Huthi-Angriffe im Roten Meer Eine Gefahr - nicht nur für den Welthandel
Huthi-Milizen greifen immer öfter Schiffe im Roten Meer an - einem der wichtigsten Handelswege der Welt. Welche Folgen hat das für die globalen Märkte? Wie reagiert die internationale Politik? Und was wollen die Huthi überhaupt? Ein Überblick.
Warum greifen die Huthi-Milizen Schiffe im Roten Meer an?
Die vom Iran und der Hisbollah im Libanon unterstützten Huthi beherrschen weite Teile des Jemens. Sie besetzten 2014 die Hauptstadt Sanaa. Damit begann ein Bürgerkrieg zwischen ihnen und einer saudisch geführten Koalition, die sich um eine Wiedereinsetzung der Regierung bemüht. Im Laufe der Zeit griffen sie bereits sporadisch Schiffe in der Region an. Doch mit Beginn des Kriegs zwischen Israel und der militant-islamistischen Hamas haben die Attacken auf Frachter zugenommen.
Die Huthi haben ihre Solidarität mit der Hamas erklärt und greifen Israel seit dem 7. Oktober auch an. Sie attackierten Israel vom Süden der Arabischen Halbinsel aus mit Drohnen und Raketen und trafen dabei die südisraelische Stadt Eilat. Bei den Angriffen auf Frachtschiffe fing ein US-Zerstörer auch mehrere Drohnen ab.
Die Angriffe passen zu der antisemitischen und antiamerikanischen Rhetorik der Huthi und ihrer Hoffnung, breitere Anerkennung zu finden als Teil der iranischen "Achse des Widerstands". Die Milizen stellen sich als Opfer einer Verschwörung zwischen Israel, den USA und Saudi-Arabien dar. Damit finden sie Anklang in der jemenitischen Bevölkerung.
Welche Schiffe werden angegriffen?
Inzwischen drohen die Milizen mit Angriffen auf alle Schiffe, die aus ihrer Sicht auf dem Weg nach Israel sind oder von dort kommen. Nur Frachtern, die Hilfsgüter für den Gazastreifen lieferten, würde die Durchfahrt im Roten Meert gewährt. Alle anderen würden zum "legitimen Zielen unserer Streitkräfte", hieß es in einer Erklärung.
Die Huthi-Milizen verfügen über ein erhebliches Waffenarsenal, bei den Attacken setzen sie Drohnen und Seezielflugkörper ein sowie in einem Fall einen Hubschrauber, um ein israelisches Schiff zu kapern. Vor wenigen Tagen wurde ein unter norwegischer Flagge fahrender Frachter getroffen. Auf ein Schiff, das Kerosin zum Suez-Kanal transportierte, wurden Raketen abgefeuert. Am Freitag wurden zwei Frachtschiffe vom Jemen aus angegriffen und in Brand gesetzt, darunter die von der deutschen Reederei Hapag Lloyd betriebene "Al Jasrah".
Warum ist das Rote Meer wichtig?
Im Norden des Roten Meeres liegt der Suez-Kanal und im Süden die Meerenge Bab al-Mandab, die in den Golf von Aden führt. Es handelt sich um einen stark befahrenen Seeweg, auf dem Schiffe den Suez-Kanal durchqueren, um Güter zwischen Asien und Europa zu transportieren. Durch den Suez-Kanal fließen etwa zehn Prozent des Welthandels.
Ein großer Teil der Energielieferungen für Europa kommt über das Rote Meer. Das Gleiche gilt für Lebensmittel wie Palmöl und Getreide sowie für alle anderen Güter, die auf Containerschiffen angeliefert werden. Das trifft auf die meisten Industrieerzeugnisse weltweit zu.
Wie wirken sich die Angriff der Huthi auf den Handel aus?
Wegen der andauernden Angriffe kündigten am Samstag mit der Mediterranean Shipping Company (MSC) und CMA CGM zwei weitere Reedereien an, nicht mehr durch die Meerenge zwischen dem Rotem Meer und dem Golf von Aden fahren zu wollen. Am Freitag hatten bereits die deutsche Reederei Hapag-Lloyd und die dänische Reederei Maersk mitgeteilt, dass sie ihre Fahrten durch das Rote Meer zunächst aussetzen.
