Krieg in Nahost Libanons schwieriges Verhältnis zur Hisbollah
Im Libanon wächst die Angst vor einem großen Krieg. Trotzdem erfährt die radikalislamische Hisbollah dort Rückhalt und ist sogar an der Regierung beteiligt.
Eine Gedenkveranstaltung am Sonntagnachmittag in Beirut. Gut Tausend Menschen erinnern an die Explosion im Hafen vor vier Jahren. Mehr als 2.700 Tonnen explosives Ammoniumnitrat gingen damals in die Luft. Jahrelang hatte sich niemand um eine sachgerechte Lagerung gekümmert.
Große Teile Beiruts wurden zerstört, mehr als 200 Menschen getötet, auch Juliette Aoud. Deren 18 Jahre alte Tochter Sybel hält bei der Mahnwache ein Foto von ihr hoch. Sie kämpft mit den Tränen: "Meine Mutter war respektvoll, nett. Sie hat alle geliebt."
Verantwortlich macht Sybel die libanesische Regierung, der damals wie heute auch die schiitische Hisbollah angehört hat. Bis heute habe sich nichts verbessert: "Alle, alle sind verantwortlich für dieses Desaster, in dem wir gerade leben."
Kritik an allen Seiten
Ein junger Mann, der sich Mike nennt, wird noch deutlicher und nennt Namen: Hassan Nasrallah, der Generalsekretär der Hisbollah, sei der größte Terrorist im Libanon, Michael Aoun, der damalige Präsident sei genauso verantwortlich. Und derjenige, der jetzt angreife - das sei Netanyahu.
Die Fassungslosigkeit über die Katastrophe vor vier Jahren mischt sich mit einer großen Wut über die aktuelle Situation. Viele fürchten: Wenn die Hisbollah jetzt im großen Stile Israel angreifen sollte, dann könnte ein israelischer Gegenschlag für den Libanon die nächste Katastrophe bedeuten.
Hisbollah vertritt iranische Interessen
Marwan Abdallah ist bei der christlichen rechtsnationalistischen Kataeb-Partei, auch bekannt als Phalangisten, für die Außenbeziehungen verantwortlich. Er sagt, die Hisbollah stehe der Entwicklung Libanons im Weg: "Hisbollah verteidigt nicht den Libanon - sie sind ein Stellvertreter der iranischen Revolutionsgarden. Sie handeln nach den Zielen und dem Nutzen des iranischen Regimes."
Aber längst nicht alle politischen Kräfte im Libanon sehen die Hisbollah nur als Vehikel der Regierung in Teheran. "Sie haben starke Verbindungen in den Iran - das verheimlichen sie gar nicht. Aber sie sind bei den letzten Parlamentswahlen hier angetreten und haben einen großen Stimmenanteil gewonnen. Und es waren Libanesen, die für sie gestimmt haben." Das sagt Cesar Abi Khalil. Er war mal Minister und sitzt für das FPM im Parlament, das sogenannte Free Patriotic Movement, eine säkular ausgerichtete Partei, deren Mitglieder zum überwältigenden Teil christliche Maroniten sind. Gegründet wurde sie vom ehemaligen Präsidenten Michel Aoun.
Seit fast 20 Jahren arbeitet die Partei mit der Hisbollah politisch zusammen. Wie passt das zusammen? Eine säkulare, christlich dominierte Partei und die islamistische Hisbollah - die schiitische Partei Gottes?
Cesar Abu Khalil spricht in seinem Wahlkreisbüro in den Bergen außerhalb Beiruts weniger über den komplizierten Machtpoker im Land, der solch seltsame Allianzen zu Tage fördert. Er betont lieber, wie klein Libanon sei: "Wir suchen immer nach den Gemeinsamkeiten aller Libanesen. Wenn wir Verbindungen abbrechen würden zwischen Parteien und religiösen Gemeinschaften, dann hätte das eine Aufteilung Libanons zur Folge. Unsere 10.452 Quadratkilometer sind dafür einfach zu klein."
Klare Haltung gegen Israel
Damit, dass die Hisbollah sich in den Konflikt zwischen Israel und der Hamas eingemischt hat, sind der Abgeordnete und seine Partei auch nicht glücklich. Aber sobald die israelische Armee Ziele im Libanon bombardiert, sei die Haltung klar, meint Abu Khalil: "Das Free Patriotic Movement wird immer auf der libanesischen Seite stehen. Wir halten zu jeder libanesischen Gruppe, die sich gegen einen Angriff von außen wehrt."
Der Ärger vieler Libanesen über die Hisbollah mag wachsen, die Abneigung gegen Israel ist konfessionsübergreifend noch größer.