Auf diesem von der US-Marine zur Verfügung gestellten Foto führt ein chinesisches Marineschiff ein "unsicheres" Manöver vor dem US-Zerstörer "USS Chung-Hoon" durch.
analyse

Verhältnis zwischen den USA und China Wie gefährlich sind die jüngsten Spannungen?

Stand: 07.06.2023 11:28 Uhr

In der Pazifik-Region wachsen die Spannungen zwischen den USA und China. Nach Abfangmanövern geht der verbale Schlagabtausch zwischen Washington und Peking weiter. Wie gefährlich ist die Rivalität?

Eine Filmsequenz ist seit Tagen in US-Nachrichtensendern besonders oft zu sehen: Ein chinesisches Kriegsschiff kreuzt den Kurs eines US-Zerstörers im Abstand von rund 140 Metern - für Schiffe in voller Fahrt ist das gefährlich nah.

Wenige Tage zuvor war ein chinesisches Kampfflugzeug einem US-Jet bei einem Abfangmanöver ebenfalls gefährlich nahe gekommen. Der Sprecher des nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, nannte das Verhalten Chinas unprofessionell und inakzeptabel. "Es braucht nicht viel, damit durch eine Fehleinschätzung oder einen Fehler jemand verletzt werden kann", sagte Kirby bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus. 

"Absolut keinen Grund, derart aggressiv zu reagieren"

Die USA würden ihre Aufklärungsfahrten in der Meerenge der Taiwanstraße und ihre Flüge über dem südchinesischen Meer keineswegs einstellen, stellte er klar: "Wir operieren in internationalem Luftraum und internationalen Gewässern. Es gab absolut keinen Grund für die chinesische Armee, derart aggressiv zu reagieren."

Das Unverständnis über das chinesische Verhalten ist groß in den USA. Richard Haass, Präsident der Denkfabrik Council on Foreign Relations, sagte im Fernsehsender MSNBC: "Ich kann das chinesische Verhalten nicht wirklich verstehen. Es sei denn, die Chinesen denken, in dem sie das Risiko erhöhen, könnten sie uns irgendwie zum Rückzug bewegen."

Für Peking ist Washington der Provokateur

Die jüngsten Zwischenfälle machen deutlich, dass neben der seit Langem bestehenden wirtschaftlichen auch die militärische Rivalität zwischen den USA und China erheblich wächst. Die USA waren jahrzehntelang die dominante militärische Macht in der Pazifik-Region. Sie wollen den Status Quo möglichst halten und sehen diesen durch die aktuelle Aufrüstung Chinas und die verbalen Drohungen der Führung in Peking gegenüber Taiwan gefährdet. 

Aus chinesischer Sicht stellt sich die Lage ganz anders dar. Das chinesische Selbstbewusstsein ist durch die wirtschaftliche und zunehmend militärische Stärke enorm gewachsen. Für Peking ist Washington der Provokateur, indem sich US-Kriegsschiffe und -Kampfflugzeuge immer wieder chinesischem Hoheitsgebiet nähern.

Seit acht Monaten keine Gespräche mehr

Dazu kommt der Mangel an Kommunikation. Seit dem Abschuss eines chinesischen Spionageballons durch die USA wird ein Besuch von US-Außenminister Antony Blinken in Peking zwar immer wieder angekündigt, stattgefunden hat er bisher aber nicht. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin hatte bei der Sicherheitskonferenz in Singapur am vergangenen Wochenende seinem chinesischen Amtskollegen zwar die Hand geschüttelt, ein Gespräch lehnte die chinesische Seite nach US-Angaben ab.

Und auch US-Generalstabschef Mark Milley sagte im CNN-Interview, er habe seit acht Monaten nicht mehr mit seinem Gegenüber in Peking gesprochen. Zu Warnungen mancher Experten vor einem drohenden Krieg zwischen den USA und China sagte Milley: "Ich glaube persönlich nicht, dass ein Krieg zwischen den USA und China unvermeidlich ist. Ich glaube nicht, dass er unmittelbar bevorsteht." Beide Länder seien im Wettbewerb. "Damit es dabei bleibt, müssen Länder miteinander reden. In einer Krise muss es die Möglichkeit zur Deeskalation geben." 

Es fehlen eingespielte Kommunikationskanäle

Dieses Szenario scheint die aktuell größte Sorge auf US-Seite zu sein: Es kommt zu einem Missverständnis, etwa einer Kollision von Schiffen oder Flugzeugen mit Verletzten oder Toten. Es fehlen eingespielte Kommunikationskanäle, beide Seite wollen Stärke zeigen, die Lage könnte eskalieren. 

Um solchen Szenarien vorzubeugen, versucht Kirby, die Gesprächsbereitschaft Washingtons zu demonstrieren, indem er Austausch auf höchster Ebene ankündigt - allerdings ohne konkreten Termin. "Präsident Joe Biden wird mit Staatschef Xi Jinping zu geeigneter Zeit wieder ein Gespräch führen und dabei sicher die Herausforderungen in den Beziehungen ansprechen, aber auch die Chancen, die nach wie vor bestehen und die wir weiter verfolgen wollen", sagte der Pentagon-Sprecher.

Ralf Borchard, ARD Washington, 07.06.2023 10:46 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 07. Juni 2023 um 05:46 Uhr.