Manche mit Israel in Verbindung stehenden Schiffe sind offenbar auf die längere Route um Afrika und das Kap der Guten Hoffnung umgeschwenkt. Experten zufolge verlängert sich die Fahrt dadurch je nach Geschwindigkeit um bis zu 31 Tage - das bedeutet höhere Kosten und Lieferverzögerungen.
Die deutlichsten unmittelbaren Folgen der Eskalation zeigten sich in einem Anstieg der Versicherungskosten: Nach Angaben des Branchendienstes "Lloyd’s List Intelligence" verdoppelten sie sich für Schiffe, die im Roten Meer unterwegs sind. Für israelische Reeder beträgt die Erhöhung demnach sogar 250 Prozent, manche Versicherungsunternehmen wollen sie gar nicht mehr aufnehmen.
Die Transporteure stellten ihren Kunden einen sogenannten Kriegsrisikoaufschlag von 50 bis 100 Dollar pro Container in Rechnung, erklärte der Branchendienst. Ein Anstieg der Verbraucherpreise sei vorerst aber nicht zu erwarten. Bei einem Verlust von Schiffen könnten Reeder erwägen, die Region komplett zu meiden.
Auf den globalen Ölmarkt wirkten sich die jüngsten Angriffe bislang nicht aus. Die Preise fielen, und die Sorge gilt hier eher der schwachen Nachfrage in großen Volkswirtschaften.
Könnten die Huthi das Rote Meer abriegeln?
Experten halten das für unwahrscheinlich. Die Huthi verfügen nicht über echte Kriegsschiffe, mit denen sie eine Absperrung durchsetzen könnten. Außerdem patrouillieren Kampfschiffe der USA, Frankreichs und anderer Länder in dem Gebiet und halten die Wasserstraße offen.
Wie reagiert die internationale Politik auf die Angriffe?
Die EU erklärte am Mittwoch, die zahlreichen Angriffe bedrohten die internationale Schifffahrt sowie die Sicherheit auf See und stellten einen schweren Verstoß gegen internationales Recht dar. Die Eingriffe der Huthi in die Schifffahrtsrechte und -freiheit in den Gewässern um die Arabische Halbinsel, insbesondere im Roten Meer, seien inakzeptabel.
Auch die Bundesregierung verurteilte die Attacken scharf. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock forderte, "die Angriffe der Huthi auf zivile Handelsschiffe im Roten Meer müssen sofort aufhören". Sie zeigten, "dass die Sicherheitsgefahr für Israel nicht nur von der Hamas aus Gaza kommt, sondern gerade auch von den Huthi". Die Rebellen bedrohten die internationale Seeschifffahrt und die Freiheit von Handelsrouten.
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, sprach sich für ein internationales militärisches Bündnis mit Beteiligung der deutschen Marine zum Schutz der Schiffe im Roten Meer aus. Das Verteidigungsministerium in Berlin prüft bereits eine entsprechende Bitte der USA.
US-Verteidigungsminister Lloyd Austin will sich nach Angaben des Pentagon bei einem Besuch in Bahrain um die "Bildung multilateraler Koalitionen" bemühen, "um auf die Aggression zur See zu reagieren, die die Schifffahrt und die weltweite Wirtschaft bedroht".
Auch der britische Verteidigungsminister Grant Shapps warnte, die Angriffe auf Handelsschiffe in der Region stellten eine direkte Bedrohung für den internationalen Handel und die Sicherheit auf See dar. Großbritannien wolle "diese Angriffe abwehren, um den freien Fluss des Welthandels zu schützen". Die britische "HMS Diamond" habe über dem Roten Meer eine Drohne zerstört, die auf Handelsschiffe abgezielt habe. Das Kriegsschiff war vor zwei Wochen zusammen mit Schiffen aus den USA, Frankreich und anderen Ländern zur Abschreckung in die Region entsandt worden.