Ukraine-Gipfel in Saudi-Arabien Eine große Portion Aufmerksamkeit
Saudi-Arabien strebt nach Anerkennung und versucht sein Image aufzupolieren. Nun wollen die Saudis mit einem Gipfeltreffen zum Krieg gegen die Ukraine punkten. Dient das Land jetzt als Friedensengel?
In Saudi-Arabien kommen gerne mal Überraschungsgäste vorbei: Er begrüße herzlich den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, so der saudische Kronprinz und De-facto-Machthaber Mohammed bin Salman bereits im Mai bei dem Gipfeltreffen der Arabischen Liga, auf dem überraschend auch Selenskyj sprach. Und fügte direkt hinzu: "Ich hoffe, dass unsere Bemühungen erfolgreich sein werden."
Bemühungen - damit meint der saudische Machthaber möglicherweise auch das eigene Interesse: Die erfolgreiche Rolle als Vermittler in weltweiten Konflikten. Das ölreiche Land am Golf poliert geradezu verbissen sein Image, mit dem Ziel, regional und international als wichtiger Akteur wahrgenommen zu werden.
Gute Kontakte zu allen Seiten
Der Politikwissenschaftler Mustafa Kamal Sayyed von der Kairo Universität sagt: Saudi Arabien sei überzeugt, dass es die finanzielle und ökonomische Macht und das politische Gewicht habe, um eine aktive Rolle auf der internationalen Bühne zu spielen. "Die Saudis haben gute Beziehungen zu vielen wichtigen Akteuren wie die USA, Russland, China, Europa - deshalb sind die Machthaber überzeugt, dass sie in der richtigen Position sind, um bei Konflikten zu vermitteln", erklärt er.
Am Golf pflegt man gute Kontakte zu allen Seiten. Selenskyj bescheinigte Saudi-Arabien im Ukraine-Krieg bereits erste Vermittlungserfolge. "Wir haben bereits gute Erfahrungen mit Saudi-Arabien gemacht, als es um die Freilassung unserer Leute ging, die von Russland gefangen genommen wurden. Wir können diese Erfahrungen ausweiten", sagte er.
Nun also das nächste Forum für die Ukraine in Saudi-Arabien. Ein Gipfeltreffen mit rund 30 Ländern - neben Vertretern aus den USA und der EU vor allem aus Ländern des sogenannten globalen Südens: Staaten wie Indien, Brasilien, Ägypten oder Indonesien - Entwicklungs- und Schwellenländer, die sich im Ukraine-Krieg bislang weitgehend neutral verhalten haben. Ihnen will die Ukraine ihren Zehn-Punkte-Friedensplan schmackhaft machen, und das alles in der saudischen Hafenstadt Dschidda. China ist auch dabei, Russland ist nicht vertreten.
Saudi-Arabien profitiert vom Krieg
Dient ausgerechnet die konservative arabische Öl-Monarchie Saudi-Arabien jetzt als Friedensengel gegen Russland? Wohl kaum. Zwar haben die Saudis Analysten zufolge ein eigenes Interesse an einem Ende des Krieges, da die weltweiten Versorgungsengpässe auch den Nahen und Mittleren Osten zu destabilisieren drohen. Doch Riad pflegt eben auch ausgezeichnete Beziehungen zu Moskau.
Als große Erdölexportnation in der OPEC+ mit Russland an einem Tisch, profitiert Saudi-Arabien sogar durch die gestiegenen Ölpreise vom Ukraine-Krieg. Billiges russische Öl kauften die Saudis zudem barrelweise auf, um doppelt Geschäfte zu machen. Und kurz nachdem Selenskyj im Mai in Saudi-Arabien war, schickte Russland seinen Innenminister zu Sicherheitsgesprächen an den Golf.
Schwierige Beziehung zu den USA
Nur ein Verhältnis war in letzter Zeit deutlich getrübt: Die USA waren lange enger Bündnispartner Saudi-Arabiens. Doch die Ölproduktionskürzungen verärgerten Washington und mit Sorge beobachtet man im Westen die zunehmend eigenständige Politik der Saudis: Das Ende der politischen Eiszeit und die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen mit dem Iran - ausgerechnet unter Vermittlung der Chinesen, die fleißig mit Saudi-Arabien Geschäfte machen. Die verbesserten Beziehungen zum syrischen Diktator Assad. Der enge Draht zu Russland.
Schon im vergangenen Jahr begrüßte US-Präsident Joe Biden den saudischen Kronprinzen nur mit der entgegengestreckten Faust, der sogenannten fist bump, statt mit Händedruck - mit Hinweis auf Corona, versteht sich.
Experte sieht Signal an Washington
Ist das jetzige Ukraine-Treffen in Dschidda ein Entgegenkommen - ein Signal der Saudis an den Westen, dass man sich am Golf nicht völlig von den USA abgewandt hat?
Ja, meint Politikwissenschaftler Mustafa Kamal Sayyed. Denn Saudi-Arabien verfolge gegenüber den USA klare Interessen: "Die Saudis wollen mit den USA ein Sicherheitsabkommen schließen, durch das Saudi-Arabien wie ein NATO-Land bei einem Angriff Schutz von den USA bekommen würde. Außerdem wollen die Saudis, dass die USA ein nationales ziviles Atomprogramm in Saudi-Arabien unterstützen, das von den USA überwacht würde", sagt Mustafa Kamal Sayyed. "Und die Saudis haben Interesse an amerikanischen Waffensystemen."
Aus mehreren Gründen hätten die Saudis also auch ein großes Interesse an einem guten Verhältnis zu den USA, so der Politikwissenschaftler, aber sie wüssten auch: "Um eine ernstzunehmende Verhandlungsmacht zu sein, brauchen sie gute Beziehungen zur anderen Seite, zu Russland und China."
Große Friedenskonferenz als Ziel
Mit Blick auf die saudischen Forderungen drängt die Biden-Regierung im Gegenzug verstärkt auf eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und Israel - auch als regionales Bollwerk gegen den Iran. Bislang hält sich Riad bedeckt.
Dort versucht man jetzt, in anderen Bereichen zu punkten: Der Gipfel zum Ukraine-Krieg an diesem Wochenende in Dschidda gilt als Folgekonferenz eines ähnlichen Treffens in Dänemark Ende Juni. Ziel ist es, noch in diesem Jahr eine große Friedenskonferenz einzuberufen, zu der dann auch Russland eingeladen werden soll. Doch auch wenn das Gipfeltreffen an diesem Wochenende wohl keinen direkten Frieden in der Ukraine bringen wird - eines ist den Saudis jetzt schon sicher: eine große Portion internationaler Aufmerksamkeit.