Kriegsgefahr im Nahen Osten Nasrallah droht Israel mit Gegenschlag
Erstmals hat sich Hisbollah-Chef Nasrallah zum tödlichen Angriff auf seinen Militärkommandeur geäußert. In einer Rede schwor er Israel Rache. Die Regierung in Tel Aviv antwortete mit einer deutlichen Drohung.
Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah sieht nach der Tötung seines Militärkommandeurs Fuad Schukr eine neue Phase der Kampfhandlungen im Nahen Osten. "Wir befinden uns an allen Fronten in einem offenen Kampf, der in eine neue Phase eingetreten ist", sagte der Hisbollah-Generalsekretär per Videobotschaft bei der Beerdigung von Schukr in Beirut.
Der Feind (Israel) müsse sich auf Zorn und Rache einstellen und "weinen, weil ihr nicht wisst, welche roten Linien ihr überschritten habt". Derzeit suche der "libanesische Widerstand" nach einer "sehr gut durchdachten Antwort".
Der getötete Schukr habe die meisten Hisbollah-Kommandeure trainiert und sei eine "Säule" der Miliz gewesen, sagte Nasrallah. Mit ihm habe er selbst vor dessen Tod ständigen Kontakt gehabt. Jede Lücke in der Führung werde aber rasch geschlossen. "Wir haben eine ausgezeichnete Generation aus Anführern", so Nasrallah.
Furcht vor steigender Kriegsgefahr
Israels Militär hatte Schukr am Dienstagabend in einem Vorort von Beirut gezielt getötet. Nach Angaben der Regierung war Schukr für einen Raketenangriff auf ein Dorf auf den Golanhöhen verantwortlich, bei dem mindestens zwölf Kinder und Jugendliche getötet wurden. Demnach leitete er seit dem Beginn des Krieges zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen die Angriffe der Hisbollah auf Israel.
In der Nacht zum Mittwoch wurde dann der Auslandschef der islamistischen Hamas, Ismail Hanija, bei einem Angriff in der iranischen Hauptstadt Teheran ermordet. Der Hamas-Führer hielt sich anlässlich der Vereidigung des neuen iranischen Präsidenten Massud Peseschkian dort auf.
Hamas und der Iran beschuldigen ihren Erzfeind Israel, dafür verantwortlich zu sein. Israel hat sich nicht zu dem Vorwurf geäußert und lediglich erklärt, jeder, der das Land angreife, werde einen hohen Preis zahlen. Seitdem gibt es Befürchtungen, dass es einen großen und koordinierten Angriff auf Israel durch den Iran, die Hisbollah und weitere verbündete Milizen in der Region geben könnte.
Auf konkrete Drohungen verzichtet Nasrallah
Die proiranische Schiitenmiliz Hisbollah handelt nach eigenen Aussagen in Solidarität mit der ihr verbündeten Hamas im Gazastreifen. Nasrallah nahm vor diesem Hintergrund in seiner Rede auch Bezug auf Tötung Hanijas. Das sei ein "Angriff auf die Ehre" des Irans, sagte der Hisbollah-Chef.
Teils schien er den Iran regelrecht zu einem Angriff anzutreiben. Die Hisbollah werde sicher auf die Tötungen reagieren mit einer "echten Vergeltung". Konkrete Drohungen etwa gegen israelische oder jüdische Einrichtungen im Ausland machte Nasrallah aber nicht.
Medien: Bombe in Hanijas Haus platziert
Wie die New York Times berichtet, soll Hanija durch die Explosion einer Bombe getötet worden sein. Der Sprengsatz soll bereits zwei Monate vor seiner Reise nach Teheran in einem Gästehaus für iranische Staatsgäste platziert worden sein, berichtete die Zeitung unter Berufung auf sieben Offizielle aus der Nahost-Region, darunter zwei Iraner, und einen US-Regierungsbeamten.
Die Bombe sei demnach per Fernzündung aktiviert worden. Zuvor sollen sich die Attentäter davon überzeugt haben, dass sich Hanija in seinem Zimmer in dem Gästehaus befand. Der Hamas-Führer hatte schon bei vorangegangenen Besuchen in Teheran in dem Gästehaus übernachtet, für dessen Sicherheit die iranischen Revolutionsgarden zuständig sind.
Offenbar verstanden es die Attentäter, verschiedene Sicherheitslücken im iranischen Militärapparat auszunutzen, hieß es in dem Bericht weiter. Den iranischen Offiziellen zufolge stelle dies ein katastrophales Versagen der iranischen Geheimdienste und eine enorme Blamage für die Revolutionsgarden dar.
Israel meldet Tod von Hamas-Militärchef
Neben dem Mord an Hanija muss die Terrororganisation Hamas auch den Tod ihres Militärchefs Mohammed Deif verkraften. Israel erklärte ihn heute für tot. Der Chef der Kassam-Brigaden soll demnach bei einem massiven Luftangriff im Gazastreifen vor gut zwei Wochen ums Leben gekommen sein. Ein Militärsprecher schrieb auf X, dass Deif für die "Ermordung Tausender unschuldiger Zivilisten verantwortlich war". Die Hamas hat Deifs Tod bislang nicht bestätigt.
Bei dem Luftangriff am 13. Juli war auch Rafa Salama getötet worden, der als einer der engsten Mitarbeiter von Deif galt. Salama war außerdem Anführer der Chan-Yunis-Brigade.
Deif gilt zusammen mit Hamas-Chef Jihia al-Sinwar als maßgebliche Drahtzieher des Massakers in Israel vom 7. Oktober vergangenen Jahres. Damals wurden rund 1200 Israelis getötet und rund 250 Menschen nach Gaza verschleppt. Der Terrorüberfall war Auslöser des Krieges in Gaza. Eines der Hauptziele Israels war immer, Sinwar und seinen Stellvertreter Deif gefangenzunehmen oder zu töten.
Netanyahu: Israel ist vorbereitet
In Israels Regierung wird es für wahrscheinlich gehalten, dass Vergeltungsmaßnahmen für die Tötung der führenden Mitglieder von Hamas und der Hisbollah-Miliz noch in dieser Woche erfolgen werden. "Israel ist auf jedes Szenario sehr gut vorbereitet - sowohl defensiv als auch offensiv", bekräftigte heute Ministerpräsident Benjamin Netanyahu.
"Wir werden für jeden Akt der Aggression gegen uns, von wo auch immer er ausgehen mag, einen hohen Preis einfordern", sagte er nach Angaben seines Büros bei einer Lagebesprechung mit Kommandeuren der Heimatfront. Netanyahus Äußerungen erfolgten kurz nach Nasrallahs Rede.
Die israelische Armee ist bereits in höchste Alarmbereitschaft versetzt worden. Der israelische Rundfunk meldete, die Luftabwehr des Landes sei in maximaler Bereitschaft. Kampfjets patrouillieren demnach im Luftraum des Landes, und Bodentruppen an den Grenzen erhöhten ihre Gefechtsbereitschaft.