder zusammenkommen."
Hamas strebt Verlängerung an - unter Bedingungen
Auch die Hamas strebt nach eigener Darstellung eine Verlängerung unter Bedingungen an. Ziel sei es, im Austausch gegen Geiseln mehr palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen frei zu bekommen, teilte die Terrororganisation mit.
Israel und die Hamas hatten sich unter Vermittlung von Katar darauf verständigt, während einer viertägigen Waffenruhe 50 Hamas-Geiseln gegen 150 palästinensische Gefangene in israelischen Gefängnissen auszutauschen. Die Feuerpause war am Freitagmorgen in Kraft getreten und soll laut Abkommen verlängert werden können. Dann könnten bis zu 100 Geiseln gegen bis zu 300 Palästinensische Häftlinge freigelassen werden. Heute wird die Freilassung zehn weiterer Geiseln erwartet.
Erstmals US-Bürgerin freigelassen
Am Sonntag waren 14 israelische und drei ausländische Geiseln zurück nach Israel gebracht worden. Eine Geisel wurde direkt mit einem Hubschrauber in ein israelisches Krankenhaus gebracht. Die 84-Jährige liege auf der Intensivstation und schwebe in Lebensgefahr, teilte der Direktor des Soroka-Krankenhauses in Beerscheva, Schlomi Codisch mit.
Weil sie während ihrer Geiselhaft seit dem 7. Oktober nicht versorgt worden sei, müsse sie nun stabilisiert werden. "Ihr Leben ist in Gefahr", sagte der Klinikdirektor. Die Frau war bei dem brutalen Überfall der militant-islamistischen Hamas aus dem Kibbuz Nahal Oz verschleppt worden.
Zum ersten Mal war mit einem vierjährigen Mädchen auch eine Geisel dabei, die die US-Staatsangehörigkeit besitzt. Es handle sich um die vier Jahre alte Abigail Edan, sagte US-Präsident Biden. "Sie ist frei und sie ist in Israel", sagte Biden.
Dutzende Geiseln von der Hamas freigelassen
Seit Beginn der Feuerpause hat die Hamas insgesamt 58 Geiseln freigelassen. Zusätzlich zu den 40 Israelis wurden 18 Ausländer, darunter 14 thailändische sowie ein philippinischer Staatsbürger freigelassen. Unter den seit Freitag Freigelassenen sind auch acht deutsche Doppelstaatsbürger sowie ein Israeli mit zusätzlicher russischer Staatsangehörigkeit.
Bei ihrem Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober hatte die Hamas etwa 240 Menschen in den Gazastreifen verschleppt. In Israel wird davon ausgegangen, dass noch knapp 180 Geiseln in den Händen der Extremisten sind.
Gefängnisbehörde entlässt Palästinenser
Wie auch am Freitag und Samstag setzte die israelische Gefängnisbehörde als Teil des Abkommens erneut eine Gruppe von 39 Palästinenser auf freien Fuß. Sie wurden im Laufe des Abends aus mehreren Gefängnissen entlassen, wie die Behörde mitteilte.
Palästinensischen Berichten zufolge handelte es sich um 39 männliche Jugendliche unter 19 Jahren. Unter ihnen war den Angaben nach auch ein Häftling aus dem Gazastreifen. Er wurde der Gefängnisbehörde zufolge am Grenzübergang Kerem Schalom entlassen. Die restlichen Freigelassenen wurden in Ost-Jerusalem und dem Westjordanland erwartet. In Ramallah versammelte sich eine große Menschenmenge, um sie in Empfang zu nehmen. Die bislang freigekommenen Häftlinge waren unter anderem wegen Messerattacken auf Israelis, Brandstiftung sowie Attacken mit Brandbomben oder Steinen verurteilt worden. Insgesamt wurden bisher 117 palästinensische Häftlinge als Teil des Abkommens aus israelischen Gefängnissen entlassen.
Steinmeier: "Unsere Solidarität mit Israel gilt"
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier will sich heute am zweiten Tag seines Besuchs in Jerusalem mit Premierminister Netanyahu treffen und die aktuelle Lage im Nahost-Konflikt erörtern. Vorgesehen ist auch eine Fahrt in ein Kibbuz und ein Besuch des Auguste-Viktoria-Krankenhauses in Ost-Jerusalem. Dort werden fast 100 palästinensische Patienten behandelt.
Der Bundespräsident wird von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas begleitet. Steinmeier hatte sich nach seiner Ankunft am Sonntag mit Angehörigen entführter Geiseln getroffen. Im Anschluss sicherte er bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Israels Staatspräsident Izchak Herzog dem Land die unverbrüchliche Unterstützung Deutschlands zu.
Herzog nannte Steinmeier einen "wahren Freund". "Ihr Besuch ist Ausdruck des festen Bündnisses zwischen unseren Ländern", sagte Herzog, der die Hamas als "Bestie" und "Ungeheuer" bezeichnete. Herzog zeigte sich zuversichtlich, dass Israel den Krieg gegen die Hamas gewinne. "Das israelische Volk wird siegen. Wie ein Phoenix werden wir aus der Asche wieder auferstehen."
Nach seinem Besuch in Israel reist Steinmeier am Dienstag in das Sultanat Oman. Am Mittwoch wird er in der katarischen Hauptstadt Doha zu Gesprächen erwartet.